Ex-Premier Hun Sen: Ohne ihn wird es keinen Frieden mit Thailand geben – Politik | ABC-Z

Um zu verstehen, wieso das kleinere, ärmere Kambodscha sich auf Gefechte mit dem reichen Nachbarn Thailand und seiner riesigen Armee einlässt, muss man Hun Sen kennen. Der heute 72-Jährige war nicht nur fast vierzig Jahre lang Premierminister von Kambodscha, er ist die Person, auf die in Phnom Penh alles zuläuft. Ohne ihn gäbe es keine Angriffe, ohne ihn wird es keinen dauerhaften Frieden geben, auch wenn er seinen Sohn, Premier Hun Manet, am Montag eine sofortige Waffenruhe aushandeln ließ auf dem Friedensgipfel in Kuala Lumpur.
Hun Sen ist ein alter Kämpfer. 1970 schloss er sich den Roten Khmer an, die während ihrer kommunistischen Schreckensherrschaft zwischen 1975 bis 1979 etwa ein Viertel der kambodschanischen Bevölkerung auslöschten. Bei diesem Vernichtungsfeldzug gegen die eigenen Leute wollte Hun ab 1977 nicht mehr mitmachen und lief zu den vietnamesischen Streitkräften über – den Kommunisten, die nur zwei Jahre zuvor den Krieg gegen den Süden und die mit ihm verbündeten USA gewonnen hatten. Den neuen Machthabern in Saigon war der Steinzeitkommunismus der Khmer zu brutal, also griffen sie Kambodscha an und vertrieben ihre Genossen 1979, von denen ein Teil in das unübersichtliche Grenzgebiet zu Thailand flüchtete – dorthin, wo heute wieder gekämpft wird.
Das Land hat er nach seinem Staatsstreich in eine autokratische Kleptokratie verwandelt
Durch seinen Seitenwechsel galt Hun Sen als vertrauenswürdig, bei den Vietnamesen ebenso wie bei den USA und den Vereinten Nationen. Er nutzte die Kräfte, die sich im Kalten Krieg entfalteten, um seine Position zu sichern. Als die internationale Gemeinschaft eine modellhafte Demokratie in Kambodscha aufbauen wollte, wurde Hun Sen als Politiker eingesetzt und sicherte sich so viel Macht, dass er bald anfangen konnte, ebendiese Demokratie auszuhöhlen.
Bei der Wahl 1993 wurde seine Volkspartei von den Königstreuen geschlagen und musste eine Koalition eingehen, Hun Sen bekam den Titel „zweiter Premierminister“. Doch im Jahr 1997 übernahm er die Macht in einem blutigen Staatsstreich, und gab sie bis heute nicht mehr ab. Seitdem hat er das Land in eine autokratische Kleptokratie verwandelt, Korruption ist das größte Problem. Auch eine Folge dessen, dass Hun Sen brutal jede Opposition ausgeschaltet hat und die Meinungsfreiheit unterdrückt. Laut „Reporter ohne Grenzen“ fiel Kambodscha im vergangenen Jahr noch mal um zehn Plätze im Index der Pressefreiheit, auf Rang 161 von 180 Ländern.
Und zuletzt kam der Verrat an der Tochter seines alten Freundes Thaksin Shinawatra
Auch deswegen ist es überaus schwierig, eine Einschätzung zu bekommen, was der Ex-Premier eigentlich erreichen will, wenn er sich mit den Nachbarn anlegt, die über eine weitaus schlagkräftigere Armee verfügen. Beobachter vermuten, dass ihm die härtere Gangart der Regierung in Bangkok gegenüber Scam-Centern lästig wurde. In den bettelarmen Nachbarländern Myanmar, Laos und Kambodscha haben sich diese Betrugsfabriken seit der Pandemie ausgebreitet, chinesische, indische und sogar äthiopische Touristen werden dorthin verschleppt, um ihre Landsleute mit Online-Betrug auszunehmen. Man kann unterstellen, dass die Familie Hun davon profitiert – während Thailands Tourismus leidet, vor allem die Besucherzahlen aus China gehen zurück.
Daher wohl auch der Verrat an der Tochter seines alten Freundes Thaksin Shinawatra, dem Ex-Premier von Thailand. Ein privates Telefonat mit ihr, in dem sie ihn etwas zu respektvoll als „Onkel“ ansprach, veröffentlichte Hun Sen auf Facebook. Dabei durfte Vater Thaksin, als er 2006 vor einem Coup in seinem Land fliehen musste, zuerst sogar bei Hun Sen unterkommen. Nun hat dieser das Ende der Dynastie seines alten Freundes eingeleitet. Was Hun Sen zu diesem Verrat getrieben hat? Als Thaksin Shinawatra die bombardierte Region in Thailand in der vergangenen Woche besuchte, erklärte er vor Reportern des thailändischen Nachrichtensenders PBS: „Was passiert ist, ist passiert, weil er alleine durchdreht, den ganzen Tag wie ein Zombie in den sozialen Medien sitzt, frustriert ist und nach Ärger sucht.“