Kritik an Stellenabbau am Tag der Arbeit | ABC-Z

Seit 19 Jahren arbeitet Georgios Tsobanakis für die Glockenbrot-Bäckerei – nun kämpft er gegen ihre Schließung: Zusammen mit rund 50 Kollegen marschierte der Betriebsratsvorsitzende am Donnerstag ganz vorne im Demonstrationszug zum Tag der Arbeit in Frankfurt mit.
Bei der Abschlusskundgebung auf dem Römerberg mit rund 5000 Teilnehmern kritisierte auch der Vorsitzende der Gewerkschaft Nahrung-Genuss-Gaststätten (NGG), Guido Zeitler, dass die Glockenbrot-Produktionsstätte in Frankfurt-Fechenheim mit derzeit noch 500 Beschäftigten geschlossen werden soll: „Rewe schließt die eigene Bäckerei und schmeißt alle Beschäftigten raus. Das ist ein Skandal.“ Der Handelskonzern hat angekündigt, die bisherige Tochtergesellschaft Glockenbrot an die Großbäckerei Harry-Brot zu verkaufen. Die Produktionsstätte in Frankfurt will Harry-Brot aber nicht weiterbetreiben, sondern stattdessen eine neue Backfabrik in Erlensee bei Hanau errichten.
Betriebsrat wirbt für Erhalt des Werks
Die Schließung des Standorts in Frankfurt ist nach Angaben des Betriebsratsvorsitzenden Tsobanakis für Ende Februar 2028 geplant. Die Belegschaft wehre sich dagegen, am Mittwoch habe man ein Konzept für eine Verbesserung der Wirtschaftlichkeit der Großbäckerei in Fechenheim vorgelegt. Wenn sich Harry-Brot davon nicht überzeugen lasse, würden unweigerlich Arbeitsplätze verloren gehen, fürchtet Tsobanakis: „Es wird nicht für alle Mitarbeiter einen Arbeitsplatz bei Harry-Brot in Erlensee geben.“
Um ihre Arbeitsplätze fürchten auch viele Beschäftigte von DB Systel, der IT-Tochtergesellschaft der Deutschen Bahn. Seit Monaten kursierten Gerüchte über Pläne für den Abbau von mehr als 1000 Stellen, zuletzt sei sogar von 2500 die Rede gewesen, berichteten Demonstrationsteilnehmer am Donnerstag. Eine offizielle Ankündigung gebe es bisher aber nicht. Auch bei der Bahngesellschaft DB Fahrzeuginstandhaltung rumort es, die Gesamtbetriebsratsvorsitzende Saskia Borchert befürchtet angesichts einer sinkenden Auslastung der Werke Standortschließungen und infolgedessen auch einen Stellenabbau in der Frankfurter Zentrale.
Der NGG-Vorsitzende Zeitler erinnerte zudem daran, dass die in Frankfurt ansässige Deutschland-Gesellschaft von Nestlé nächstes Jahr zwei Werke in Nordrhein-Westfalen und Mecklenburg-Vorpommern aufgeben will. Rund 240 Mitarbeiter seien davon betroffen.
Ruf nach Azubi-Wohnheimen
Vertreter der IG-Metall-Jugend kritisierten den schlechten Zustand vieler Berufsschulen und den Mangel an bezahlbaren Wohnungen im Rhein-Main-Gebiet. Sie forderten mehr Wohnheime für Auszubildende, Studierende und „dauerhaft bezahlbare Mieten für uns alle“.
Auch Dutzende Taxifahrer nutzten den 1. Mai, um auf ihre Existenzsorgen aufmerksam zu machen: Sie demonstrierten auf dem Römerberg für einen Mindestpreis auch für Fahrten mit Mietwagen-Chauffeuren, die über Online-Plattformen wie Uber und Bolt angeboten werden. Nur mit einem Mindestpreis könne „Sozialdumping“ verhindert werden.
An der Kundgebung beteiligten sich allerdings auch Gruppen, denen es nicht um eine Verbesserung der Arbeitsverhältnisse, sondern um ganz andere Belange geht: Iranerinnen, die gegen das Mullah-Regime in Teheran protestierten, Kurden, die für die Rechte ihrer Volksgruppe in der Türkei demonstrierten, eine Gruppe, die „Solidarität mit Palästina“ forderte, und verschiedene Friedensinitiativen. Der Vorsitzende des Deutschen Gewerkschaftsbundes (DGB) in Frankfurt, Philipp Jacks, begrüßte alle als „Teil einer globalen Bewegung für Gerechtigkeit“.
Josef sorgt sich um Zusammenhalt
Oberbürgermeister Mike Josef (SPD) zeigte sich in seiner Rede besorgt über den „sozialen Zusammenhalt“ in der Gesellschaft und warnte vor Gefahren für die Demokratie: „Nazis zu wählen, ist kein erster Schritt in politische Veränderung, sondern ein Schritt in den Abgrund.“ Er sei „stolz darauf, Oberbürgermeister einer Stadt zu sein, in der Menschen aus mehr als 180 Nationen friedlich zusammenleben“. Dazu gehöre ein Eintreten gegen Rassismus, „aber auch gegen jegliche Form von Antisemitismus“. An dieser Stelle gab es Störrufe seitens der Pro-Palästina-Gruppe, die nach einer Intervention von DGB-Chef Jacks jedoch verstummten.
Auch in anderen hessischen Städten fanden zum Tag der Arbeit Kundgebungen statt. Laut DGB beteiligten sich landesweit 16.500 Menschen.