Krise bei VW in Wolfsburg: Der blockierte Konzern | ABC-Z
Für Europas größten Autokonzern Volkswagen geht es jetzt ums Ganze. Viele Fabriken sind schlecht ausgelastet, die Kosten sind zu hoch, und der Gewinn ist zu niedrig, um dauerhaft überleben zu können. In wenigen Wochen beginnen die Verhandlungen über einen neuen Haustarif, und klar ist schon jetzt: Im Wolfsburger Konzern steht ein hartes Ringen bevor. Das Management will mit umfangreichen Einsparungen auf die Krise reagieren, die Arbeitnehmervertreter halten dagegen und drohen mit Arbeitskampf.
VW, das war schon immer ein Symbol von nationaler Bedeutung, ein Mythos und eine Ikone, aber auch eine Bühne für Machtkämpfe und Dramen, wie es sie nur in Wolfsburg gibt. Gerade spitzt sich die Lage in der ganzen Autoindustrie zu, VW bekommt zu spüren, dass die Nachfrage in Europa sinkt und Elektroautos nach dem Ende der Förderung zum Ladenhüter geworden sind. An Einschnitten führt jetzt kein Weg mehr vorbei. Gleichzeitig muss das Tempo in der Entwicklung neuer Modelle steigen, sonst geht der Konzern im Wettbewerb unter.
Zu lange haben das an VW beteiligte Land Niedersachsen und der Betriebsrat verhindert, dass in großem Stil Personal abgebaut wird. Mehr als 100.000 Mitarbeiter hat VW allein in Niedersachsen, rund um die Welt sind es 663.000. Die Werke, geplant zu Zeiten der VW-Granden Martin Winterkorn und Ferdinand Piëch, sind auf ein Wachstum ausgelegt, das nie eintrat. Noch immer klammern sich manche an die Hoffnung, dass der Automarkt anzieht und an Rekorde vor Corona anknüpft – eine Illusion. Viele Märkte sind gesättigt. Global steht die Branche vor einer Phase lang anhaltender Stagnation mit wachsendem Wettbewerb durch Anbieter aus China.
Probleme in der Stammmarke VW
Schon nach dem Dieselskandal im Jahr 2015 war klar, dass VW an deutschen Standorten Tausende von Stellen streichen muss. Doch passiert ist kaum etwas. Als Herbert Diess im Jahr 2021 einen neuen Anlauf nahm, gingen Land und Betriebsrat gegen den damaligen VW-Chef auf die Barrikaden. Probleme in der Software-Entwicklung für Autos der nächsten Generation wurden ihm zum Verhängnis. Die Aktionärsfamilien Porsche und Piëch jagten ihn vom Hof.
Auch sein Nachfolger Oliver Blume will durchgreifen, setzt aber stärker auf Partnerschaft mit der IG Metall, die bei VW so viel Macht hat wie in keinem anderen Unternehmen. Das hat den Betriebsfrieden gewahrt, aber alles gebremst. Jeder Krisenwelle laufen die Vorstände nun mit neuen Sparrunden hinterher, vor allem in der Stammmarke des Konzerns, VW. Ein Effizienzprogramm sollte bislang zehn Milliarden Euro Entlastung bringen. Mittlerweile sind weitere Kostensenkungen nötig geworden.
Altersteilzeit, Abfindungen oder eine „Perspektivwerkstatt“, die Mitarbeitern hilft, neue Stellen zu finden, wenn ihre Aufgabe wegfällt: Das ist viel zu wenig. Auch in Deutschland müssten Werke schließen. Doch das VW-Gesetz, das den Arbeitnehmervertretern ein Vetorecht gibt, macht es fast unmöglich. Nur die Audi-Fabrik in Brüssel steht vor dem Aus, ein überfälliger Schritt.
Stattdessen fordert die Gewerkschaft in Deutschland ein Lohnplus von sieben Prozent, angelehnt an die Forderung für den Flächentarif der Metall- und Elektroindustrie. Es klingt wie Hohn, denn die Kosten im Konzern sind zuletzt an vielen Stellen gestiegen, statt zu sinken. Rivalen wie der europäisch-amerikanische Mehrmarkenkonzern Stellantis sind effizienter, von Herstellern in China ganz zu schweigen. Nachdem sie VW in der Volksrepublik abgehängt haben, greifen sie mit E-Autos auch in Europa an. Ihnen können die Wolfsburger nur ein schwaches Angebot entgegensetzen, den kompakten ID.3 etwa oder den Stadtgeländewagen ID.4. Sie sind zu teuer, auch wegen der Arbeitskosten.
Hoffen auf die Modelloffensive
Vom Aufsichtsrat ist nicht viel zu erwarten. Über Niedersachsens Ministerpräsident Stephan Weil (SPD) heißt es, dass er sich nach mehr als zehn Jahren im Amt bald zurückziehen und Wirtschaftsminister Olaf Lies als Nachfolger installieren könnte. Die Familienvertreter Wolfgang Porsche und Hans Michel Piëch, 81 und 82 Jahre, scheinen sich mehr für den Sportwagenhersteller Porsche zu interessieren als für den Mutterkonzern VW. Ihr Vertrauter Blume führt beide Unternehmen gleichzeitig. Kritik von Kleinanlegern und Fonds an dieser Doppelrolle wächst. Auch bei dem Gewinnbringer Porsche läuft nicht alles rund.
Große Hoffnung ruht auf einer Modelloffensive. Porsche, Audi, oder die Marke VW: Sie alle werden neue Autos herausbringen. Geplant ist auch ein neuer E-Golf, der an die Strahlkraft des Kultmodells anknüpfen soll. Die Zeitpläne verschieben sich aber ständig. Anleger haben mittlerweile das Vertrauen verloren, der Aktienkurs ist niedrig. Und der größte Umbruch zum vernetzten und digitalen Auto steht noch bevor.