Bezirke

Bürgerversammlung in Kochel: „Wir wollen nicht mega sein“ – Bad Tölz-Wolfratshausen | ABC-Z

Seit genau einem Jahr ist Jens Müller (UWK) Rathauschef von Kochel. „Manchmal wache ich noch auf und denke: Bin ich wirklich Bürgermeister?“, erklärte er am Donnerstag bei seiner ersten Bürgerversammlung. Das Interesse war groß, etwa 250 Bürgerinnen und Bürger waren in die Heimatbühne gekommen. In seinem Rechenschaftsbericht ging Müller auf wichtige Projekte ein: Verstärkeramtsareal, Hotel-Neubau in Einsiedl, geplante Klinik auf dem Verdi-Gelände, Geflüchtete, Finanzen. „Insgesamt ein ordentliches Jahr“, bilanzierte Müller.

Für ihn mit das Wichtigste sei, dass sich die Atmosphäre im Gemeinderat deutlich gebessert habe. „Es wird weiterhin in der Sache gestritten, aber der Umgang ist fair.“ Über das größte Projekt der Gemeinde, die Entwicklung des Verstärkeramtsareals, sei noch nicht endgültig entschieden, sagte Müller. Im Dezember 2020 war das Gebäude unter Protest von Denkmalschützern abgerissen worden, mit der Begründung, dass die Gemeinde dort den dringend nötigen Bauhof-Neubau und kommunale Wohnungen verwirklichen will. Im vergangenen Oktober wurde nun beschlossen, den Bauhof gemeinsam mit Schlehdorf zu bauen, das mit Kochel eine Verwaltungsgemeinschaft bildet. So könnten Synergieeffekte genutzt werden.

Das Verstärkeramt in Kochel war vor gut vier Jahren unter dem Protest von Denkmalschützern abgerissen worden. Was die künftige Nutzung angeht, ist nichts endgültig entschieden. (Foto: Gemeinde Kochel/oh)

Gegen den Standort auf dem Verstärkeramtsareal gebe es Bedenken, etwa wegen möglicher Lärmbelastungen für die Bewohner der neuen Wohnungen, so Müller. Als Alternative werde nun das Areal beim alten Fußballplatz nahe des Trimini-Parkplatzes geprüft. Das Verstärkeramtsareal würde dann für eine reine Wohnbebauung zur Verfügung stehen – eine von vier Varianten, die bereits im vergangenen April im Gemeinderat diskutiert worden war. Noch sei nichts endgültig entschieden, sagte Müller; es handle sich schließlich um ein Projekt im zweistelligen Millionenbereich, das die finanziell klamme Gemeinde stemmen muss.

Der Neubau des Hotels Einsiedl am Walchensee soll 2026 beginnen

Drei Fragezeichen setzte Müller in seiner Präsentation hinter ein weiteres Großprojekt: die Bebauung des 1,4 Hektar großen Verdi-Geländes am Kochelseeufer, das der Asklepios-Konzern gekauft hat, um dort eine Privatklinik für Psychosomatik und Psychiatrie zu bauen. Der Bauantrag wurde im November 2023 einstimmig gebilligt. Über den aktuellen Stand gebe es keinerlei Informationen von Asklepios. „Da können Sie selber Ihre Schlüsse draus ziehen“, sagte Müller.

„Manchmal wache ich noch auf und denke: Bin ich wirklich Bürgermeister?“, sagte Rathauschef Jens Müller in der Bürgerversammlung. (Foto: Manfred Neubauer)

Ganz anders erlebt er die Kommunikation bei einem Projekt, das am Walchensee verwirklicht werden soll: den Neubau des Hotels Einsiedl. Anfang 2023 hatte der Dachauer Investor Herbert R. Ullmann das seit Jahren leer stehende Gebäude gekauft, das abgerissen werden soll. Der neue Eigentümer treibe das Projekt voran und suche das Gespräch mit Bürgerinnen und Bürgern, lobte Müller. 2025 sollen letzte Planungsschritte erfolgen, 2026 dann mit dem Neubau begonnen werden. Das Haus im Viersterne-Plus-Segment werde ein großes Gebäude, das allerdings versteckt in einer Kehre am Seeufer liege, sagte Müller. Geplant sind 128 Zimmer, vier Suiten und acht Tiny Houses, die wie Chalets gebucht werden können, ein öffentlicher Biergarten, zehn Wohnungen für Mitarbeitende. Im Gemeinderat hatte es auch kritische Stimmen gegeben, die das geplante Gebäude zu wuchtig fanden. Kochel sei nun einmal ein Tourismusstandort, erklärte Müller. Damit ein Hotel wirtschaftlich betrieben werden könne, müsse es eine entsprechende Größe und Ausstattung, etwa einen Wellnessbereich, bieten.

Bei den Gäste-Ankünften liegen die Zahlen fast wieder auf Vor-Corona-Niveau

Im Tourismus konnte der Bürgermeister eine positive Entwicklung bei den Gäste-Ankünften vermelden. Diese seien 2024 mit rund 65000 fast auf Vor-Corona-Niveau angekommen. Die Übernachtungsdauer werde mit durchschnittlich 3,5 Tagen aber immer kürzer. Im Oktober wurde der Tageskurbeitrag geändert, der seit seiner Einführung im Jahr 2021 für Diskussionen sorgte, und dessen Änderung Müller zu einem seiner zentralen Wahlkampfthemen erklärt hatte. Der Satz wurde nun für Tagestouristen auf einen Euro halbiert und ist nicht mehr flächendeckend an den Parkplätzen, sondern nur noch, zusammen mit den Eintrittspreisen, an Tourismusbetrieben wie Herzogstandbahn oder Kristalltherme fällig.

„Einfach sein“ – so laute das touristische Leitbild der Gemeinde.  „Wir wollen nicht mega sein“, weswegen man auch den Veranstaltern des 100 Kilometer langen „Megamarsches“, der im Mai wieder mit Hunderten von Teilnehmern durch Kochel führen sollte, eine Absage erteilt habe. Kein Problem ist in Kochel das Thema Geflüchtete. 64 Asylbewerber lebten aktuell in der Gemeinde, man erfülle damit die Quote. Alle seien dezentral untergebracht und „super integriert.“ „Mit 64 Menschen schaffen wir das sehr gut.“

Schaltfläche "Zurück zum Anfang"