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Deutsche Meisterschaft soll nur der Anfang sein | ABC-Z

Als Stürmer weiß Harry Kane, wo er zu stehen hat. Deshalb mogelte er sich auf der Meisterbühne nach ganz vorne und postierte sich so, dass er schnell zugreifen kann, wenn es so weit ist. Aber erst einmal war ein anderer an der Reihe, einer, der noch mehr als diese 34. deutsche Meisterschaft im Vordergrund stand. Thomas Müller durfte die Schale am Samstag nach seinem letzten Heimspiel für den FC Bayern als Erster präsentieren, aber dann war Kane an der Reihe. Endlich hielt er eine wichtige Trophäe in der Hand, nicht nur diese kleinen, die es für den besten Torschützen gibt, sondern eine richtig große.

„Ich genieße es“, sagte er später, nachdem er die Schale geherzt, gedrückt und schließlich auch noch geküsst hatte. Der Engländer, der zuvor beim 2:0-Sieg gegen Gladbach sein 25. Saisontor in der Bundesliga erzielt hatte, sprach von einem „unglaublichen Gefühl“. Ja, Kane hat lange auf seinen ersten Titel warten müssen, weil sein ehemaliger Klub Tottenham Hotspur zwar oft vorne mitmischt in der Premier League, aber solange er dort spielte, nie der Beste war.

Deshalb wechselte der Stürmer vor fast zwei Jahre zu den Bayern, denn die werden ja immer Meister. Dann sind sie aber einmal doch nicht Meister geworden, ausgerechnet in Kanes erster Saison. Es war schon die Rede vom Kane-Fluch, nicht ernst gemeint natürlich, aber es schien sich einiges gegen ihn verschworen zu haben. Nun hat er diesen Fluch, wenn es denn einer war, bezwungen. „Von mir fällt eine Last ab“, gab er zu. „Ich hoffe, es war nur der Anfang.“

Eine Torte, aber ohne Kirsche

Der Anfang der Titeljagd mit dem FC Bayern. Der scheidende Müller fand bei seiner emotionalen Abschiedsrede im Stadion zwar, dass der Klub „gut aufgestellt“ sei für die Zukunft. Aber für die höchsten Ziele, die die Münchner stets anstreben, ist der Kader noch nicht gut genug. Denn die Meisterschaft ist für die Bayern ja lediglich das Pflichtprogramm. Eine leckere Torte, aber eine ohne Kirsche obendrauf.

Für Kane geht eine besondere Saison zu Ende, aber die vereinsinterne Bewertung fällt nüchterner aus. Joshua Kimmich gab dieser Spielzeit spontan eine „solide 3“, nach kurzer Überlegung wurde „Okay, 2,5“ daraus, weil die Bayern den Bundesligatitel „souverän“, wie er fand, gewonnen haben. Aber in der Champions League „waren wir nicht konstant genug, da müssen wir uns verbessern“, gab Kimmich zu. Die Bayern wollen wieder dahin, wo sie einmal waren, aber schon länger nicht mehr sind: Das Erreichen des Halbfinales soll wieder die Regel sein, nicht die Ausnahme.

Das Gerüst der Mannschaft steht, aber der Kader bedarf ein paar Ergänzungen, Verbesserungen. Die Anzeichen verdichten sich, dass Florian Wirtz kommen wird, in diesem Sommer vielleicht schon, spätestens im nächsten. Damit wird die ohnehin schon sehr kreative Offensivabteilung noch ein bisschen kreativer und variabler. Eine Weiterbeschäftigung von Leroy Sané für einen höheren Preis als in dem bereits unterschriftsreifen Angebot vermerkt, wird es nicht geben. Das haben die Münchner Verantwortlichen den Spieler und dessen neuen Berater Pini Zahavi wissen lassen.

Sportvorstand Max Eberl könnte es sich nicht leisten, sich auf neue Verhandlungen mit Sané einzulassen, und das ist nicht unbedingt eine rein finanzielle Frage. Denn ein paar Anmerkungen seiner Vorgänger in der Chefetage, der Grauen Eminenzen Uli Hoeneß und Karl-Heinz Rummenigge, lassen vermuten, dass sie nicht ganz zufrieden sind mit seiner Arbeit. Auf der einen Seite stehen ein paar üppig honorierte Vertragsverlängerungen, auf der anderen Seite das Kommunikationsdebakel rund um die Trennung von Müller.

Egal, wie die Personalien Wirtz und Sané ausgehen: Vorne sind die Bayern gut aufgestellt. Kane hat zwar ein paar Tore weniger erzielt als in seiner Premieren-Saison, aber für den Titel des Bundesliga-Torschützenkönigs reicht es auch dieses Mal locker. Und dass er nun, da er endlich seinen ersehnten Titel gewonnen hat, nachlassen wird, ist nicht zu befürchten.

Anders sieht es hinten aus. Da fehlt es an Qualität und nun, da Eric Dier den Verein verlässt, auch an Quantität. Die Stamm-Innenverteidiger Dayot Upamecano und Min-jae Kim sind zu fehleranfällig und auf den Außenverteidigerpositionen musste Trainer Vincent Kompany viel improvisieren. Josip Stanisic fehlte zu Beginn, Alphonso Davies am Ende der Saison und Hiroki Ito fast das ganze Jahr verletzt. „Wir schauen, was passiert, was sich realisieren lässt“, sagte Eberl.

Und dann wäre da noch die Lücke, die Thomas Müller hinterlässt. Nicht unbedingt sportlich, aber als Moderator, Integrator und Führungsspieler. „Da müssen jetzt andere in die Bresche springen“, sagte Eberl. Harry Kane zum Beispiel, zumindest als Führungsspieler.

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