Krieg gegen die Ukraine: So ist die Lage | ABC-Z
Luxemburg/Sewastopol
Die EU bringt gegen den Willen der ungarischen Regierung rund 1,4 Milliarden Euro für Militärhilfen für die Ukraine auf den Weg. Bei einem Außenministertreffen in Luxemburg sei das geplante Verfahren dafür gebilligt worden, bestätigten mehrere Diplomaten der Deutschen Presse-Agentur.
Dieses sieht vor, dass Ungarn gegen die Entscheidung kein Veto einlegen kann, weil sie als Entscheidung eingestuft wird, die per Mehrheitsbeschluss getroffen werden kann.
Ungarn blockiert seit Monaten die Auszahlung von EU-Geldern für Militärhilfen für die Ukraine. Die Regierung in Budapest begründet dies mit Zweifeln an der Effizienz der Unterstützung des angegriffenen Landes und Sorgen vor einer weiteren Eskalation des Konflikts. In Brüssel geht man allerdings davon aus, dass es ihr auch darum geht, wegen Rechtsstaatsbedenken eingefrorene EU-Gelder für Ungarn freizupressen.
Die rund 1,4 Milliarden Euro, um die es jetzt geht, sind Zinserträge aus eingefrorenem Vermögen der russischen Zentralbank in der EU. Diese für die Ukraine zu nutzen, war bereits vor mehreren Wochen von der EU grundsätzlich beschlossen worden. Wegen der ungarischen Veto-Politik war aber zunächst unklar gewesen, wann sie verwendet werden können.
Das nun gewählte Verfahren sieht vor, dass das Geld an Länder wie Deutschland oder Tschechien fließt, die der Ukraine dann damit zeitnah Ausrüstung für die Luftverteidigung oder Artilleriegeschosse zur Verfügung stellen.
Ukraine greift Ziele auf der Krim an
Die Ukraine hatte zuvor in der Nacht erneut Ziele auf der von Russland annektierten Halbinsel Krim mit Raketen angegriffen. In der Hafenstadt Jewpatorija habe es mehrere Explosionen gegeben, berichtete die ukrainische Nachrichtenagentur Ukrinform.
Auch die Behörden der Hafenstadt Sewastopol gaben – im Gegensatz zu den Angriffen am Tag – Luftalarm. Die Folgen der Angriffe sind unklar. Mehrere Medien veröffentlichten Videos und Bilder von Bränden. Berichte über angeblich getroffene militärische Anlagen wurden allerdings bislang weder von der ukrainischen noch von der russischen Seiten bestätigt.
Die Krim dient der russischen Armee als wichtiges Aufmarschgebiet für ihren Angriffskrieg gegen die Ukraine. Zudem beherbergt die bereits 2014 von Moskau annektierte Halbinsel die russische Schwarzmeerflotte und eine Reihe von Stützpunkten, von wo aus die russische Luftwaffe Angriffe gegen die Ukraine fliegt. Die Krim ist daher in den letzten Monaten verstärkt zum Ziel auch ukrainischer Attacken geworden.
Viele Verletzte bei Angriff gestern auf Sewastopol
Erst gestern war die Hafenstadt Sewastopol mit Raketen vom Typ ATACMS angegriffen worden. Eine von der russischen Flugabwehr abgefangene Rakete explodierte über einem der Stadtstrände. Bei der Explosion wurden vier Menschen getötet, darunter zwei Kinder. Die Zahl der Verletzten stieg offiziellen russischen Angaben zufolge bisher auf 151.
Die Regierung in Kiew bezeichnet die Opfer als “zivile Besatzer”. “Auf der Krim gibt und kann es keine “Strände”, “touristische Zonen” oder andere fiktive Anzeichen “friedlichen Lebens” geben”, schrieb der Berater im Präsidentenbüro, Mychajlo Podoljak, auf Telegram. Die Krim sei ein von Russland besetztes Gebiet mit Hunderten militärischen Zielen, auf dem Kampfhandlungen stattfinden. Der Kreml versuche, diese Ziele mit eigenen Zivilisten zu decken, die damit ihrerseits zu zivilen Besatzern würden.
Die Behörden haben den Ausnahmezustand verhängt. “Ich verfüge … auf dem Gebiet der Stadt Sewastopol bis auf weitere Verfügung den Ausnahmezustand zu erklären”, heißt es in dem von Gouverneur Michail Raswosschajew herausgegebenen Dekret, das russische Nachrichtenagenturen am Montag veröffentlichten.
In Moskau war von einem gezielten Terroranschlag die Rede. Das russische Verteidigungsministerium, das zunächst den Abschuss aller ukrainischen Raketen für sich in Anspruch genommen hatte und die Explosion am Strand mit der von der Flugabwehr herbeigeführten Kursänderung einer Rakete erklärte, widerrief diese Aussage später. Stattdessen seien nur vier der fünf Raketen abgefangen worden, die fünfte hätten die Ukrainer bewusst über dem Strand explodieren lassen. Das Militär in Moskau kündigte Vergeltung an.
Kreml droht USA mit Konsequenzen
Der Kreml droht indes den USA nach dem Raketenangriff inzwischen auch Konsequenzen an. “Es versteht sich, dass die unmittelbare Beteiligung der USA an Kampfhandlungen, in deren Ergebnis russische Zivilisten ums Leben kommen, nicht ohne Folgen bleiben kann”, sagte Kremlsprecher Dmitri Peskow der staatlichen Nachrichtenagentur Tass zufolge.
Moskau wisse genau, wer hinter der “barbarischen Attacke” stecke. Es seien nicht die Ukrainer, die solch technisch komplizierte Raketen steuerten, hieß es weiter.
Konkrete Folgen für die USA wollte er nicht nennen. Das werde die Zeit zeigen, sagte Peskow und verwies auf Aussagen von Präsident Wladimir Putin während seiner Asienreise in der vergangenen Woche. Dort hatte der Kremlchef damit gedroht, die westlichen Waffenlieferungen an die Ukraine seinerseits mit der Weitergabe von russischen Waffen und Technologien an Kräfte zu beantworten, die dem Westen feindlich gegenüberständen. Die Aussage traf er vor dem Hintergrund seiner Reise nach Nordkorea, wo Machthaber Kim Jong Un Atomwaffen entwickelt.
Toter und ein Dutzend Verletzte bei Angriffen auf Charkiw
Dabei hat Russland schon einmal mehr die Großstadt Charkiw im Nordosten der Ukraine unter Beschuss genommen. Bei dem Angriff mit Gleitbomben ist mindestens ein Mensch ums Leben gekommen, etwa ein Dutzend wurde verletzt.
Zwei der Verletzten seien minderjährig, teilte Charkiws Militärgouverneur Oleh Synjehubow auf Telegram mit. Bei dem Toten soll es sich um einen 73-jährigen Mann handeln. Synjehubows Angaben zufolge gab es drei Einschläge in mehreren dicht besiedelten Stadtvierteln. Die Schäden seien gewaltig, mehrere Hochhäuser seien schwer beschädigt.
Vergangene Nacht erschütterten mehrere Explosionen die Vororte von Charkiw, wie das ukrainische Fernsehen berichtete. Nähere Angaben lagen zunächst nicht vor.
Selenskyj fordert weiter Waffen und Einsatzerlaubnis
Auch angesichts dieser Attacke hat der ukrainische Präsident Wolodymyr Selenskyj vom Westen weiter reichende Waffen und die Erlaubnis zu Schlägen tief in russisches Gebiet hinein gefordert. “Die russische Luftwaffe muss vernichtet werden, da wo sie ist und mit allen nur möglichen Mitteln, die effektiv sind”, sagte Selenskyj in seiner täglichen Videoansprache. Kiew arbeite mit seinen westlichen Partnern an einer entsprechenden Entscheidung.
Das jüngst von westlichen Staaten aufgehobene Verbot, mit den gelieferten Waffen grenznahes russisches Gebiet zu beschießen, habe bereits Resultate gebracht. Ein “Teil des russischen Terrorpotenzials” sei zerstört, allerdings nur ein Teil. Es sei nötig, die Ukrainer besser zu schützen. “Dazu brauchen wir weiter reichende Waffen.” Auch dazu werde weiter verhandelt. Selenskyj erwartet eigenen Angaben nach in den nächsten Wochen weitere Fortschritte auf dem Gebiet.
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