Kreative Sanierung statt Abriss: Münchens neue Umbaukultur – München | ABC-Z
Altes radikal abreißen und durch etwas Modernes ersetzen oder eine kreative Sanierung und ökologische Erneuerung der Gebäude? Gerade in München mit seinen vielen historischen Bauwerken und Nachkriegssiedlungen bekommt die Antwort auf diese Frage zunehmende Bedeutung. Besonders deutlich verändert sich das Stadtbild in den Neubaugebieten auf ehemaligen Bahnflächen oder früheren Kasernenarealen. Aber auch bei bereits bestehenden und in die Jahre gekommenen Baustrukturen gibt es Bewegung.
Für Stadtbaurätin Elisabeth Merk ist der Begriff der Umbaukultur keine Floskel, mit der sie den neuen Trend in der Planungspolitik beschreibt. Die Bauwirtschaft verschlingt so viele Ressourcen wie kein anderer Industriezweig. Die Abkehr von der Abrissbirne ist nicht nur eine ökologische Notwendigkeit, sie soll auch Wege für interessante und innovative Architektur und Stadtplanung öffnen.
Da ist zum Beispiel ein ausgedientes Bürogebäude in der Parkstadt Schwabing, im Schatten des Doppelhochhauses an der Auffahrt zur Nürnberger Autobahn. Hier entstand die neue Bundesgeschäftsstelle des Deutschen Alpenvereins (DAV). Das Haus wurde revitalisiert und aufgestockt, der Betonkern des Altbaus blieb ressourcenschonend erhalten. Ein Atrium kam als Vorbau hinzu. Eine Art Holzgerüst vor der Fassade sorgt für die besondere Optik des Gebäudes. Mit dieser Betonung von Holz außen und innen sowie viel Grün hebt sich dieses Projekt deutlich von der üblichen Stahl-Glas-Architektur in Gewerbegebieten ab.
Ein technisches Detail sind zum Beispiel zwei zentrale Luftschächte, die allein mit ihren Strömungen für die Klimatisierung sorgen. Eine mechanische Lüftung konnte damit entfallen. Bei der vom Planungsreferat organisierten Vorstellung bemerkenswerter aktueller Umbauprojekte erläuterte Christian Taufenbach vom Büro Element-A Architekten die Vorzüge des Projekts: Das Bauwerk stoße weniger Treibhausgase aus und binde CO₂ langfristig in der Konstruktion.
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Das DAV-Haus ist inzwischen vielfach mit Preisen bedacht worden. Als aus der Zeit gefallenes Haus hätte es eigentlich abgerissen werden müssen. Doch in diesem Fall sei der Nachweis erbracht worden, dass es auch anders geht, stellvertretend für zahlreiche andere ausrangierte Bürokomplexe, sagt Taufenbach. Und was noch als Besonderheit hinzukommt: Die Umbaukosten seien sogar noch geringer gewesen als der Preis für einen Neubau.
Das Ziel: Ressourcen schonen und bezahlbaren Wohnraum schaffen
Lange Zeit war auch keineswegs sicher, ob das unter Denkmalschutz stehende Gebäude der ehemaligen Kuvertfabrik in Pasing überhaupt erhalten bleibt. Es bildet den Mittelpunkt eines neuen Wohnquartiers mit fünf Neubauten. Das historische Gebäude aus dem Jahr 1909 wurde schließlich doch denkmalgerecht saniert und ist nun im Inneren ein moderner Bürokomplex. Ziel der Fassadengestaltung sei es gewesen, die frühere Kuvertfabrik so weit wie möglich in ihr ursprüngliches Erscheinungsbild zurückzuführen, erläuterte Alexandra Wagner vom Architekturbüro Allmannwappner. Man werde dieses Gebäude lieben, sagte Stadtbaurätin Merk, weil es dem modernen Wohnquartier eine besondere Prägung gebe. Lange Zeit hatten sich vor allem Künstler, die in der Kuvertfabrik lebten, für den Erhalt des Bauwerks eingesetzt. Ohne ein solches Engagement gäbe es das Gebäude wahrscheinlich gar nicht mehr, sagte Merk.
Viele Diskussionen hatte es auch um das Kesselhaus aus dem Jahr 1908 gegeben. Es liegt nördlich des Schwabinger Krankenhauses und versorgte dieses einst mit Strom und Heizenergie. Das Architekturbüro Hild und K sowie Transsolar als Ingenieurbüro für klimagerechtes Bauen sanieren den Bau denkmalgerecht. Hier werden Büroflächen und Gastronomie entstehen. Die Anmutung des Raumes solle erhalten bleiben, sagte Tanja Plenk vom Büro Hild und K. Auch hier wird der sanierte Komplex einen besonderen Akzent zwischen dem Krankenhaus-Areal und dem im Norden anschließenden Neubaugebiet setzen.
Um weit mehr als um einzelne Gebäude geht es bei dem umfangreichen Umbaukonzept für die Siedlungen des städtischen Wohnungsunternehmens Münchner Wohnen. Ein Nachkriegsquartier in Ramersdorf könnte zum Modellprojekt über die Grenzen der Stadt hinaus werden. Die Münchner Wohnen verfolge für das zukünftig klimaneutrale Quartier am Karl-Preis-Platz sowie im Bereich der Rosenheimer Straße und der Claudius-Keller-Straße einen ganzheitlichen Ansatz, sagte Doris Zoller, Geschäftsführerin des Unternehmens.
Durch einen hohen Erhalt der Bestandsgebäude würden Ressourcen geschont, und durch die Ergänzung des Quartiers mit mehreren hundert Wohnungen schaffe man neuen bezahlbaren Wohnraum. Das Grün bliebe erhalten, außerdem schaffe man zum Beispiel mit der Freiraumgestaltung höhere Lebensqualität für die Bewohner. Bei der Münchner Wohnen sind zurzeit fünf Quartierskonzepte mit rund 6000 Wohnungen in Bearbeitung: neben Ramersdorf das Quartier St.-Michael-Straße in Berg-am-Laim, die Siedlung an der Hinterbärenbadstraße beim Westpark sowie die Siedlungen in Giesing am Walchenseeplatz und in Harlaching.
Umbaukultur kommt also in München voran. Diese Botschaft wollte Stadtbaurätin Elisabeth Merk mit der Präsentation aktueller Beispiele vermitteln. Sie wolle auch Mut machen, ein stärkeres Gewicht auf den Erhalt bestehender Baustrukturen zu legen. Die vorgestellten Projekte bewiesen, dass sich der Weg der kreativen Sanierung lohne.