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Kränkelnde Wirtschaft: Gegen die Stagnation gibt es schlechte und gute Therapien | ABC-Z

O b Deutschland wieder der „kranke Mann“ Europas sei, fragte das britische Wirtschaftsmagazin Economist vor einem Jahr. Nun ist das einflussreiche liberale Blatt sicher: Angela Merkel habe das Land als „sick man“ hinterlassen. Tatsächlich ist die hiesige Wirtschaft in einer schwierigen Lage, wobei es jetzt schlechte Therapien gibt – und gute.

Zu den schlechten gehört, historische Fortschritte zurückzudrehen. Nach 30 Jahren des Bemühens um bessere Arbeitsbedingungen in den ausländischen Zulieferfabriken deutscher Unternehmen ist endlich das Lieferkettengesetz in Kraft. Aber diejenigen, die es schon immer ablehnten, selbst als die hiesige Wirtschaft boomte, sehen jetzt ihre Gelegenheit gekommen, die Regelung wieder zu entsorgen. Das Argument einiger Wirtschaftsverbände: Dieses Gesetz sorge für zusätzlichen Verwaltungsaufwand bei den Unternehmen, verursache damit Kosten. Das sei von Nachteil, weil die Firmen ohnehin genug Probleme hätten.

Eigentlich aber ergreift die Lobby nur die Chance, eine alte Rechnung zu begleichen. Und nicht nur Unternehmen und Verbände befürchten, dass die Beiträge zur Kranken- und Rentenversicherung steigen. Das könnte ebenfalls zu höheren Kosten führen, weil Arbeitgeber und Arbeitnehmer sich die Beiträge teilen. Davon abgesehen aber wollen Union, FDP, AfD, einige Verbands- und Firmenvorstände schlicht die ­Gelegenheit ergreifen, um Kürzungen im Sozialstaat durchzusetzen, die ihnen bisher nicht gelangen.

Wobei es vielen Unternehmen tatsächlich schon mal besser ging. Erleichterung herrschte kürzlich, als die Wirtschaftsleistung im dritten Jahresviertel um 0,2 Prozent wuchs. Ein mageres Ergebnis, aber Hauptsache kein Rückgang. Im internationalen Vergleich steht Deutschland nicht gut da. Die Ökonomien des Euroraums wachsen dieses Jahr wohl immerhin um 0,8 Prozent, die französische um 1,2 Prozent, die spanische und die US-amerikanische um jeweils 2,7 Prozent.

Therapien, die langfristig wirken

Dennoch erleben wir keine Katastrophe, sondern nur eine Stagnation. Unternehmen wie VW, die klagen, verbuchen immer noch Milliarden Euro Gewinne. Die Zahl der Erwerbstätigen liegt mit über 46 Millionen auf einem Rekordwert. Das ist ein Zeichen dafür, dass die hiesige Wirtschaft grundsätzlich intakt ist.

Trotzdem muss man dafür sorgen, die Abwärtsbewegung aufzuhalten. Unternehmen sollten mehr Mittel in technischen Fortschritt investieren, die Regierungsparteien mit Steuergutschriften oder Prämien dabei helfen. Frauen und ältere Beschäftigte könnten mehr und länger arbeiten, Einwanderer auch. Genehmigungsverfahren müssten einfacher werden, der Ausbau der erneuerbaren Energien zügiger vonstattengehen, die Netzentgelte sinken.

Und schließlich könnte die Regierung eine Notlage ausrufen, mehr Kredite aufnehmen, um große Summen in die Bahn, die Sanierung der Brücken und die digitale Verwaltung zu investieren. Das wären Therapien, die langfristig wirkten.

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