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Konzertreihe ehrt Komponist Palestrina: Im Rausch der absoluten Renaissance-Musik | ABC-Z

Nach dem dritten Konzert wendet Peter Phillips sich wie an den Abenden zuvor ans Publikum, lächelt fein britisch und erklärt: Er sage das jetzt zum dritten Mal, aber es sei wirklich eine Freude, in diesem wundervollen Saal aufzutreten. Und dann fügt er, das ist neu, noch hinzu: Gerade Palestrina zu singen, sei hier sehr besonders, denn der Raum runde den Klang so schön ab.

In diesem Jahr jährte sich der Geburtstag von Giovanni Pierluigi da Palestrina zum 500. Mal, und die von Phillips geleiteten Tallis Scholars, eines der anerkanntesten Vokalensembles für Renaissance-Vokalpolyphonie, ehren den italienischen Großmeister: Im Boulezsaal erklingt in drei Konzerten Palestrinas Musik im Dialog mit Werken dreier Kollegen. Der erste Abend gehört dem Nebeneinander von Werken Palestrinas und seines Zeitgenossen Orlando di Lasso, der zweite der Gegenüberstellung mit dem eine Generation jüngeren Spanier Tomás Luis de Victoria, der dritte der Begegnung mit dem noch einmal zwanzig Jahre später geborenen Claudio Monteverdi.

Die Vokalpolyphonie war in der Renaissance zeitweise in Verruf geraten; Mitte des 16. Jahrhunderts gab es in der katholischen Kirche gar Bestrebungen, sie zu verbieten. Kompliziert war die Musik geworden, und ihre Vielstimmigkeit stehe der Textverständlichkeit im Wege, fand man.

Palestrina als herausragender Vertreter seiner Profession muss sich dieser Kritik sehr bewusst gewesen sein. Seiner „Missa Papae Marcelli“, die im zweiten Konzert erklingt, ist anzuhören, dass er die Musik über weite Strecken sehr bewusst homophon führt, damit der Stimmverlauf die Verständlichkeit des Textes unterstützt. Im weiteren Verlauf der Messe aber lösen sich die Stimmen wieder voneinander und finden zum berauschenden Treiben ihrer polyphonen Imitationen und Umspielungen zurück.

Immer wieder dieselben Texte vertont

Eigentlich waren die Texte, die vertont zu werden pflegten, ja immer dieselben und durften allgemein als bekannt vorausgesetzt werden. Drei Abende hintereinander Palestrina zu hören, lässt ahnen, was den Polyphonie-Kritikern wirklich sauer aufstieß: Diese Musik hatte sich so weit verselbständigt, dass sie die Sprache nurmehr als Klangmaterial benutzte und sich ansonsten selbst genug war. Palestrina schrieb unter anderem 104 ganze Messen, 104-mal auf denselben Text. Das musste ja irgendwann zur absoluten Musik werden. Aber kann die noch gottgefällig sein?

Im Boulezsaal wird in jeder ersten Konzerthälfte eine Palestrina-Messe gegeben, in jeder zweiten abwechselnd kürzere Stücke Palestrinas und seines jeweiligen Konterparts. Spannend die Gegenüberstellung von Kompositionen Palestrinas und des deutlich expressiver gestaltenden Tomás Luis de Victoria auf denselben Text. In einer Pfingstmotette fegt bei Victoria der Heilige Geist als hörbarer Wind durchs Haus.

Spannende Gegenüberstellungen

Victorias Magnificat-Version scheint mit verschiedenen rhetorischen Haltungen zu spielen, während die Palestrina-Vertonungen derselben Texte ein hörbar abstrakteres Verhältnis zu ihrem Inhalt pflegen. Ähnlich, aber anders, am dritten Abend der Kontrast zu Werken Monteverdis: Der konnte polyphon, brachte aber gleichzeitig das homophone Komponieren auf ein neues Level.

Palestrina selbst hätte sich eine akustisch so preziös trocken austarierte Klangumgebung wie die des Boulezsaals wohl nicht im Traum vorstellen können. Wo kein Nachhall ist, verliert die Oberton-Aura sich nicht diffus im Raum, sondern leuchtet umso klarer auf. Dafür ist sie aber auch nur noch Erinnerung, sobald die SängerInnen schweigen.

Intonatorisch wie musikalisch führen die Tallis Scholars Großes vor. Wer sie hören will, wenn sie das nächste Mal nach Berlin kommen, muss sich beizeiten kümmern. Die Konzerte dieser Reihe waren Monate vorher ausverkauft.

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