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Konzertkritik | Rogér Fakhr im Gretchen: Leise Zeitreise in den Libanon | ABC-Z

Konzertkritik | Rogér Fakhr im Gretchen

Leise Zeitreise in den Libanon


landstreicher/bta.com

Audio: rbb24 Inforadio | 29.04.2025 | Simon Bauer | Bild: landstreicher/bta.com

Seine speicherte er Kunst auf 200 Kassetten, dann geriet der libanesische Folkmusiker Rogér Fakhr in Vergessenheit. Nach Jahrzehnten der Funkstille steht er wieder im Rampenlicht im Kreuzberger Club “Gretchen”. Von Simon Brauer

Sanfte, leise Töne von einem sanften, leisen Mann. Als Rogér Fakhr pünktlich um 20:15 Uhr mit seiner Akustikgitarre die Bühne betritt, wird es ganz still im fast ausverkauften “Gretchen” in Berlin-Kreuzberg. An der Bar wird noch dezent weitergeklappert, aber alle anderen Konzertbesucherinnen und Konzertbesucher hängen an den Lippen des libanesischen Musikers, der seine alten Lieder aus den 70er Jahren singt – einer Zeit, in der die meisten im Publikum noch gar nicht geboren waren.

Fine Away von Rogér Fakhr
Fine Away von Rogér Fakhr | Bild: Jakata

Wiederentdeckt von einem Berliner Label

Dass Fakhr überhaupt auf Tour gehen kann und an diesem Montag auf einer Berliner Bühne sitzt, ist ein kleines Wunder: Mitten in den Wirren des libanesischen Bürgerkriegs in den 70er Jahren hatte der junge Rogér Fakhr in Beirut ein Album aufgenommen. Weil das Geld knapp war, veröffentlichte er es auf insgesamt 200 selbstkopierten Kassetten mit selbstbemalten Kassettenhüllen. Die gingen im Krieg verloren, Fakhr und seine Musik gerieten in Vergessenheit. Bis zu dem Tag, an dem das Berliner Weltmusik-Label “Habibi Funk” anklopfte und die alten Songs neu veröffentlicht hat.

Beim Berlin-Konzert bedankt sich Fakhr ganz bescheiden und sichtlich gerührt immer wieder beim Publikum; so, als könne er es gar nicht glauben, dass seine fast 50 Jahre alten Songs die Menschen immer noch bewegen. Begleitet wird er von einer vierköpfigen Band rund um den jungen libanesischen Musiker Charif Megarbane, der aktuell zu den produktivsten Künstlern seines Landes zählt. Schnell nimmt die Band an Fahrt auf; diese unwiderstehliche Mischung aus Folk, Funk, Jazz und orientalischen Klängen bringt das junge Publikum zum Tanzen und zum Mitsingen.

Leise, aber schön

Einziger Nachteil an der so mitreißenden Band: Rogér Fakhrs Stimme ist bei den lauten Songs kaum noch zu hören. Dafür kommt sie bei den ruhigeren Stücken umso mehr zur Geltung und weckt Erinnerungen an andere große Folk-Stimmen aus den 60ern und 70ern wie Donovan, Nick Drake und Bill Withers. Passenderweise singt Fakhr auch noch in einem Song: “Es ist schwer zu hören, es ist schwer gehört zu werden.”

Über das genaue Alter des komplett ergrauten Musikers ist nichts bekannt, aber nach genau einer Stunde verabschiedet sich Rogér Fakhr von der Bühne mit den Worten: “Jetzt ist Schlafenszeit für mich!” Den Rest des Abends bestreiten dann der erwähnte Charif Megarbane und seine Band mit extrem tanzbarer Instrumentalmusik. Ihnen gehört die Gegenwart und wahrscheinlich auch die Zukunft – aber diese Reise in die Vergangenheit mit Rogér Fakhr, die war geheimnisvoll, berührend und schön. Nur eben ein bisschen zu leise.

Sendung: rbb24 Inforadio, 29.04.2025, 9:30 Uhr


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