Konzertempfehlungen für Berlin: Hochenergetisch in die Dystopie | ABC-Z

N ix da mit „Tanz in den Mai“ oder anderem vergnügten Kokolores – bei „Kultur am Dorfplatz“ geht es ungemütlich zu. In Kooperation mit dem Projektraum Liebig12 findet in der Galiläakirche ab 20 Uhr ein so genanntes „Requiem für die Demokratie“ statt.
Vorher kann man sich in der Liebig12 das ortsspezifische Projekt „Drift Choir, Human Connection in a Polyphony of Place“ der multidisziplinär arbeitenden Künstlerin Victoria Keddie anschauen, das mit einem Künstlergespräch eröffnet wird: Der aktuell immer wieder aufpoppende Begriff der Disruption dürfte eine Rolle spielen, ist er doch ein zentrales Element von Keddies Arbeit – ebenso wie Noise und ihr Konzept von Ambiguität.
Das darauf folgende „Requiem für die Demokratie“ von Klangkünstler Marc Weiser und dem Theaterregisseur Heiko Michels basiert auf Textfragmenten, die bei Straßeninterviews im Kiez zusammengetragen wurden – eine „realistische Dystopie“, wie es in der Ankündigung heißt, musikalisch gerahmt von Marc Weiser (Gitarre, Gesang) und Caroline Tallone an der Drehleier (1.5., 20 Uhr, Eintritt frei, weitere Infos gibt es hier).
Wer Optimistischeres sucht, dem seien am gleichen Abend Nduduzo Makhathini und seine Mitmusiker:innen ans Herz gelegt – schließlich setzt der südafrikanische Jazzpianisten, der sich auch als Heiler betätigt, auf die Kraft der Vergebung. Dabei haben die Instrumente eine symbolische Bedeutung: Die Stimme steht für den Aufruf, Streicher für die Klage, das Klavier für Vielfalt und Kooperation – und die Trompete ruft zum Handeln auf. Mit dem Schlagzeug wird Erneuerung herbeigetrommelt (Pierre Boulez Saal, 1.5., 20 Uhr, Tickets im VVK 10-45 Euro).
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Fast berühmter als die japanischen Band Shonen Knife ist das Zitat von Kurt Cobain anlässlich eines Besuchs bei ihrem Konzert im Jahr 1991: „Als ich sie endlich live erlebte, fühlte ich mich wie eine Neunjährige bei einem Beatles-Konzert“. Gegründet hat sich das Trio, das den Sound von Girl-Bands der Siebziger Jahre mit ihrem Faible für die Ramones zusammenbringt, bereits 1981 in Osaka.
Sie sind also nicht mehr die allerjüngsten, aber noch hochenergetisch unterwegs. Doch offenbar gehen sie nicht gerne spät ins Bett; das Konzert im Frannz beginnt um 19 Uhr. Stellt sich die Frage, warum Cobain sich ausgerechnet in hysterischen Momenten gefühlt in ein kleines Mädchen verwandelte – wo er doch sonst in Genderfragen einigermaßen progressiv war (2.5., Tickets für 30,25 Euro im VVK gibt es hier).
Anlässlich des Tages der Befreiung gibt es am Donnerstag gleich fünf Mal die Gelegenheit, im Haus des Rundfunks Ulrike Rufs Radio-Reenactment „Stunde Null“ zu erleben – ein Stück für Pianisten, das in Verbindung mit einer Soundcollage aus Radiomitschnitten und John Cage lautloses Stück „4’33’“ aufgeführt wird (8.5., 17:30/18:10/ 19:30/ 20:10/ 20:45, Eintritt frei, Reservierung erforderlich).
Das Brandenburger Neue Musik-Festival intersonanzen feiert sein 25. Jubiläum – und wird, ebenfalls ab dem 8. Mai über elf Tage an verschiedenen Orten in Potsdam zu erleben sein. Die Eröffnungsveranstaltung im Kunsthaus Das Minsk nimmt ebenfalls Bezug auf das Kriegsende, das polnische NeoQuartet wird „in memoriam: Lied der Moorsoldaten“ zur Aufführung bringen (8.5., 19.30 Uhr, 16 Euro im VVK – das Ticket berechtigt zum Besuch des Museum Barbarini nach 18 Uhr).
Am Freitag lockt dann schon wieder die Galiäakirche. Dort ist das deutsch-dänische Trio toechter zu erleben, dem ein verblüffend zugänglicher Spagat zwischen Elektronik und experimentellem Pop gelingt – wobei alle Klangquellen (Violine, Viola, Cello und natürlich ihre Stimmen) analoger Natur sind. Die Elektronik kommt erst in der Nachbearbeitung dazu. Letztes Jahr erschien ihr zweites Album „Epic Wonder“ auf dem Berliner Label Morr Music (9.5., 20 Uhr, Tickets im VVK 15,57 Euro).