Konservative-Generalsekretär Linnemann sieht Schuld bei Wehrdienstdebatte bei der SPD | ABC-Z

Eine geplante Pressekonferenz der Regierungskoalition am Dienstag zur Wehrpflicht ist kurzerhand wieder abgesagt worden – das hat das politische Berlin schon erschüttert. Der Hintergrund war offenbar, dass die SPD-Bundestagsfraktion nicht bereit war, dem Vorschlag von Union und Verteidigungsminister Boris Pistorius (SPD) zur geplanten Einführung eines Losverfahrens bei zu wenigen Freiwilligen zuzustimmen.
Am Dienstagabend gab CDU-Generalsekretär Carsten Linnemann in der Talkrunde von Markus Lanz zu Protokoll, dass er „sehr überrascht“ gewesen sei von dem Schritt. Man brauche mehr Verbindlichkeit beim Aufbau der Bundeswehr, mit reiner Freiwilligkeit sei das nicht zu schaffen, deshalb das Losverfahren, das in Dänemark schon funktioniert. Bis 2035 brauche die Bundeswehr rund 90.000 neue Kräfte, also rund 10.000 im Jahr. Das Losverfahren bei zu wenig Freiwilligen sollte zunächst nur Männer betreffen – aber die hätten auch die Möglichkeit zu verweigern.
Dass die Sache nun geplatzt ist, dafür macht Linnenmann allein die Sozialdemokraten verantwortlich: „Die SPD-Fraktion hat ihren Minister nicht mitgenommen. Die SPD muss das nun klären.“ Jeder mache mal Fehler, die Union habe bei der Nicht-Wahl einer Verfassungsrichterin im Sommer einen Fehler gemacht, jetzt habe die SPD einen Fehler gemacht. Den könne man aber „in 24 Stunden heilen“ und er sei zuversichtlich, dass der Gesetzentwurf von Pistorius zur Reform der Wehrpflicht am Donnerstag auch im Bundestag in Erster Lesung behandelt werde.
Lesen Sie auch: Wehrpflicht: Warum der Streit der Koalition völlig unnötig ist
Ein Lob für den Moderator Markus Lanz
Die Frage von Moderator Lanz, wo denn der Herbst der Reformen bleibe – den auch Linnemann schon früh versprochen hatte – konterte der Angesprochene mit einem Kompliment: „Ich finde es super, Herr Lanz, dass Sie mich so knallhart konfrontieren.“ Aber es sei in der Tat das Ringen um die Richterinnenwahl für Karlsruhe gewesen, die eine politische Verzögerung der Reformen im Sommer verursacht habe. Jetzt aber sieht Linnemann die Koalition auf gutem Wege, bei der letzten Sitzung des Koalitionsausschusses habe er gemerkt, „es funktioniert“. Anderthalb Stunden habe er da mit Arbeitsministerin Bärbel Bas (SPD) mitten in der Nacht über mehr Verbindlichkeit beim Bürgergeldbezug – künftig heißt es Grundsicherung – diskutiert. Und das Ergebnis sei gut.
Die neuen Regeln, die Totalverweigerer treffen sollen, sehen gestaffelte Maßnahmen vor: beim zweiten versäumten Termin im Jobcenter eine 30-prozentige Kürzung der Leistung, beim dritten geplatzten Termin die Streichung aller Geldleistungen und beim vierten Terminversäumnis die Streichung der Kostenübernahme für die Unterkunft. Die Verschärfung der Sanktionen ist also eindeutig.
Linnemann: „Wer Hilfe braucht, der kriegt Hilfe volle Pulle“
Weniger klar ist es, wie viel die Reform beim Bürgergeld nun finanziell bringen werden, denn ausschlaggebend dabei ist, wie oft Bezieher „in Arbeit“ gebracht werden können. Die Schätzungen belaufen sich auf eine Ersparnis von 1,5 Milliarden über fünf Milliarden (Kanzler Merz) bis sogar 30 Milliarden Euro.
Für die Journalistin Ulrike Herrmann („taz“), die nach eigenem Bekunden sehr für den Missbrauch beim Bürgergeld eintritt, ist die Nennung solcher Summen unseriös: Man gebe jährlich 50 Milliarden Euro fürs Bürgergeld aus, wenn da dann eine Einsparsumme von 30 Milliarden genannt werde, dann suggeriere das, das jeder zweite ein Sozialbetrüger sei und „wir in einem Morast von Sozialbetrug versinken.“ Einen eingespielten Beitrag über Kontrolleure vom Jobcenter, die Bürgergeldbezieher zu Hause nicht antrafen, befand Herrmann als „okay“, aber es würden „nur Einzelfälle gezeigt“. Dass die Union nicht alle Bürgergeldbezieher diskreditieren will, das machte Carsten Linnemann klar: „Ich bin in einer C- Partei – wer Hilfe braucht, der kriegt Hilfe volle Pulle.“

Situation in Gaza: Drama mit Happy End
Eröffnet worden war die Talkrunde mit der Beleuchtung der Situation im Gaza und Israel. Der Israel-Korrespondent des ZDF, Thomas Reichart, sagte, dass der Jubel bei der Verkündung der Befreiung der israelischen Geiseln auf dem Platz der Geiseln in Tel Aviv auch „abgebrühten Korrespondenten“ einen „Gänsehaut-Moment“ beschert habe. Es handele sich um ein „Drama mit Happy End“.
Auffällig sei gewesen, dass bei der Nennung des Namens von US-Präsident Donald Trump lauter Jubel einsetzte, bei dem von Israels Premier Benjamin Netanjahu aber ein Pfeifkonzert begann. Wie es jetzt weiter gehe, sei noch etwas unklar, Trump habe von einem Kriegsende gesprochen, Netanjahu aber nicht. Die Entwaffnung der Hamas sollte ein nächster Schritt sein – aber wann und wie, ist offen. „Da ist noch ein holpriger Weg zum Frieden“, meinte Reichart. Die Exekution von acht Menschen in der Öffentlichkeit durch Hamas-Mitglieder im Gaza sei ein Zeichen für die instabile Lage. Die Hamas sei militärisch geschwächt, sie sei keine Bedrohung für Israel mehr, meinte Reinhart. Aber sie habe im Gaza-Krieg 10.0000 bis 15.000 Kämpfer rekrutiert, die seien mit Kalaschnikows ausgestattet und somit gerüstet für einen Guerilla-Krieg. „Im Gaza stellt die Hamas noch eine Macht da.“
Efrat Machikawa berichtete vom Leid der Geiseln, ihr Onkel war 480 Tage in der Hand der Hamas. Die schlimmste Folter für ihn sei die Einsamkeit gewesen, er sei „komplett isoliert“ gewesen. Körperlich gehe es ihm jetzt besser, aber man wisse nicht, wie der psychische Effekt nach der langen Zeit des Angekettetseins sei. Machikawa sagte, dass alle Angehörigen der israelischen Geiseln sich wie eine Familie fühlen. Es müssten die Leichname aller getöteten Geiseln nach Israel gebracht werden: „Erst dann ist die Grundlage für eine Heilung da und die Menschen können nach vorne schauen.“