Können Solarparks die Artenvielfalt fördern? – Wissen | ABC-Z

Wie ein riesiger metallisch schimmernder See breitet sich der Solarpark Weesow-Willmersdorf zwischen den Getreidefeldern rund um das brandenburgische Bernau aus. Auf einer Fläche von knapp 300 Fußballfeldern sind hier rund 465 000 Module installiert. Ein technisches Großbauwerk, unverzichtbar für die Energiewende – doch mit all dem Stahl und Glas, Silizium und Aluminium ein Fremdkörper in der Landschaft nordöstlich von Berlin. Der Biologe Matthias Stoefer vom Büro K&S Umweltgutachten stapft dennoch voller Begeisterung über den Fahrweg, der durch die langen Modulreihen führt. „Hier brüten Feldlerchen in großer Zahl, und auch andere Vogelarten wie Steinschmätzer fühlen sich in der Anlage wohl“, sagt der Experte. Stoefer hat die Vogelwelt vor Ort im Auftrag der EnBW, dem Betreiber der Anlage, vor und nach dem Bau akribisch erfasst. „Früher wurde die Fläche intensiv landwirtschaftlich genutzt. Unsere Kartierung zeigt, dass die Häufigkeit einzelner Arten, vor allem der Feldlerche, mit dem Solarpark deutlich gestiegen ist“, erklärt er. Die Feldlerche ist in der Roten Liste Brandenburg als gefährdet eingestuft.
Der Solarpark Weesow-Willmersdorf zählt mit einer Leistung von 187 Megawatt zu den größten in Deutschland. Anlagen dieser Art spielen eine zentrale Rolle bei der Energiewende. Denn das Erneuerbare-Energien-Gesetz (EEG) zielt darauf, die Photovoltaik-Leistung bis 2030 auf 215 Gigawatt zu erhöhen – fast doppelt so viel, wie heute installiert ist. Da Photovoltaik-Anlagen auf Freiflächen günstiger sind als auf Dächern, wird ein großer Teil des Zuwachses auf kleinere und größere Solarparks entfallen. Die Solarbranche zeigt großes Interesse: Die jüngsten Ausschreibungen für EEG-geförderten Freiflächenanlagen waren stark überzeichnet. Was bedeutet, dass auf vielen weiteren Äckern, auf denen bislang noch Mais, Raps oder Weizen wachsen, künftig Photovoltaik-Module stehen werden.
Für den Artenschutz ist das ein Gewinn, meint Stoefer. „Bodenbrüter wie die Feldlerche profitieren davon, dass die Flächen das ganze Jahr über gleiche Strukturen aufweisen“, erklärt er. Positiv wirke sich auch aus, dass in Solarparks keine Pflanzenschutzmittel eingesetzt werden. „Das kommt besonders Insekten zugute, die wiederum den Vögeln als Nahrung dienen“, sagt der Biologe. Wildbienen, Tagfalter und andere Bestäuber finden Nektar und Pollen bei den Blühpflanzen, die Betreiber oft zusammen mit Gräsern als regionale Saatgutmischung unter, zwischen und neben den Modulreihen ausbringen. Aufgehäufte Gesteinsbrocken am Rand speichern Sonnenwärme, sodass sich dort Zauneidechsen und andere Reptilien wohlfühlen.
„Viele Arten brauchen Sonne und Wärme“
„Solarparks bieten mit ihrem Mix aus besonnten und beschatteten Bereichen, aus Gras- und Blühflächen sowie unbefestigten Wegen eine Strukturvielfalt, die in der heutigen Agrarlandschaft fehlt“, erklärt der Geoökologe Timur Hauck, Leiter der Abteilung Natur- und Artenschutz bei der EnBW. Er verweist auf eine vom Bundesverband Neue Energiewirtschaft in Auftrag gegebene Artenzählung in 30 deutschen Solarparks, die auf landwirtschaftlichen Flächen gebaut wurden: Fachleute haben dort insgesamt 385 Pflanzen-, 30 Heuschrecken-, 13 Fledermaus-, 36 Tagfalter- und 32 Brutvogelarten erfasst. Dazu kommen 63 Vogelarten, die zwischen den Anlagen Nahrung sammeln.
Doch Solarpark ist nicht gleich Solarpark. Wie naturverträglich eine Anlage auf ehemaligem Ackerland ist, hängt stark von ihrer Gestaltung und Pflege ab. Ein wichtiger Aspekt ist dabei der Abstand zwischen den Modulreihen. „Viele Arten brauchen Sonne und Wärme. Deshalb sollten Solarparks so angelegt werden, dass besonnte Streifen von mindestens drei Metern Breite entstehen, auf denen sich eine artenreiche Pflanzen- und Insektenwelt entwickeln kann“, sagt Rebekka Blessenohl, Referentin für erneuerbare Energien und Naturschutz beim Naturschutzbund Deutschland (Nabu). Auch mit der Anlage oder dem Erhalt von kleinen Gewässern sowie Totholz- und Steinhaufen können die Planer einiges für die Biodiversität tun, ebenso mit dem Pflanzen von Hecken und Bäumen am Rande der Fläche. Eine naturschutzgerechte Mahd der Pflanzen, die auf der Fläche wachsen, fördert die Artenvielfalt ebenfalls. Da Solarparks eingezäunt werden, ist es zudem sinnvoll, Korridore für Wildtiere zu schaffen, wie es etwa bei der Anlage Weesow-Willmersdorf der Fall ist.
Was von diesen und anderen Maßnahmen umgesetzt wird, hängt allerdings stark vom guten Willen der Projektplaner ab. Zwar macht die im letzten Jahr in Kraft getretene Novelle des Erneuerbare-Energien-Gesetzes fünf Naturschutz-Vorgaben; unter anderem zur Pflege, zur Durchlässigkeit für Tiere oder zur Anlage von Biotopen. Doch die Anforderungen sind vage formuliert – und die Unternehmen müssen nur drei davon erfüllen. Vor allem aber: Sie gelten ausschließlich für Solarparks, die eine Förderung erhalten. Nach Angaben der Bundesnetzagentur entfiel 2024 aber knapp ein Drittel der neu installierten Solarpark-Leistung auf Anlagen, die nicht nach dem EEG gefördert wurden und daher auch nicht diesen Vorgaben unterliegen.
Unabhängig vom EEG können die lokalen Genehmigungsbehörden im Rahmen der Umweltverträglichkeitsprüfung zwar eigene, ortsspezifische Naturschutz-Vorgaben festlegen. Wie tief sie prüfen und welche Anforderungen sie daraus ableiten, variiert laut Blessenohl jedoch stark – nicht nur von Behörde zu Behörde, sondern teils sogar von Mitarbeiter zu Mitarbeiter. „Wobei sich die Behörden oft darauf beschränken sicherzustellen, dass mit dem Solarpark keine Verschlechterung der Biodiversität einhergeht, da dies der Fokus der entsprechenden rechtlichen Vorgaben ist“, erklärt sie. „Für den Naturschutz ist damit nichts dazu gewonnen.“
Längst nicht alle Solarunternehmen messen dem Artenschutz Bedeutung bei, kritisiert die Nabu-Referentin. Manche hätten allein die Gewinnmaximierung im Blick. „Sie stellen die Modulreihen so eng wie möglich und verzichten auf jede freiwillige Maßnahme.“ Doch es gebe auch Unternehmen, die die Biodiversität auf vorbildliche Weise fördern, sagt Blessenohl. „Naturschützer werden bei der Planung eingebunden, anspruchsvolle Maßnahmen sind bei ihnen Standard. Da merkt man, dass ihnen der Artenschutz eine Herzensangelegenheit ist.“
Auch die beiden wichtigsten Verbände der Solarbranche haben den Artenschutz als wichtige Aufgabe erkannt. So haben der Bundesverband Solarwirtschaft und der Bundesverband Neue Energiewirtschaft jeweils eigene, aber ähnliche Kriterien für naturverträgliche Anlagen definiert. Diese sollen den Betreibern zur Selbstverpflichtung dienen – explizit auch mit dem Ziel, damit die Akzeptanz der Bürger zu fördern. Dabei dürfte die Windindustrie als warnendes Beispiel dienen. Denn dass der Ausbau der Windenergie in den letzten Jahren kaum vorangekommen ist, liegt auch daran, dass sich Anwohner vielerorts vehement gegen neue Anlagen wehren. Das will die Photovoltaik-Branche vermeiden.