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Kommunalwahlen in NRW: Kein Durchmarsch der AfD | ABC-Z

Bochum taz | Eine stabile CDU, teils massive Verluste für Grüne und SPD – aber kein Durchmarsch der rechtsextremen AfD: Das ist das Ergebnis der Kommunalwahlen im mit 18 Millionen Menschen bevölkerungsreichsten Bundesland Nordrhein-Westfalen. Nach einer vom WDR in Auftrag gegebenen zweiten Hochrechnung des Instituts infratest dimap von 21:43 Uhr kam die CDU landesweit auf 33,3 Prozent, verlor 1 Prozent gegenüber ihrem Kommunalwahlergebnis von 2020. In ihrem einstigen Stammland zweitstärkste Kraft wurde die SPD mit 22,1 (minus 2,2) Prozent.

Wahlverlierer sind dagegen die Grünen, die offenbar von 20 auf 13,3 Prozent abstürzten. Für die AfD entschieden sich 14,8 Prozent der Wäh­le­r:in­nen – und damit 9,7 Prozent mehr als vor fünf Jahren. Die Linken fuhren laut Hochrechnung mit 5,6 ein Plus von 1,8 Prozent ein. Die Wahlbeteiligung war mit 58,5 Prozent so hoch wie seit 30 Jahren nicht mehr.

„Ökologische, progressive Politik hat es gerade schwer“, sagte Grünen Co-Bundeschef Felix Banaszak in einer ersten Reaktion. Grund für das schlechte Abschneiden seiner Partei sei eine „fundamentale Verschiebung“ der politischen Lage nach rechts, erklärte Banaszak in Bonn, wo der Bundesvorstand der Partei am Montag auch über das Ergebnis der NRW-Kommunalwahl beraten will: „Der Wind kommt gerade von vorn.“

Allerdings: In Nordrhein-Westfalens einziger Millionenstadt Köln stellen die Grünen auch künftig die stärkste Ratsfraktion. Am späten Sonntagabend gegen 23 Uhr, als dort 1003 von 1006 Stimmbezirken ausgezählt waren, kam die Partei auf 25,1 Prozent, gefolgt von 19,9 Prozent für die SPD und auch für die CDU. Für die Linken haben sich in der Domstadt 10,8 Prozent der Wäh­le­r:in­nen entschieden. Die AfD dagegen rangiert in der viertgrößten Stadt Deutschlands mit 9,1 Prozent dagegen nur auf Platz 5.

Vorn liegt in Köln auch die Oberbürgermeister:innen-Direktkandidatin Berîvan Aymaz: Für die 53-Jährige, bisher Vizepräsidentin des nordrhein-Westfälischen Landtags, votierten Stand 23 Uhr 28,1 Prozent der Wähler:innen, gefolgt vom Sozialdemokraten Torsten Burmeister mit 21,3 Prozent. Er und Aymaz müssen am 28. September also in eine Stichwahl, weil beide von einer absoluten Mehrheit der Stimmen von 50 Prozent weit entfernt sind.

Knapp könnte es dagegen für die von den Grünen getragenen Oberbürgermeisterinnen von Bonn und Aachen werden: In Bonn liegt die grüne Amtsinhaberin Katja Dörner mit 33,1 Prozent deutlich hinter ihrem CDU-Herausforderer Guido Déus, der im ersten Wahlgang 38,9 Prozent einfuhr. Auch in Aachen landete die auf Grünem Ticket segelnde parteilose Oberbürgermeisterin Sibylle Keupen mit 33,3 Prozent hinter dem bei 40,1 Prozent liegenden Christdemokraten Michael Ziemons.

Wie erwartet stark abgeschnitten hat die Partei von Bundeskanzler Friedrich Merz und NRW-Ministerpräsident Hendrik Wüst auch in weiten Teilen des ländlichen Rheinlands, Münsterlands und Westfalens. So entschieden sich etwa im ostwestfälischen Hövelhof bei Paderborn fast 60 Prozent der Wäh­le­r:in­nen für die CDU. „Ein tolles, großartiges Ergebnis“ habe seine Partei eingefahren, jubelte Wüst in der Landeshauptstadt. „8 Prozent besser als der Bundestrend“ sei die CDU in Nordrhein-Westfalen, erklärte Wüst – was durchaus auch als Spitze gegen Merz zu verstehen ist.

Für seine Politik geworben hatte Merz nicht nur beim NRW-Landesparteitag seiner Christdemokraten in Bonn. Als Ort seines Antrittsbesuchs in NRW wurde Münster gewählt, wo der langjährige CDU-Rathauschef Markus Lewe nicht mehr antritt. Im Kampf um das Amt des Oberbürgermeisters wird es stattdessen eine Stichwahl zwischen dem Grünen Tilman Fuchs, der im ersten Wahlgang auf 41 Prozent kam und bisher Schuldezernent im Nachbar-Wahlkreis Steinfurt ist, und dem mit 37,3 Prozent an zweiter Stelle liegenden Christdemokraten Georg Lunemann geben.

Denn auch in Berlin galt die Kommunalwahl durchaus als Stimmungstest für die schwarz-rote Regierungskoalition im Bund: In NRW wählen durften rund 13,7 Millionen Menschen – nur 7 der 27 Mitgliedsstaaten der Europäischen Union haben mehr Einwohner:innen. Nicht umsonst ließ deshalb sich Politprominenz aller Parteien in den vergangenen Wochen scharenweise in NRW sehen. Bayerns CSU-Ministerpräsident Markus Söder unterstützte NRW-Regierungschef Hendrik Wüst im heimischen Münsterland.

Auch die SPD bekam massiv Unterstützung aus Berlin: Die aus Duisburg stammende Co-Parteichefin Bärbel Bas war über Wochen immer wieder in NRW unterwegs – in ihrer Heimatstadt, aber etwa auch in Wuppertal, Solingen und Moers. Ihr Co-Parteichef, Vizekanzler Lars Klingbeil, spielte in Lüdenscheids Fußgängerzone den Oasis-Song „Wonderwall“ auf der Gitarre, und Deutschlands beliebtester Politiker, Verteidigungsminister Boris Pistorius, ließ sich in Düsseldorf sehen.

Ausgezahlt hat sich der Einsatz für die SPD allerdings nicht überall. In der Revier-Großstadt Duisburg landete der amtierende SPD-Oberbürgermeister Sören Link bei der Direktwahl zum Rathauschef mit 46,0 Prozent zwar mehr als deutlich vor dem zweitplatzierten AfD-Mann Carsten Groß mit 19,7 Prozent. Auch in Duisburgs Stadtrat ist die SPD mit 32,6 Prozent stärkste Kraft. In Dortmund, das lange als „Herzkammer der Sozialdemokratie“ galt, holte SPD-Rathauschef Thomas Westphal dagegen nur 27,4 Prozent – und muss noch einmal gegen den bei 17,0 Prozent liegenden Christdemokraten Alexander Kalouti ran.

Wie viel Potenzial Sozialdemokraten in ihrem einstigen Stammland Nordrhein-Westfalen noch immer haben, zeigte im benachbarten Hamm der amtierende Oberbürgermeister Marc Herter. Der ehemalige Parlamentarische Geschäftsführer der SPD-Landtagsfraktion, der einmal als Kronprinz der NRW-Genoss:innen galt, holte bei der Rathauschef-Direktwahl satte 63,6 Prozent. Stärkste Fraktion im Rat der knapp 180.000 Menschen zählenden Stadt ist die SPD mit 41,8 Prozent ebenfalls, gefolgt von der CDU mit 23,6 und der AfD mit 17,4 Prozent.

Deren Co-Bundeschef Tino Chrupalla bezeichnete seine Partei in einem Anflug von Größenwahn zwar als „Volkspartei“. Dennoch ist der befürchtete Durchmarsch der Rechtsextremen auch in den von Deindustrialisierung und hoher Arbeitslosigkeit gebeutelten Städten im Norden des Ruhrgebiets ausgeblieben. Offenbar ist es der AfD nirgendwo in Nordrhein-Westfalen gelungen, als stärkste Kraft in einen Stadtrat einzuziehen.

In der ehemaligen SPD-Hochburg Gelsenkirchen lieferte sich die Partei zwar ein Kopf-an-Kopf-Rennen mit der SPD. Für die Sozialdemokraten votierten 30,4, für die Rechtspopulisten 29,9 Prozent – in keiner Großstadt Nordrhein-Westfalens waren die Rechtspopulisten stärker. Bei der Direktwahl zur Oberbürgermeisterin entschieden sich aber 37,0 Prozent für die auch von den Grünen unterstützte SPD-Kandidatin Andrea Henze, im Rathaus bisher Dezernentin für Arbeit, Soziales und Gesundheit. Am 28. September wird sich Henze damit in einer Stichwahl dem AfD-Mann Mann Norbert Emmerich stellen müssen, der auf 29,8 Prozent der Stimmen kam. Emmerich erklärte bereits, er schiele bei der Stichwahl auf Wäh­le­r:in­nen der CDU.

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