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Kommentar zum Sportfördergesetz: Athleten leiden unter Aufschub – Sport | ABC-Z

Zeit und Timing sind wichtige Begriffe im Spitzensport. Nichts verdeutlicht die Erfolglosigkeit der jahrelangen Bemühungen um ein Sportfördergesetz hierzulande besser als der Zeitpunkt, an dem das Scheitern absehbar war. Am 6. November beschloss das Bundeskabinett von Kanzler Scholz den Gesetzesentwurf – wenige Stunden später brach Scholz’ Ampelkoalition auseinander. Ein miserables Timing: wie ein Gegentreffer, den ein Abstiegskandidat in den letzten Sekunden der Nachspielzeit kassiert.

In dieser Legislaturperiode wird die Reform nicht mehr auf den Weg gebracht. Ein letzter Versuch, Nachbesserungen in den Entwurf einzuarbeiten und einen Konsens zu finden, ist nach der ersten Lesung im Bundestag hinfällig geworden, hat die SPD-Fraktion am Dienstag eingeräumt. Und sie hat auch gleich die Schuldigen benannt: Die Unionsparteien und die FDP hätten eine Blockadehaltung eingenommen, hieß es, das sei verantwortungslos und ein Rückschlag für den Sport.

Die Verantwortungslosigkeit lag jedoch zunächst darin, die Regierung platzen zu lassen; das haben die Koalitionsparteien ganz allein geschafft. Unbestritten ist, dass das Sportfördergesetz in seiner letzten Fassung noch nicht der Weisheit letzter Schluss gewesen ist; dass es unter seinen Möglichkeiten blieb; dass die unabhängigen Athletenvertreter und der Deutsche Olympische Sportbund (DOSB) zum Teil grundlegende Änderungen forderten. In einem geordneten, nicht-verkürzten parlamentarischen Verfahren hätte es dafür aber durchaus Raum gegeben – so sieht es die Gesetzgebung vor.

Unionsvertreter, die einen „Schnellschuss“ nicht mittragen wollten, verweisen nun auf die nächste Wahlperiode, was für jene, die zum Teil ehrenamtlich zwei Jahre lang in die Reformberatungen eingebunden waren, weniger nach Trost als nach Hohn klingen könnte. Denn Sportkarrieren sind kurz im Vergleich zu Berufspolitikerkarrieren. Der Sprengmeister der Ampel-Koalition,  Christian Lindner (FDP), zog 2000 erstmals in den nordrhein-westfälischen Landtag ein, im Jahr der Olympischen Spiele von Sydney. Niemand, der damals ins Becken sprang, krault heute noch mit der Weltelite um die Wette. Der Interessenverband der Sportler, Athleten Deutschland, hat etwa die Verankerung eines angemessenen Mutterschutzes für Kaderathletinnen im Gesetzesentwurf gefordert. Dieser Vorschlag zur Existenzsicherung hätte im Bundestag theoretisch bald verhandelt werden können. Einer schwangeren Sprinterin hilft die Aussicht wenig, dass eine solche Absicherung nun vielleicht in ein, zwei oder vier Jahren kommt.

Die Bilanz von Paris bestätigt den Zustand des deutschen Sports

Entsprungen war das Gesetz mit dem Kerngedanken einer neu zu gründende Spitzensportagentur, die Strukturen setzt und Steuergeld verteilt, einem Mangelzustand: Die bestehenden Rahmenbedingungen im deutschen Spitzensport bieten keine ausreichende Grundlage für zukünftige Spitzenerfolge mehr. Zu diesem bedauerlichen Fazit war eine Arbeitsgruppe aus Bund, Ländern und Sport gekommen, die sich erst im Sommer durch die Bilanz der Spiele von Paris bestätigt sehen konnte.

Der Aufschub der Reform verlängert nun die Misere, Leidtragende ist die nächste Athletengeneration. Denn selbst wenn ein neues Gesetz kommt, wird bis zur konkreten Umsetzung weiter Zeit vergehen. Im Sport gilt, anders als bisweilen in der Politik, folgende Maxime. Entscheidend sind nicht Pläne und Konzepte. Entscheidend ist auffm Platz.

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