Kommentar zum Reiche-Vorstoß: “Wir müssen uns endlich ehrlich machen” | ABC-Z

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Mehr und länger arbeiten – der Vorstoß von Bundeswirtschaftsministerin Reiche ist teils auf heftige Kritik gestoßen. Wir kommen daran aber wohl nicht vorbei, denn die Finanzierungslücke wird immer größer.
Vor kurzem hat das Statistische Bundesamt wieder einmal über die Geburtenentwicklung berichtet: Im Schnitt bekommt eine Frau in Deutschland nur noch 1,35 Kinder. Etwa 2,1 Kinder im Schnitt wären aber notwendig, damit die Bevölkerung – ohne Zuwanderung – nicht schrumpft.
Nun ist die Entscheidung für oder gegen Kinder eine höchst individuelle, doch der Rückgang bei der Kinderzahl hat Folgen. So wird unsere Gesellschaft zunehmend älter, natürlich auch dank der längeren Lebenserwartung. Statistisch aber bedeutet das: Weniger Junge stehen mehr Älteren gegenüber.
Für die Gesetzliche Rentenversicherung beispielsweise ist das ein Problem. Denn sie wird dadurch finanziert, dass die Jüngeren in der Zeit ihrer Erwerbstätigkeit für die aktuellen Rentner aufkommen. Doch dieses Finanzierungsmodell ist längst in Schieflage. Und das lässt sich nicht schnell mal mit Hilfe von neuen Umverteilungsprojekten oder durch die Einbeziehung von Beamten in die Gesetzliche Rentenversicherung korrigieren – wobei man darüber für die Zukunft durchaus nachdenken sollte.
Mehr Menschen in Rente als neu im Arbeitsmarkt
Entscheidend ist ganz banal das Verhältnis von Erwerbstätigen zu Rentnern – und zwar nicht nur wegen der Rente, sondern auch für den Arbeitsmarkt. Irgendjemand muss die Arbeit ja machen. Zwei Zahlen dazu: Bis zum Jahr 2036 gehen dem Arbeitsmarkt 19,5 Millionen Arbeitskräfte verloren, das hat das Institut der deutschen Wirtschaft ermittelt. In dieser Zeit kommen aber nur 12,5 Millionen Junge nach. Das ergibt eine Lücke von sieben Millionen Menschen.
Jetzt kann man versuchen, einen Teil dieser Lücke durch Zuwanderung zu schließen. Man kann auch versuchen, Menschen aus Teilzeit in Vollzeit zu bringen, manchen wäre zum Beispiel mit besseren Kinderbetreuungsangeboten geholfen. Doch all das wird für Arbeitsmarkt und Rente nicht reichen – einfach, weil die Kinder fehlen.
Die Konsequenz: Wir müssen länger arbeiten. Die sogenannte Rente mit 63 gehört schnellstmöglich abgeschafft, beim Renteneintrittsalter von 67, das ja übrigens erst 2031 erreicht wird, kann es nicht bleiben. Das mag unpopulär klingen. Doch in Sachen Arbeitszeit müssen wir uns endlich ehrlich machen.
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