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Kommentar zum EU-Gipfel: Gut für die Ukraine, schlecht für Merz | ABC-Z

Am Ende der „Schicksalswoche für Europa“ gibt es eine gute Nachricht: Die Ukrainer bekommen von der EU das Geld, das sie brauchen, um sich weiter gegen Russlands zerstörerische Invasion verteidigen zu können. Das ist im ureigenen Interesse aller Europäer, deren Freiheit und Sicherheit in und von der Ukraine mitverteidigt werden. Die Art und Weise, wie sich die EU zu dieser fundamental wichtigen Entscheidung durchrang, kann aber niemanden beeindrucken, schon gar nicht Moskau. Dort wurde sie sogar als Sieg von „Recht und Vernunft“ gelobt. Recht und Vernunft billigt der Kreml nur einer Politik zu, die seinen Zielen und Interessen dient, ihnen zumindest aber nicht völlig zuwiderläuft.

Für Putin wäre es am allerbesten gewesen, wenn die EU sich nicht einmal auf den Plan B hätte einigen können, den es vor der langen Nacht in Brüssel nicht gegeben hatte, auch weil Bundeskanzler Merz ihn nicht wollte. Dann wäre die Ukraine über kurz oder lang wehrlos gewesen. Und die im internationalen Machtgefüge ohnehin schon als schwach und zerstritten geltende EU hätte sich in einer Frage von Sein oder Nichtsein als handlungsunfähig erwiesen. Das wäre tatsächlich die Katastrophe gewesen, von der Macron sprach.

Putin kann einen Erfolg seiner Methoden verbuchen

Sie ist mit einem Kompromiss abgewendet worden, für den Merz einen unangenehmen Preis zahlen musste: das Ausweichen auf eine Kreditlösung, die auf eine gemeinsame europäische Verschuldung hinausläuft. Macron sprach ausdrücklich von Eurobonds – die Berlin aus guten Gründen bisher grundsätzlich ablehnte und die der Bundeskanzler zuvor ausgeschlossen hatte.

Doch gegen die von ihm favorisierte Nutzung des Vermögens der russischen Zentralbank gab es in der EU zu viele Bedenken, und dies nicht nur in Belgien. Merz, zu Beginn der Woche noch als der neue große Anführer Europas betrachtet, konnte mit seinem Vorschlag die Skeptiker nicht überzeugen. Das dürfte all jene beruhigen, die auf die auch von Merz erwähnten Haftungsrisiken hingewiesen und schwerwiegende Folgen für den europäischen Finanzplatz befürchtet hatten, sollte das russische Geld angetastet werden.

Auch in Russland wurde nun gewürdigt, dass seine Rechte gewahrt blieben. Doch das Recht, von dem man in Moskau redet, ist das Recht des Stärkeren, das mit Gewalt, Drohung und Erpressung durchgesetzt wird. Und auch in diesem Fall kann Putin einen Erfolg seiner Methoden verbuchen. Der Ministerpräsident des gerne „klein“ genannten Belgiens, der dem Kanzler des großen Deutschlands hartnäckig und erfolgreich die Stirn bot, berichtete öffentlich darüber, dass der Kreml seinem Land, aber auch ihm ganz persönlich mit Rache „bis in alle Ewigkeit“ gedroht habe. Es wird nicht das letzte Mal gewesen sein, dass Putin zu diesem aus seiner Sicht probaten Mittel greift.

Wen würde Trump anrufen?

Auch die Tatsache, dass die Tschechische Republik, die Slowakei und Ungarn sich nicht an der Finanzierung und Absicherung der 90 Milliarden für die Ukraine beteiligen werden, kann Putin nur auf der Habenseite seiner Versuche verbuchen, die EU, die nach der Abwendung der USA die wichtigste Unterstützerin der Ukraine geworden ist, zu spalten und zu unterminieren.

Es ist eine Schande, dass die Populisten und Nationalisten in Prag, Pressburg und Budapest, deren Völker erlebt haben, wie sich der russische Stiefel im Genick anfühlt, sich immer mehr der Solidarität mit der Ukraine und den anderen EU-Staaten verweigern. Letztere dürfen sich nicht länger von diesen Trittbrettfahrern vorführen lassen. Die drei Staaten nehmen alle wirtschaftlichen und politischen, auch sicherheitspolitischen Vorteile der EU in Anspruch, verfolgen in der epochalen Auseinandersetzung mit Putins imperialistischem und revisionistischem Russland aber einen egoistischen Appeasementkurs, der die Entscheidungskraft der ganzen EU schwächt – und der sich eines Tages auch für sie selbst als fatal herausstellen könnte.

Geschlossenheit und Entschlossenheit muss die EU aber nicht nur demonstrieren, um Putin abzuschrecken. Auch in Washington und Peking wird sehr genau verfolgt, ob das vereinte Europa ein Machtfaktor ist, mit dem Amerika und China bei der Neugestaltung der Welt nach ihren zunehmend autoritären Vorstellungen zu rechnen haben – oder ob man mit den Europäern umspringen kann, wie es den Autokraten und Diktatoren gefällt.

Am Anfang der „Woche der Entscheidungen“ könnte Trump noch gedacht haben: Okay, ich muss bei Friedrich anrufen, wenn ich wissen will, was diese merkwürdigen Europäer tun wollen und werden. Wenn die Berichte aus der langen Nacht in Brüssel die Runde in der Welt gemacht haben, wird sich nicht nur Trump nicht mehr ganz so sicher sein, welche Nummer er wählen sollte.

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