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Kommentar: Für die Macht riskiert Netanjahu alles | ABC-Z


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Stand: 10.09.2025 15:08 Uhr

Der Angriff in Doha zeigt, wie berechnend Israels Premier ist. Netanjahu geht es um den Erhalt der eigenen Macht – dafür setzt er das Leben der Geiseln und vieler Menschen in Gaza aufs Spiel.

Dass sich Israels Premier Benjamin Netanjahu wirklich für die Rettung von Geiseln in Gaza einsetzt, glaubt ein großer Teil der Bevölkerung im Land ohnehin nicht mehr – auch wenn Netanjahu das immer wieder beteuert. Erst nach dem letzten Geisel-Video sagte er, er habe mit den Familien gesprochen und ihnen gesagt, er werde alles tun, um sie nach Hause zu bringen. Doch genau das Gegenteil ist der Fall.

Mit dem Angriff Israels auf die Verhandlungsspitze der Hamas-Terrororganisation in Katar hat Netanjahu die Gesprächskanäle und jede Chance auf Verhandlungen für eine Waffenruhe oder für die Freilassung der Geiseln gekappt und klargemacht: Der Wolf ist da und seinen Schafspelz hat er zu Hause gelassen. Er zeigt sein wahres Gesicht und Anliegen: den Erhalt seiner Macht, die allerdings schwindet, weil er eine Minderheitenregierung in Israel vertritt.

Eine medienwirksame Inszenierung

Um seine Koalitionspartner fester an sich zu binden, allen voran die Ultraorthodoxen und auch die Ultrarechten, müssen schnelle Erfolge her. Ein Schlag gegen die Führungsspitze der Hamas im Ausland, das Kappen der Verhandlungskanäle dürfte den Krieg verlängern, die Militäroffensive jedenfalls in Gaza-Stadt scheint nicht aufzuhalten zu sein.

Genau das ist es, was die unzufriedenen Regierungspartner Netanjahus wollen. Am liebsten – so sagte es Israels rechter Minister für Nationale Sicherheit, Itamar Ben Gvir – auch die Wiederbesiedlung Gazas. Sollte der Krieg mit einer Verhandlungslösung enden, hatten die Ultrarechten gedroht, sich vollends aus der Regierung zurückzuziehen.

Und so war es auch nicht verwunderlich, wie schnell Netanjahu am vergangenen Montag am Tatort des Anschlags in Jerusalem war – so schnell wie selten zuvor. Kurz nachdem Terroristen auf Busse geschossen und vor allem Ultraorthodoxe unter den Opfern waren, war er gemeinsam mit Ben Gvir zur Stelle. Eine medienwirksame Inszenierung, um ein Signal an die ultraorthodoxen Regierungspartner zu senden, die ihren Rückzug aus der Regierung schon angekündigt haben.

Ein Todesurteil für die Geiseln?

Netanjahu sagte, der Anschlag sei der offizielle Anlass für den Angriff auf die Hamas in Katar gewesen. In Wirklichkeit lag der Plan schon lange in der Schublade. Bereits im Dezember 2023 kündigte der ehemalige Geheimdienstchef Ronen Bar an, Israel werde die Hamasführer in der Türkei und in Katar töten. Erst am vergangenen Wochenende – noch vor dem Anschlag in Jerusalem – sagte Israels Generalstabschef Ejal Zamir, man werde die Hamasführer im Ausland erreichen.

Wie berechnend Netanjahu als Wolf agiert, zeigen die aktuellen Ereignisse. Und auf wie skrupellos der Wolf ist: Denn möglicherweise hat Netanjahu mit dem Angriff auf die Hamas in Katar ein Todesurteil für die Geiseln in Gaza unterzeichnet und für viele Menschen in Gaza, die beim andauernden Krieg noch sterben werden.

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