Koalitionsvertrag: Schon wieder auf Kosten der Jungen | ABC-Z

Beamen wir uns einmal ins Jahr 2032, also gerade mal sieben Jahre in die Zukunft. Da ist zum Beispiel die – natürlich fiktive – Anna, eine 45-jährige Krankenschwester. Sie öffnet ihren Rentenbescheid, die Zahlen sind ernüchternd. Selbst wenn sie noch bis zum Renteneintritt in Vollzeit durchhält – gerade hat die Regierung beschlossen, dass sie bis 70 Jahre weiterarbeiten muss –, wird ihre gesetzliche Rente nicht reichen. Trotz betrieblicher Altersvorsorge und Aktiensparen wird es eng. Denn das Rentenniveau wird künftig stark sinken. Hatten die Babyboomer noch 48 Prozent des durchschnittlichen Einkommens zugesagt bekommen, ist es sogar ungewiss, ob Anna überhaupt 42 Prozent erhält. Und der Beitragssatz nur für die Rente liegt jetzt schon bei 22,3 Prozent und soll weiter steigen.
Unrealistisch? Keinesfalls. Denn schon im kommenden Jahr werden die Rentenbeiträge wohl steigen müssen, um das Rentenniveau von 48 Prozent zu sichern – und die neue Bundesregierung hat dies nun sogar bis zum Jahr 2031 zugesagt. Im Koalitionsvertrag findet sich indes keine Antwort auf die Frage, wie denn die heutigen Beitragszahlerinnen und Beitragszahler entlastet werden sollen. Stattdessen ist von einer weiteren Rentenkommission die Rede – vielleicht weckt das Erinnerungen? Genau: Auch Kanzlerin Angela Merkel setzte beim Rentenproblem auf Enquete-Kommissionen, ohne dass es jemals zu nachhaltigen Reformen für das kollabierende Umlagesystem kam.
Geradezu fahrlässig ist der Zeitplan, den sich Friedrich Merz und Lars Klingbeil vorgenommen haben: Das Rentenniveau wird ab sofort garantiert. Die dafür steigenden Beiträge und Bundeszuschüsse sollen aber erst im Jahr 2029 evaluiert werden, “um gegebenenfalls weitere Maßnahmen zu ergreifen.” Moment, 2029? Richtig, in dem Jahr, in dem die Legislaturperiode endet und im Frühling eine neue Bundesregierung gewählt wird. Da wird die Arbeit einer Evaluierungsgruppe Rente komplett untergehen. Zumal die Ergebnisse auch heute schon absehbar sind: Schon ab 2026 werden die Beiträge stark steigen.
Gehören Sie zufällig zur Generation Y oder Generation X, sind also zwischen 1965 und 1996 geboren? Dann müssten Sie wirklich jetzt laut protestieren. Denn das, was CDU, CSU und SPD in der Rentenpolitik planen, ist nichts anderes, als Sie für die Renten der Babyboomer auszuquetschen. Sie dürfen heute zahlen und morgen noch länger arbeiten. Das ist gleich doppelt unfair. Denn diese beiden Generationen tragen maßgeblich zur Stabilität des Arbeitsmarktes und des Umlagesystems der gesetzlichen Rentenversicherung bei. Während Union und SPD die Babyboomer auch noch mit Steueranreizen bei der Aktivrente, die nächstes Jahr starten soll, beschenken. Damit können Ältere, die ihren Renteneintritt verschieben, bis zu 2.000 Euro pro Monat vom Bruttolohn steuerfrei behalten, macht 24.000 Euro pro Jahr – das ist ein ganzer Batzen Geld.
Das Problem dabei: Diese Steuern fehlen, zum Beispiel, um den jährlichen Rentenzuschuss von beeindruckenden 120 Milliarden Euro zu finanzieren. Wohlgemerkt: pro Jahr. Und die Renten der Aktivrentner in spe erhöhen sich durch den späteren Renteneintritt auch noch um durchschnittlich sechs Prozent. Wohlgemerkt: pro Jahr. Und wer darf am Ende alles zahlen? Die Generationen X und Y.
Immerhin: Als Eltern der Generation A, also der Kinder und Jugendlichen von heute, können Sie wenigstens für den Nachwuchs aufatmen. Ihre Kinder werden mit der Frühstart-Rente bedacht, bei der der Staat für alle zwischen 6 bis 18 Jahren zehn Euro pro Monat in ein Aktiendepot anlegen will. Berechnungen zeigen, dass dies ein sinnvolles Vorhaben ist. Allerdings ist das Risiko groß, dass es zu hohen Verwaltungs- und Servicegebühren kommt, der Riester-Renten-Flop lässt grüßen.
Haben die Parteien denn aus der Riester-Pleite nichts gelernt? Offenbar nicht. Die Reform der staatlich geförderten privaten Altersvorsorge liegt zwar fertig in irgendeiner Schublade im Finanzministerium, im Koalitionsvertrag von Union und SPD findet sich dazu aber kein einziges Wort. Dabei ist die private Altersvorsorge gerade für die heutigen Beitragszahler der wichtigste Baustein, um die Rentenlücke im Alter schließen zu können. Daher ist eine Reform der viel zu teuren und intransparenten Riester-Rente dringend nötig: Neue Verträge werden kaum noch abgeschlossen, Millionen alte Verträge ruhen.
Stattdessen will Schwarz-Rot, Achtung, eine weitere Expertenkommission einsetzen, die in zwei Jahren eine neue Kennziffer erarbeiten soll, das Gesamtversorgungsniveau. Union und SPD wollen dies anstelle des Rentenniveaus in der ersten Säule über alle drei Säulen hinweg einführen. Schon klar, wenn man Betriebsrente, private Vorsorge und den kläglichen Rest aus der gesetzlichen Rentenversicherung zusammen betrachtet, kommt man wohl auf ein Versorgungsniveau von 50 Prozent oder mehr.
Wissen sollten man aber, dass damit das durchschnittliche Einkommen vom Jobeinstieg bis zum Renteneintritt gemeint ist. Also auch die vielen Jahren, in denen man als junger Mensch in befristeter Beschäftigung wenig verdient hat. Hinzu kommt, dass Renten schrittweise steuerpflichtig werden. Wer im Jahr 2058 in Rente geht (typischerweise der Jahrgang 1991), muss dann seine Alterseinkünfte komplett versteuern. Die mittleren Generationen werden also auch weiterhin die Hauptlast zahlen. Die Rente ist sicher? Stimmt, und zwar in diesem Sinne: sicher nicht gerecht für die Generationen X und Y.
Damit Anna im Jahr 2032 eine Renteninformation mit ermutigenden Zahlen erhält, müsste heute gar nicht so viel passieren. Schwarz-Rot könnte die Ampel-Idee des Generationenkapitals fortsetzen, also den Einstieg in den Kapitalmarkt in der gesetzlichen Rente. Aber nicht, um die Beiträge homöopathisch zu senken, sondern den milliardenschweren Bundeszuschuss. Und warum nicht ein Sondervermögen Rente einführen, also statt nur zehn Milliarden Euro wie beim Generationenkapital lieber das Zehnfache anlegen. Dann würde Anna vom Zinseszinseffekt profitieren. Und hätte am Ende eine auskömmliche Rente. Mit bezahlbaren Beiträgen.