Geopolitik

Koalitionsausschuss: Nach „Bullshit“-Kontroverse – Merz will sich mit Bas über Sozialstaat „gut verständigt“ haben | ABC-Z

Nach der Sitzung des Koalitionsausschusses gesteht Kanzler Friedrich Merz Fehler in den ersten vier Regierungsmonaten ein. Mit Arbeitsministerin Bärbel Bas, die zuletzt wegen Kritik an Merz in den Schlagzeilen stand, sei er sich jetzt einig. Mehr im Liveticker.

Die Bundesregierung streitet über die Frage, wie der Sozialstaat künftig aussehen soll. Bundeskanzler Friedrich Merz (CDU) hat einen „Herbst der Reformen“ ausgerufen, die SPD warnt eindringlich vor Sozialkürzungen. An diesem Mittwoch berät der Koalitionsausschuss über den Kurs der kommenden Monate.

Alle Entwicklungen zur Debatte um die Sozialstaatsreformen im Ticker:

19:33 Uhr – Klingbeil ist sich „sicher, unser Land kann das“

SPD-Chef, Finanzminister und Vizekanzler Lars Klingbeil ist mit einem Seitenhieb gegen Markus Söder in sein Statement eingestiegen. Dessen Aussage, er werde kein Sozialdemokrat mehr werden, sei unter diesen mit Erleichterung aufgenommen worden. Er hoffe, als Koalition besser aus dem Sommer herauszukommen, als man hineingegangen sei. Unter anderem wegen der fehlgeschlagenen Wahl der Richter-Kandidaten für das Bundesverfassungsgericht hatte es zuletzt immer wieder Ärger zwischen den Regierungsparteien gegeben.

Klingbeil betonte ebenfalls die Notwendigkeit eines wirtschaftlichen Aufschwungs. Wie Söder erklärte er, man werde in Bezug auf die bereits getroffenen Entscheidungen die „Früchte dieser Maßnahmen bald spüren“. Es gelte: „Wir haben keine Chance, uns zurückzuziehen“ – gleichzeitig aber auch: „Wir sind uns auch sicher, unser Land kann das.“

19:26 Uhr – Söder fordert „Priorität“ für die Wirtschaft

CSU-Chef Markus Söder mahnt an, in Deutschland müsse die Wirtschaft „Priorität“ haben. Denn: „Ohne Industrie kann Deutschland nicht funktionieren.“ Es gebe „nichts schönzureden, wir stehen da am Scheideweg“. Die deutsche Wirtschaft schwächelt bereits seit Jahren. Während manch andere Länder vergleichsweise gut aus der Corona-Krise und den wirtschaftlichen Verwerfungen rund um Russlands Angriffskrieg auf die Ukraine herausgefunden haben, wird Deutschland von Experten diagnostiziert, die Probleme seien struktureller Natur, etwa wegen lange verschleppter Investitionen in Infrastruktur oder einer ausufernden Bürokratie.

Es seien nun zwar „erste Entscheidungen“ durch die neue Regierung getroffen worden, diese müssten nun erst einmal wirken, sagte Söder. Dennoch: „Die Alarmzeichen sind da“, und: „Es wird ein paar Entscheidungen geben, die auch schmerzhaft werden“, so Söder, der auch Bayerischer Ministerpräsident ist.

19:15 Uhr – Merz: Mit Bas „gut verständigt“ über Sozialstaat

Zu den Rahmenbedingungen des Sozialstaates sagt Kanzler Friedrich Merz, er habe sich mit seiner Arbeitsministerin Bärbel Bas (SPD) „gut verständigt“. Man sei sich „einig, dass man den Sozialstaat“ erhalten wolle. Man wolle ihn weder schleifen noch kürzen, müsse ihn aber reformieren. Die „Zielgenauigkeit“ müsse verbessert werden. Das Thema war in die Schlagzeilen geraten, nachdem Bas in der Debatte um die Kosten des Sozialstaates gesagt hatte, die Aussage, dieser sei zu teuer, sei „Bullshit“.

19:08 Uhr – Merz räumt „Fehler“ in den ersten Regierungsmonaten ein

Kanzler Friedrich Merz hat Fehler in den ersten Monaten der schwarz-roten Koalition zugegeben. Es seien „uns natürlich Fehler passiert, das ist keine Frage“, sagte Merz nach einer Sitzung des Koalitionsausschusses in Berlin. Man habe es mit der Kontroverse um die Stromsteuer und der fehlgeschlagenen Wahl für neue Richter für das Bundesverfassungsgericht „besser“ machen können.

Es sei gleichzeitig aber auch „nicht wenig“, was man in den ersten vier Monaten erreicht habe. „Fast 50“ von 62 geplanten Vorhaben habe man „auf den Weg gebracht“, etwa das Investitionsförderungspaket. Auch die Migrationszahlen seien stark gesunken.

18:23 Uhr – Schwarz-rot nach vier Monaten unbeliebter als Ampel

Die Zufriedenheit mit der schwarz-roten Regierung ist vier Monate nach ihrem Antritt auf einen Tiefstand gefallen: Nur noch 22 Prozent der Befragten äußerten sich in dem am Donnerstag veröffentlichten ARD-„Deutschlandtrend“ zufrieden mit der Regierung von Bundeskanzler Friedrich Merz (CDU). 75 Prozent gaben hingegen an, weniger oder gar nicht zufrieden zu sein. Damit ist die Regierung Merz deutlich unbeliebter als die Ampel-Koalition, die nach vier Monaten im Amt noch auf einen Zustimmungswert von 47 Prozent kam.

15:19 Uhr – Bundesregierung sieht keine übermäßigen Konflikte

Trotz deutlicher Meinungsunterschiede zeigen sich Union und SPD zuversichtlich, dass die angekündigten Sozialreformen in Deutschland gelingen werden. Ziel sei es, unterschiedliche Interessen auszugleichen und Kompromisse zu finden, sagte Regierungssprecher Stefan Kornelius. Mit Blick auf das für den Abend geplante Spitzentreffen von SPD und Union bei Bundeskanzler Friedrich Merz (CDU) kündigte Kornelius an, zwei, drei Punkte seien „quasi verabschiedungsreif“. Der Koalitionsausschuss sei intensiv vorbereitet worden.

Die Regierung habe sich eine Reformagenda vorgenommen und müsse die erwartete Haushaltslücke beachten. Die Sozialsysteme sollten sicher und bezahlbar gemacht werden, sagte Kornelius, Ziel sei es, „die enormen Zuwächse, die wir erlebt haben, unter Kontrolle zu bekommen“. Kornelius verwies auf die breite Themenpalette, die das Bundeskabinett abgearbeitet habe, und wies den Eindruck von Streitigkeiten zurück. „Diesen Streit gibt es nicht.“ Die Regierung sei mehr als willens, erfolgreich zu sein. Übermäßige Konflikte sehe er nicht.

14:36 Uhr – Grünen-Chef Banaszak: Merz tritt nach unten

Grünen-Chef Felix Banaszak wirft Bundeskanzler Friedrich Merz (CDU) nach dessen Milliarden-Sparvorgabe beim Bürgergeld eine Spaltung der Gesellschaft vor. „Der Bundeskanzler will nicht entlasten, sondern spalten“, sagte Banaszak dem Nachrichtenportal „t-online“. „Ja, unser Sozialstaat muss effizienter und zielgenauer werden, gerade in seiner Verwaltung.“ Merz falle aber vor allem damit auf, „nach unten zu treten“.

Banaszak zufolge will Merz fünf Milliarden „bei den Schwächsten in unserer Gesellschaft“ einsparen. Der Co-Chef der Grünen schlug stattdessen vor, das Steuersystem „gerechter“ zu machen. Allein durch den Kampf gegen die Steuerflucht von deutschen Milliardären kämen 5,7 Milliarden Euro zusammen, sagte Banaszak. „Und da sprechen wir noch gar nicht über Immobilienspekulationen und riesige Erbschaften.“

12:46 Uhr – „Fridays for Future“: Regierung plant „Herbst der Zerstörung“

Die Klimabewegung „Fridays for Future“ hat vor dem Auftakt eines dreitägigen Protestcamps auf der ostfriesischen Insel Borkum die Umweltpolitik der Bundesregierung kritisiert. Diese plane einen „Herbst der Zerstörung“, sagten Aktivistinnen der Bewegung vor dem Wirtschaftsministerium in Berlin.

11:19 Uhr – Klingbeil verweist auf Schröders Agenda 2010

Bundesfinanzminister Lars Klingbeil hat vor dem von Kanzler Friedrich Merz (CDU) angekündigten Herbst der Reformen auf die Agenda 2010 des damaligen Bundeskanzlers Gerhard Schröder (SPD) verwiesen. „Schröder hat mutige Reformen angepackt“, sagte der SPD-Chef der „Zeit“. „Auch heute brauchen wir umfassende Reformen, damit unser Sozialstaat stark, aber auch bezahlbar bleibt und besser funktioniert.“ Allerdings müssten die heutigen Reformen „in unsere Zeit passen“ und dürften die „Gräben nicht vertiefen“, mahnte Klingbeil. Wichtig sei, dass es „am Ende gerecht zugeht und alle ihren Teil zum Reformpaket beitragen“.

11:12 Uhr – Caritas-Präsidentin: Politik wird Sozialstaatsauftrag nicht gerecht

Caritas-Präsidentin Eva Welskop-Deffaa mahnt die Regierungsparteien dazu, die Sicherung des Sozialstaates als „oberste Priorität“ zu behandeln. Welskop-Deffaa verwies in einem Interview mit der Katholischen Nachrichten-Agentur (KNA) ausdrücklich auf den im Grundgesetz enthaltenen Auftrag, wonach die Bundesrepublik ein Sozialstaat sein müsse. „Deutschland ist ein sozialer Rechtsstaat, und es gehört zu den verfassungsgemäßen Aufgaben der Bundesregierung, ihn auf die jeweiligen Aufgaben und Herausforderungen hin weiterzuentwickeln“, sagte Welskop-Deffaa. „Politik wird diesem Auftrag aktuell nicht gerecht, wenn sie Ängste und Sozialneid schürt“, betonte sie.

10:41 Uhr – Wagenknecht für Sparen bei Flüchtlingen

BSW-Chefin Sahra Wagenknecht kritisiert die Sparvorgaben von Kanzler Merz für das Bürgergeld: „Dass der Kanzler pauschal für alle fünf Milliarden beim Bürgergeld kürzen will, ist ein Anschlag auf den Sozialstaat in unserem Land“. Sie schlägt vor, vor allem bei ausländischen Bezieherinnen und Beziehern der Sozialleistung zu sparen. „Flüchtlinge aus der Ukraine und anerkannte Asylbewerber aus anderen Ländern sollten wie in anderen Ländern auch Asylleistungen beziehen, kein Bürgergeld“, meinte Wagenknecht. „Bei abgelehnten Asylbewerbern sollten Leistungen auslaufen.“

09:31 Uhr – Sewing: Mutlosigkeit gefährdet deutsche Wirtschaft

Deutschland steht sich bei drängenden Reformen nach Überzeugung von Deutsche-Bank-Chef Christian Sewing vor allem selbst im Weg. „Das größte wirtschaftliche Risiko für Deutschland sind nicht Zölle und andere Handelshürden, sondern unsere Mutlosigkeit, unsere Vorsicht, unsere Umständlichkeit“, sagte Sewing, der auch Präsident des Bundesverbandes deutscher Banken (BdB) ist, zum Auftakt des „Handelsblatt-Banken-Gipfels“ in Frankfurt.

„Was uns fehlt, ist nicht das Können – sondern Mut und das klare Bekenntnis zur Veränderung“, betonte Sewing. Die Bundesregierung müsse schnell weitere strukturelle Reformen auf den Weg bringen: Bürokratieabbau, schnellere Genehmigungen, niedrigere Energiepreise, eine Reform der Sozialsysteme und mehr Flexibilität auf dem Arbeitsmarkt. „Deshalb brauchen wir dringend den angekündigten Herbst der Reformen – und zwar so, dass er diesen Namen auch wirklich verdient“, sagte Sewing.

08:35 Uhr – CDU-Sozialflügel kritisiert „Bullshit-Bingo“ von Union und SPD

Der CDU-Sozialflügel ruft Union und SPD zur Mäßigung auf. „Die Koalitionsparteien sollten aufhören, sich gegenseitig mit Forderungen und Erwartungen zu überschütten und Bullshit-Bingo zu spielen“, sagte Dennis Radtke, Vorsitzender der Christlich-Demokratischen Arbeitnehmerschaft Deutschlands (CDA), dem „Tagesspiegel“. „Jeder in CDU, CSU und SPD weiß doch genau: Um unseren Sozialstaat zu bewahren, müssen wir ihn modernisieren“, sagte Radtke. Er sei sicher, dass die von der Koalition eingesetzten Kommissionen „gute Vorschläge zuliefern und die Koalition dann auch entscheiden wird“.

Zuvor hatte Radtke bereits im rbb24 Inforadio die Koalition dazu aufgerufen, in den „Arbeitsmodus“ zu kommen. Es sei nicht hilfreich von Bundeskanzler Merz, Zweifel am Sozialstaat zu säen: „Natürlich ist es in seiner Verantwortung, die Dinge zu benennen, wie er das für richtig hält. Den Reformbedarf bestreitet auch keiner.“ Zugleich betonte er, nichts davon zu halten, „wenn veritable Teile der SPD jeglichen Reformbedarf in der Sache bestreiten“. Das bringe niemanden weiter: „Deswegen ist es gut, wenn man vielleicht ein bisschen die Lichtschwerter kreuzt, aber dann muss man auch irgendwann mal in den Arbeitsmodus kommen.“

08:09 Uhr – Linken-Chefin fordert „echte Reform“ des Sozialstaates

Die Linken-Co-Vorsitzende Ines Schwerdtner hält nichts von Einsparungen und Sanktionen beim Bürgergeld und beklagt öffentliche „Mythen“ bei diesem Thema. „Wir reden sehr, sehr viel über Totalverweigerer“, sagte sie im ZDF-„Morgenmagazin“ über Menschen, die absolut keine Arbeit annehmen wollen. „In Wahrheit machen die gerade mal 0,27 Prozent überhaupt der Bürgergeldbezieher aus.“ Nötig sei eine „echte Reform“ des Sozialstaates. „Kleine Reförmchen“ setzten nur da an, wo es keinen Unterschied mache, so die Linken-Politikerin.

Nach ihrer Ansicht muss dafür gesorgt werden, dass mehr Geld in die Sozialkassen fließt – etwa über die Einführung einer Vermögensteuer. Mit Blick auf den Vorwurf, dass das Bürgergeld nicht genug Anreize setze, um überhaupt zu arbeiten, fragte sie: „Warum erhöhen wir dann nicht den Mindestlohn? Warum stecken so viele Menschen im niedrigen Lohnsektor fest?“ Dass stattdessen weiter über Bürgergeld-Empfänger gesprochen werde, „auch wenn es im Haushalt überhaupt keine großen Kosten ausmacht, das finde ich wirklich skandalös.“

06:38 Uhr – Merz: Regierung muss zehn Prozent der Ausgaben beim Bürgergeld einsparen

Bundeskanzler Friedrich Merz hat deutliche Einsparungen beim Bürgergeld gefordert. „Ich sag‘ mal so, nach wie vor bin ich davon fest überzeugt, dass sich zehn Prozent in diesem System einsparen lassen müssen“, sagte der CDU-Vorsitzende im Interview mit ProSiebenSat1. Bei Ausgaben von rund 50 Milliarden Euro wären dies rund fünf Milliarden. „Das ist ein Betrag, der muss möglich sein. Wenn wir uns nicht mehr trauen, in einem Transfersystem, das in die falsche Richtung läuft, zehn Prozent einzusparen, dann versagen wir vor dieser Aufgabe“, mahnte der CDU-Vorsitzende. „Das muss die Mindestgrößenordnung sein.“

Merz betonte, dass er eine gewisse Entlastung schon dadurch erwarte, dass eine drastische Reduzierung der Zahl der illegalen Migranten erreicht worden sei, die nach Deutschland kommen. Das bedeute auch eine gewisse Entlastung beim Bürgergeld.

04:11 Uhr – Spitzen der Koalition legen Kurs für die kommenden Monate fest

Die Spitzen von Union und SPD wollen am Mittwoch in einem Koalitionsausschuss über die Regierungsprojekte für die kommenden Monate beraten. Bei dem Treffen am Nachmittag im Berliner Kanzleramt soll es um die Reform der Sozialsysteme, die Konsolidierung des Bundeshaushalts und die Förderung der Konjunktur gehen. Bundeskanzler Friedrich Merz (CDU) äußerte die Erwartung, dass der Koalitionsausschuss trotz offen ausgetragener Differenzen „in einer sehr guten und sehr anständigen Atmosphäre“ stattfinden werde.

dpa/AFP/gub/säd

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