Klingbeil macht „Manifest“-Genossen Ansage – „Putin ist nicht Gorbatschow“ | ABC-Z

Berlin. Stegner, Mützenich und Co. hatten in einem Manifest vor „militärischer Alarmrhetorik“ gewarnt. Beim Parteitag stellt Klingbeil seine Linie klar.
Der erste SPD-Parteitag nach der Wahlschlappe im Februar ist eröffnet. Auf der Agenda steht unter anderem die Wahl der designierten Parteivorsitzenden Lars Klingbeil und Bärbel Bas. Die Arbeitsministerin ergriff in ihrer Rede die Gelegenheit, ihrer Vorgängerin zu danken – und den Umgang mit Saskia Esken zu kritisieren. Esken habe erleben müssen, „dass Solidarität nicht immer selbstverständlich ist – auch nicht in der Sozialdemokratie“, sagte die zu diesem Zeitpunkt designierte Vorsitzende auf dem Parteitag in Berlin. „Ich sage hier ganz deutlich: Das müssen wir wieder anders machen.“
Wenn die SPD für eine solidarische Gesellschaft kämpfen wolle, müsse sie zuallererst eine solidarische Partei sein. „Sonst glaubt uns das keiner!“, sagte Bas.
Nach dem Debakel bei der Bundestagswahl hatte SPD-Chef Lars Klingbeil nach der Macht gegriffen: Er ist nun Vizekanzler. Esken dagegen bekam keinen Platz im Kabinett und tritt nun auch als Parteivorsitzende nicht erneut an.
Viele in der SPD kritisieren die rigorose Personalpolitik, doch während der Koalitionsverhandlungen gab es auch viel öffentliche Kritik an Esken. „Ich habe immer sehr gerne mit dir im Parteivorsitz zusammengearbeitet“, würdigt Vizekanzler Klingbeil die geschasste Sozialdemokratin. Sie hinterlässt große Fußstapfen, so Klingbeil: „Vielen Dank für deine Arbeit als Parteivorsitzende.“
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Mindestlohn: DGB hat eine Bitte
Auch die Entscheidung der Mindestlohnkommission, die den Zeitplan und die Erhöhung am Vormittag bekannt gegeben hatte, wird zum zentralen Thema der Veranstaltung. DGB-Chefin Yasmin Fahimi, ehemals SPD-Generalsekretärin, verteidigte den Kompromiss und warb bei den Sozialdemokraten um Akzeptanz. „Liebe Genossinnen und Genossen, ich kann euch sagen: Das ist ein verdammt hartes Ringen gewesen“, berichtete Fahimi aus den Verhandlungen. Manche Arbeitgeber hätten am liebsten eine Nullrunde gesehen. Letztlich habe man aber einen Einstieg in einen echten, armutsfesten Mindestlohn geschafft.

Laut Kommissionsbeschluss soll der Mindestlohn von derzeit 12,82 Euro in zwei Stufen steigen: Anfang kommenden Jahres auf 13,90 Euro und Anfang 2027 auf 14,60 Euro. Die SPD hatte 15 Euro bereits 2026 gefordert. Fahimi bat die SPD-Delegierten nun um Unterstützung für den Kompromiss. Die Mindestlohnkommission müsse weiter funktionieren, am Ende solle nicht die Politik alleine über den Mindestlohn entscheiden, betonte sie. Denn man wisse ja nie, wie die politische Konstellation in Zukunft sei.
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Weil eröffnet Parteitag – Klingbeil macht Ansage Richtung Stegner & Co.
Der frühere niedersächsische Ministerpräsident Stephan Weil hatte den Bundesparteitag mit einer scharfen Kritik am russischen Angriffskrieg gegen die Ukraine am Freitagnachmittag eröffnet. Er verurteilte Gebietsansprüche, wie sie der russische Präsident Wladimir Putin formuliere: „Das ist völkischer Imperialismus. Und völkisches Denken, das bekämpft die deutsche Sozialdemokratie nun wirklich aus tiefster Überzeugung“, sagte Weil.
Einen ähnlichen Tenor verfolgte auch Klingbeil in seiner Rede – der als Klarstellung seiner Linie in Richtung Parteilinker wie Ralf Stegner oder Rolf Mützenich zu verstehen ist. „Wir Sozialdemokraten stehen an der Seite der mutigen Ukrainerinnen und Ukrainer“, so der Parteivorsitzende. „Mit mir wird es keinen anderen Weg in der Ukraine-Politik unserer Partei geben“, stellte er klar. „Wir alle wollen, dass dieser Krieg so schnell wie möglich endet“, warb er auch für Diplomatie. Es sei jedoch Russlands Präsident Wladimir Putin, „der diesen Krieg gerade nicht beenden will“, denn „er will die Ukraine unterwerfen“.
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Außenpolitiker Ralf Stegner und der ehemalige Fraktionsvorsitzende Rolf Mützenich hatten zuletzt mit einem „Manifest“ für Furore gesorgt, in dem sie sich für mehr diplomatische Bemühungen mit Russland ausgesprochen hatten. Sie monierten unter anderem eine „militärische Alarmrhetorik.“
Stegner: Thema Frieden nicht der AfD überlassen
„Wladimir Putin ist nicht Michael Gorbatschow“, warnte Klingbeil vor Illusionen. Daher sei der Schutz der Ukraine für Deutschland auch „unmittelbar mit unserer Sicherheit verbunden“. Er sei „fest davon überzeugt, dass unsere eigene Stärke die Bedingung dafür ist, dass wir zu einer Friedensordnung in Europa zurückkommen“, bekannte er sich auch zu einem größeren Engagement für die Verteidigung. Deutschland müsse alles tun, „um uns vor Putins Russland zu schützen“.
Hauptstadt Inside von Jörg Quoos, Chefredakteur der FUNKE Zentralredaktion
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Nach der Rede von Klingbeil gab es in der Halle einen Protest mit Pappstahlhelmen und T-Shirts, auf den stand: „Abrüsten – irgendwann ist jetzt.“ Auch Pistorius trat in der Debatte ans Rednerpult und wandte sich direkt an Stegner. Die Fakten lägen auf dem Tisch, sagte der Verteidigungsminister: Putin rüste auf und vergrößere seine Armee immer weiter. „Dieser Imperialist im Kreml will nicht verhandeln, er will keinen Frieden.“ Auch er wünsche sich Frieden, dieser Staat müsse sich aber verteidigen können. „Putin versteht nur eine Sprache, das ist die der Stärke“, fügte Pistorius hinzu.
„Wir müssen darüber reden, ob diese wahnsinnige Aufrüstung der richtige Weg ist“, entgegnete der SPD-Linke Ralf Stegner in der Debatte. Das gelte auch für die Einführung einer Wehrpflicht. Die Aufregung um die Initiative zeige, dass die Debatte um die darin enthaltenen Forderungen geführt werden müsse. Er wolle das Thema Frieden nicht der AfD überlassen, sagte der Schleswig-Holsteiner. Zugleich versicherte Stegner, dass er weder Klingbeil noch Verteidigungsminister Boris Pistorius nicht angreifen wolle. Aber anstatt „kriegstüchtig“ zu sein, müsse Deutschland verteidigungs- und friedensfähig werden.
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Gegen Abend wird dann die Wahl der Parteivorsitzenden erwartet. Es ist davon auszugehen, dass sowohl Lars Klingbeil als auch Bärbel Bas ausreichend Stimmen erhalten. Spannend bleibt abzuwarten, wie viel Rückendeckung die beiden von den Delegierten erhalten. Vier Monate nach der schweren Niederlage bei der Bundestagswahl will die SPD auf dem Parteitag bis Sonntag inhaltliche und personelle Weichen für die Zukunft stellen.
daw, dpa, afp