Illner-Talk zur Schuldenbremse: Spahn gegen Sondervermögen mit altem Bundestag | ABC-Z

Illner-Talk zur Schuldenbremse
Spahn gegen Sondervermögen mit altem Bundestag
28.02.2025, 02:32 Uhr
Seit einigen Tagen wird in Deutschland über eine Reform der Schuldenbremse diskutiert. Jens Spahn von der CDU möchte lieber erst einmal sparen, sagt er bei Maybrit Illner. Zum Beispiel bei der Entwicklungshilfe.
Donald Trump hat offenbar einen Freund: Den russischen Präsidenten Wladimir Putin. Mit ihm will er den Frieden in der Ukraine aushandeln. Die europäischen Länder sitzen dabei nicht einmal am Katzentisch. Immer mehr wird klar: Der US-Präsident lässt seine europäischen Verbündeten im Stich. Friedrich Merz, noch Kanzlerkandidat der Union, scheint gelernt zu haben. Noch am Wahlsonntag sagte er, Deutschland müsse sich unabhängiger machen von den USA. Deutschland muss mehr Geld in die Verteidigung stecken. Dafür will Merz mehr Schulden machen. Doch wie soll das mit einer Schuldenbremse gehen? Das diskutiert Maybrit Illner am Abend im ZDF mit ihren Gästen.
Marina Weisband ist eine in der Ukraine geborene Publizistin. Sie spricht sich klar gegen die Friedensverhandlungen zwischen den USA und Russland aus, an denen die Ukraine nicht teilnehmen darf. „Ich bin nie dankbar für Kolonialismus“, sagt sie bei Maybrit Illner. Ein Autoritärer hacke dem anderen kein Auge aus, ist sie überzeugt. Klar sei, dass Trump und Putin die Bodenschätze der Ukraine unter sich aufteilen würden. „Das ist eine zutiefst zynische Politik.“
Trump wolle aus dem Krieg einen Vorteil schlagen in einem Ausmaß, wie die europäischen Länder es nie erwartet hätten, sagt Elmar Theveßen, ZDF-Korrespondent in den USA. Trump wolle angeblich für die Ukraine so viele Gebiete herausholen wie möglich, dafür müsste sie mit seltenen Erden zahlen. Den Schutz der Ukraine müssten die Europäer leisten.
„Man muss Chips und Vorschläge mitbringen“
Trumps Ziel sei eine Normalisierung der Beziehungen zu Russland, analysiert die Politikwissenschaftlerin Sarah Pagung. „Dafür ist man bereit, die Ukraine und Europa über die Klinge springen zu lassen, erst recht vor dem Hintergrund, dass Trump innenpolitisch unter Druck steht, weil er versprochen hat, die finanziellen Aufwendungen, die die USA für internationale Politik ausgibt, zu reduzieren. Und er hat versprochen, dass er schnell einen Deal herbeiführt. Das heißt: Er muss jetzt liefern, und da ist das Motto: Schnell einen Deal geben, Inhalt nicht so wichtig.“
Jens Spahn von der CDU kann der Initiative Trumps etwas gutes abgewinnen. Immerhin sei dies die erste Friedensinitiative zur Beendigung des seit drei Jahren andauernden Krieges in der Ukraine. Weder die Vorgängerregierung noch die Europäische Union hätten Anstrengungen für ein Kriegsende unternommen. „Jetzt finden wenigstens Gespräche statt“, so Spahn. Trump habe die Friedensinitiative schon vor Jahren angekündigt, Europa hätte sich darauf vorbereiten können. Zudem beklagt Spahn, dass seit der Wahl Trumps zum US-Präsidenten bis zu dieser Woche noch kein europäischer Staatschef Trump besucht hätte, auch nicht, um Handelsgespräche zu führen. „Wir jammern jetzt über den Katzentisch. Wenn man am Tisch sitzen will, muss man im Zweifel Chips mitbringen, und man muss im Zweifel Vorschläge mitbringen. Und wir haben in Europa, das muss man selbstkritisch sagen, in den letzten Jahren und auch Monaten nicht viel davon gesehen.“
In den letzten Monaten habe es sehr wohl immer wieder Delegationen aus Deutschland gegeben, die in die USA gereist seien. Auch Unionspolitiker seien darunter gewesen. Allerdings habe es für sie keine Termine gegeben, korrigiert Theveßen den Unionspolitiker.
Was jetzt passieren muss
Auf Europa kommen harte Zeiten zu. Das weiß auch Spahn. Darum sagt er: „Wir werden in Europa unabhängiger werden müssen, erwachsener werden müssen.“ Man müsse über einen europäischen Schutzschirm reden, über die Wehrpflicht. „Wir müssen jetzt in einer Geschwindigkeit aufrüsten, ausrüsten, über nukleare Unabhängigkeit auch in der EU reden.“ Doch das werde einige Zeit dauern. „Wir sind von den USA abhängig“, so Spahn.
Kanzleramtschef Wolfgang Schmidt von der SPD stimmt Spahn in diesem Punkt zu – und fordert „Taten“. Dazu braucht es Geld. Schmidt: „Wir brauchen Maßnahmen, die das Wirtschaftswachstum ankurbeln, die dafür sorgen, dass die Jobs hier sicher sind. Das wird ohne öffentliches Geld nicht funktionieren.“
Eine Möglichkeit wäre eine Lockerung der Schuldenbremse. Die hat Unionskanzlerkandidat Merz vor den Wahlen abgelehnt. Nun zeigte er sich offen, darüber zu reden. Doch dazu müsste das Grundgesetz geändert werden – mit Zwei-Drittel-Mehrheit. Die haben die demokratischen Parteien im neuen Bundestag nicht mehr, AfD und Linke verfügen gemeinsam über eine Sperrminorität. Damit könnten sie auch ein weiteres Sondervermögen für die Bundeswehr verhindern. Doch der neue Bundestag konstituiert sich erst in knapp vier Wochen, der alte Bundestag ist noch im Amt, könnte also ein Sondervermögen beschließen.
„Wir sind in einer Notsituation“, sagt Pagung. „Ich glaube, die Sicherheit in Europa ist so vulnerabel wie seit Jahrzehnten nicht mehr. Und ich glaube, vor diesem Hintergrund müssen wir vielleicht auch manchmal unelegante Lösungen finden.“ Dazu gehöre, den alten Bundestag für die Beschließung eines Sondervermögens noch einmal einzuberufen.
SPD und Grüne für Schulden, aber nicht nur für die Bundeswehr
„Das wird die große Aufgabe sein in den Sondierungsgesprächen“, sagt Spahn. Allerdings sei eine Reform der Schuldenbremse vielleicht gar nicht nötig, lässt er durchblicken. Man könne auch den Haushalt umschichten und zum Beispiel bei der Entwicklungshilfe sparen.
Die SPD wäre grundsätzlich für ein Sondervermögen von 200 Milliarden Euro für die Bundeswehr. Gleichzeitig müsste es aber auch Geld für andere wichtige Vorhaben wie Investitionen in die Infrastruktur oder in Bildung geben, sagt Schmidt. Ein Sondervermögen nur für die Bundeswehr wäre schädlich, was die öffentliche Debatte anbelange, sagt Schmidt. „Die Grünen haben schon ausgeschlossen, dass sie bei einem Sondervermögen ausschließlich für Verteidigung mitmachen würden, und wir haben auch noch den Bundesrat“, gibt Schmidt zu bedenken. Die SPD wäre bereit, über eine Reform der Schuldenbremse noch mit dem alten Bundestag zu verhandeln.
„Es ist jetzt unsere Aufgabe mit der SPD, in einer Zeit, wo wir auch sehen, was im Land politisch los ist, diesem Land wieder Stabilität, Wohlstand, Wachstum und Sicherheit zu geben. Und deswegen müssen und werden wir uns einigen, auch deutlich mehr für die Sicherheit und die Verteidigung auszugeben“, so Spahn. Bis zur Konstituierung des neuen Bundestages werde man jedoch keine komplexe Operation rechtfertigen oder vernünftig verhandeln können. Sprich: Spahn ist gegen eine erneute Einberufung des alten Bundestages.