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Klimaschutz in Berlin unter CDU und SPD: Mieses Klima in Berlins Bezirken | ABC-Z

Berlin taz | Auch wenn die Stimmung sich seit dem Regierungsantritt von CDU und SPD spürbar verändert hat: Es gilt weiterhin die Vorgabe aus dem Berliner Klimaschutzgesetz, das Land bis spätestens 2045 klimaneutral zu machen, sprich: den gesamten CO₂-Ausstoß um mindestens 95 Prozent gegenüber dem Jahr 1990 zu reduzieren. Ein ambitioniertes Ziel – um es zu erreichen, müssen auf vielen Ebenen viele verschiedene Instrumente zum Einsatz kommen.

Nachdem die Mittel für den Klimaschutz schon im laufenden Haushalt wie auch in der Investitionsplanung bis 2028 massiv zusammengekürzt wurden, schlagen jetzt mehrere Bezirke Alarm: Ab dem kommenden Jahr könnten sie bei Programmen, die sie für Klimaschutz- und Klimaanpassungsmaßnahmen nutzen, leer ausgehen.

Noch liegen schriftlich keine Details zum Doppelhaushalt 2026/27 vor, aber Friedrichshain-Kreuzbergs Bezirksbürgermeisterin Clara Herrmann (Grüne) hat nach eigener Auskunft erfahren, dass an zwei entscheidenden Stellen der Geldfluss versiegen soll. Zum einen würden die sogenannten Pauschalmittel für die Bezirke aus dem Berliner Energie- und Klimaschutzprogramm BEK 2030 gestrichen – zuletzt rund 200.000 Euro pro Bezirksverwaltung und Jahr.

Noch stärker ins Gewicht fiele das radikale Zusammenstreichen des Berliner Programms für nachhaltige Entwicklung 2, kurz Bene 2. Dieses schüttet projektbezogene Zuschüsse an Bezirke, öffentliche und private Unternehmen und gemeinnützige Träger aus, wenn diese beispielsweise in energetische Sanierung, den Umstieg auf erneuerbare Wärmequellen oder in grüne Infrastruktur investieren.

Großes Streichkonzert schon im aktuellen Haushalt

Schon im Nachtragshaushalt für 2025 strich die Koalition bei Bene 2 rund 23 Millionen Euro. Laut Clara Herrmann könnte 2026 in diesem Titel gar kein Geld mehr für neue Projektanträge enthalten sein. Auch die Informationsseiten der Senatsverwaltung für Umwelt und Klimaschutz gehen auf diese Problematik ein. Dort heißt es allerdings noch optimistisch, es sei „auch noch denkbar, dass die avisierten Kürzungen doch nicht vom Haushaltsgesetzgeber beschlossen werden“.

Clara Herrmann findet das absurd. Sie sagt zur taz: „Wir sind Vorreiterbezirk beim Klimaschutz. Bei den CO₂-Emissionen der bezirklichen Gebäude haben wir schon jetzt eine Reduktion um 64 Prozent erreicht, und im nächstes Jahr werden es 70 Prozent sein.“ Damit hätte der Bezirk ein Klimaziel vorfristig erfüllt, das eigentlich erst 2030 erreicht werden muss. Geschafft hat Friedrichshain-Kreuzberg das mit einem durch Bene 2 finanzierten Projekt.

In 69 Bezirksliegenschaften wie Schulen und Bibliotheken wurden in den vergangenen Jahren die Heizkreisregelungen „intelligent“ umgerüstet, sodass sie deutlich weniger Wärme erzeugen müssen. Nach Angaben des Bezirks entspricht die Einsparung dem Energieverbrauch von 2.400 Dreizimmerwohnungen. Hinzu kommt ein Rückgang der jährlichen Heizkosten von mehr als 1 Million Euro – die Investition von 1,3 Millionen Euro hat sich damit bereits amortisiert.

Das ist ein fundamentales Absägen des Klimaschutzes

Clara Herrmann, Grüne

Der Clou bei den Bene-2-Mitteln: 40 Prozent des Geldes, das an ein Projekt ausgeschüttet wird, kommen vom Europäischen Fonds für Regionale Entwicklung (Efre). Für den laufenden Förderzeitraum 2021 bis 2027 stellt der Efre 210 Millionen Euro bereit. Allerdings fließen die nur, wenn der Eigenanteil gesichert ist, der im Fall der Bezirke aus dem Landeshaushalt stammt. Für Clara Herrmann ist das drohende Aus also nicht nur „ein fundamentales Absägen des Klimaschutzes“. Es sei auch „finanzpolitischer Wahnsinn, die Mittel von der europäischen Ebene nicht mitzunehmen“.

Unruhe auch in Mitte

Auch in anderen Bezirken wird man unruhig: „Da BEK und Bene 2 auch explizit die Bezirksverwaltungen als Empfänger adressiert haben, bestehen seitens des Bezirks Mitte selbstredend große Sorgen bezüglich der Verfügbarkeit von dringend benötigten Mitteln“, sagt Mittes Bürgermeisterin Stefanie Remlinger (Grüne) zur taz. Ihr Bezirk habe ein eigenes Klimaschutz- und Klimaanpassungskonzept zur Umsetzung des BEK entwickelt, ein vom Bezirksamt aufgebautes Management unterstütze die Umsetzung auch durch die Beantragung von Fördergeldern.

Mit den BEK-Pauschalmitteln habe man schon Bäume an Straßen oder auf Spielplätzen gepflanzt, Ladeinfrastruktur für Elektrofahrzeuge des Bezirks­amts geschaffen, E-Bikes angeschafft oder eine Regenwassernutzungsanlage auf einem Abenteuerspielplatz gebaut. Die Gelder dienten auch dazu, einen Eigenanteil für Bundesförderungen aufzubringen – etwa im Falle des Konzepts zur klimaangepassten Bellermannstraße. Bene-2-Mittel würden dagegen für größere Maßnahmen eingesetzt wie bei der Umstellung der Beleuchtung auf LED oder der Umgestaltung von Plätzen.

Das Bezirksamt Mitte habe in den vergangenen Jahren Strukturen geschaffen, um „zielgerichtet und effektiv mit Fördermitteln seitens des Landes zur Umsetzung von Klimaschutz und Klimaanpassung agieren zu können“. Sollten diese Mittel entfallen, sei das „entsprechend bedauerlich und auch hochgradig ineffizient“, sagt Remlinger. In diesem Fall müsse der Bezirk intensiver als bisher Bundes- und EU-Mittel auf eigene Faust akquirieren, was deutlich mehr personelle Ressourcen binden würde.

Immerhin: Die Signale aus dem Bund sind nicht so ungünstig. Clara Herrmann kann beim Bundesumweltministerium eine größere Sensibilität erkennen. Minister Carsten Schneider (SPD) habe Friedrichshain-Kreuzberg vor Kurzem sogar persönlich besucht, um die vor zwei Jahren begonnene Förderung der Stelle einer Klimaanpassungsmanagerin für denselben Zeitraum zu erneuern.

Kritische Töne aus der Koalition

Auch in der Berliner SPD ist man alles andere als glücklich mit den drohenden Kürzungen: Fielen die so drastisch aus wie befürchtet, wäre das „fatal“, sagt Linda Vierecke, die umwelt- und klimaschutzpolitische Sprecherin der SPD-Fraktion. Zwar könnten die ParlamentarierInnen noch Veränderungen innerhalb des Haushalts vornehmen.

Allerdings, so Vierecke weiter, „wird es schwer, riesige Summen umzuschichten“. Vor allem, wenn CDU-Umwelt- und Klimaschutzsenatorin Ute Bonde „derart rabiat den Umweltbereich gekürzt haben sollte“. Am kommenden Haushalt werde sich zeigen, „ob Frau Bonde überhaupt das Thema Umwelt wichtig ist“. Die Verwaltung der Senatorin will sich vor Beginn der Haushaltsverhandlungen nicht in der Angelegenheit äußern.

Auf der Liste der Projekte, die in Friedrichshain-Kreuzberg mit den Klimageldern finanziert werden sollen, steht übrigens die energetische Sanierung des Bethanien am Mariannenplatz ganz oben, das unter anderem den Kunstraum Kreuzberg beherbergt. Für 20 Millionen Euro solle das ehemalige Krankenhaus klimaneutral gemacht werden, sagt Clara Herrmann, 5 Millionen habe man beim Bund eingeworben. Die restlichen 15 Millionen sollten aus Bene 2 kommen. Ob das noch etwas wird, steht in den Sternen.

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