Klima, Rente, Bürgergeld: So will Lindner Steuersenkungen finanzieren | ABC-Z
Bundesfinanzminister Lindner (FDP) fordert eine Senkung der Unternehmenssteuern, um die Wirtschaft zu beleben. Wie er die finanzieren will, hat er nun in einem Papier ausgeführt. Vor allem bei Klima- und Sozialausgaben soll gespart werden. Die Union spricht von einer „Märchenstunde“.
Es war vergangene Woche bei der Präsentation der Steuerschätzung, als Finanzminister Christian Lindner (FDP) wegen der schwachen Wirtschaft ein erwartetes Einnahmeloch im Haushaltsentwurf für das kommende Jahr von 13,5 Milliarden Euro verkündete.
Acht Tage später fordert Lindner Steuersenkungen, wodurch das Loch noch größer würde – und zwar um acht Milliarden Euro. Die Absenkung des Solidaritätszuschlags in einem ersten Schritt von 5,5 Prozent auf 3,0 Prozent soll 4,5 Milliarden Euro kosten, zwei Körperschaftsteuer-Punkte weniger 3,5 Milliarden Euro.
Eine Einigung auf eine solche Steuersenkung mit SPD und Grünen mag utopisch klingen. Doch man kann Lindner nicht vorwerfen, dass er keine Vorschläge macht, wie er die geringeren Einnahmen ausgleichen will.
Auf den Seiten 17 und 18, den letzten Seiten seines „Wirtschaftswende Deutschland“-Papiers, finden sich insgesamt 19 Positionen, jeweils versehen mit Plus- und Minuszeichen – je nachdem, ob sie eine positive oder eine negative Wirkung auf den bisherigen Entwurf des Bundeshaushalts haben, ob sie Geld bringen oder Geld kosten.
Zusammengefasst kann man sagen: Die eine Hälfte der Lücke will Lindner durch Einsparungen bei der Klimapolitik schließen, die andere Hälfte durch Abstriche bei den Ausgaben im Sozialbereich.
Der größte Ausgleichsposten sind die Subventionen für den US-Chiphersteller Intel. Geht es nach Lindner, soll die „Subvention für Intel nicht nur verschoben werden, sondern ganz entfallen“.
Weniger Mittel für „Internationale Klimafinanzierung“
Gemeint ist der Betrag im Klima- und Transformationsfonds (KTF), mit dem der Bau eines Werks in Magdeburg staatlich unterstützt werden sollte. Die bislang dafür gebundenen Mittel in Höhe von insgesamt zehn Milliarden Euro könnten aus dem KTF entnommen werden, schreibt Lindner.
Ein weiterer großer Einsparpunkt: „Klimapolitisch motivierte Dauersubventionen“ könnten abgeschafft und weniger Mittel für die „Internationale Klimafinanzierung“ aus dem Haushalt zur Verfügung gestellt werden.
Im Kleingedruckten werden unter anderem „nicht mehr in diesem Umfang notwendige Subventionierungen von Maßnahmen der Energieeffizienz im Gebäudebereich (BEG)“ genannt, wenn erst einmal die klimapolitischen Vorschriften gelockert wurden. Dies soll summa summarum den Spielraum 2025 um vier Milliarden Euro erhöhen.
Unter der Zwischenüberschrift „Arbeitsmarkt, Migration und Rente“ entfällt der größte Sparposten auf die gesetzliche Rentenversicherung. Dort möchte Lindner die Abschläge bei einem frühzeitigen Renteneintritt an die Zuschläge bei einem späteren Renteneintritt anpassen.
Bislang sind die Abschläge geringer als die Zuschläge. Außerdem soll bei der Berechnung des Mindestrentenniveaus künftig das gestiegene Renteneintrittsalter auf am Ende 67 Jahre berücksichtigt werden – was de facto zu einer Niveau-Absenkung führen würde. Diese beiden Maßnahmen sollen den jährlichen Rentenzuschuss des Bundes um 4,5 Milliarden Euro reduzieren.
Hinzu kommen laut des Papiers weitere Punkte im Sozialbereich: Das Bürgergeld soll künftig auch gesenkt – bislang gilt eine Besitzstandsregelung – und die Kosten der Unterkunft pauschaliert werden können. Zudem soll es „bundeseinheitliche Obergrenzen für die angemessenen Wohnungsgrößen“ geben. Angesetzter Entlastungseffekt für den Bundeshaushalt: zusammen zwei Milliarden Euro.
CDU-Chefhaushälter: „Märchenstunde des Bundesfinanzministers“
Kritik an den Zahlen kam direkt aus den Reihen der größten Oppositionsfraktion im Bundestag. Dort kann man sich eine Umsetzung nicht vorstellen. „Eine bemerkenswerte Analyse mit Schlussfolgerungen, die diametral zu der bisherigen Politik der Ampel stehen“, sagte Christian Haase, Chefhaushälter der CDU/CSU-Fraktion im Bundestag.
Insofern gehörten auch die Zahlen ins Reich der Fabeln. „Es scheint die Märchenstunde des Bundesfinanzministers zu sein, anders kann ich die Zahlen nicht deuten. Es gibt hierfür in der Ampel schlichtweg keine Mehrheit“, so Haase.
In Reihen des grünen Koalitionspartners sieht man den Vorstoß des FDP-Vorsitzenden nicht anders. „Das kann ich nicht ernst nehmen. Das ist doch nur ein Ablenkungsmanöver“, sagte ein Haushaltspolitiker, der nicht namentlich zitiert werden wollte.
Lindner habe den Regierungsentwurf schlecht vorbereitet und sich bei der Planung der Steuereinnahmen dramatisch verrechnet. Deshalb kämen nun diese Vorschläge. „Die Lindner-Lücke ist jetzt eine große Herausforderung für die Haushaltsberatungen. Vor dieser Verantwortung darf man als Finanzminister jetzt nicht kneifen.“
Haushaltspolitiker der FDP sehen dies naturgemäß anders. „Wichtig ist, dass wir kein Erkenntnisproblem bei dem Zustand unseres Wirtschaftsstandorts haben, sondern wir gerade darum ringen, was wir zur Rettung tun müssen“, sagte Chefhaushälter Otto Fricke.
Da müsse jeder Koalitionspartner im Rahmen der Verfassung klar sagen, was er wolle. „Der Haushälter ist deshalb erst einmal ausdrücklich froh, dass es ein Fakten-Papier gibt, nachdem das Bundeswirtschaftsministerium ja schon eine Vorlage geliefert hat“, sagte Fricke weiter. Womit er auf das Impuls-Papier von Robert Habeck (Grüne) aus der Vorwoche anspielte.
Karsten Seibel ist Wirtschaftsredakteur in Berlin. Er berichtet unter anderem über Haushalts- und Steuerpolitik.