Kiosk-Betreiber in München sauer: “E-Bike-Erotiker mähen alles um” | ABC-Z
München – An der Isar spazieren und an der Wittelsbacherbrücke hochschlendern, um sich an Münchens ältestem Standl von André Löwig ein Kaltgetränk zu holen – an Sommertagen wie diesen: der reinste Spießrutenlauf. Von hinten schießen Rennradler, Mountainbikerinnen und Lasten-E-Biker den Hügel bergauf, von vorne brettern sie bergab.
“Ohne Rücksicht auf irgendwas und irgendwen”
Ein paar Meter vor dem waldgrünen Standl oben wird es noch heikler, denn dann treffen Quer-Radler auf die Längs-Radler, und zwar unerwartet. Denn Letztere tauchen urplötzlich von links und rechts über die Kieswege auf, die ausschließlich für Fußgänger ausgeschildert sind. “Mir platzt jetzt echt langsam der Kragen”, schnaubt André Löwig. 20Jahre betreibt er jetzt schon seinen Kiosk auf der Südseite der Brücke unter den alten Ahornbäumen, Linden und Kastanien am Schyrenplatz. “Aber so schlimm wie jetzt war der Radlwahnsinn noch nie.”
Seit die Zufahrt zum Isarradweg von der Brücke aus nach unten asphaltiert worden ist, direkt vor seinem Minibiergarten am Standl, das es schon 1848 dort gab, werde nur noch gerast, “ohne Rücksicht auf irgendwas und irgendwen”. Löwig hat sich sogar einen rotweißen Baustellenzaun gekauft und vor dem Kiosk aufgestellt. Damit da keiner mehr sein Radl hinwirft und Kioskgäste darüberfallen. “Eine ältere Dame”, sagt er, “hat sich deswegen schon richtig schlimm verletzt.”
Überhaupt, Verletzungen: Er komme gar nicht mehr hinterher damit, neue Verbandskästen einzukaufen. “Sie glauben nicht”, sagt Löwigs Mitarbeiterin Bella, “wie oft hier Leute vorbeikommen und nach Pflaster, Verbandszeug und Desinfektionsmittel fragen, weil schon wieder zwei Radler zusammengestoßen sind oder einer einen Fußgänger angefahren hat.” Am schlimmsten, findet der Kioskbetreiber, seien die Fahrer der schweren Räder mit Elektromotor, von denen es jedes Jahr mehr gibt.
“Diese E-Bike-Erotiker mähen mit 25 oder 30 km/h alles um und weg, alte Frauen, Hunde, Kinder, Leute mit Kinderwagen.” Rücksichtslos seien aber nicht nur die Jungen, “die sturköpfigen Alten sind fast noch schlimmer.” Wer sich am Spätnachmittag vor seinem Kiosk umschaut, stellt fest, der Mann hat recht. Allein an der engen Kurve zum schmalen Kiesfußweg, der hinunter zur Isar führt, schießt im Sekundentakt ein Radl herunter oder rauf. Obwohl man gar nicht sehen kann, ob sich hinter der Kurve eine Hundeleine spannt oder jemand für einen Ratsch stehengeblieben ist.
Zu faul, am Gehweg abzusteigen
Wieso man, bitte, gerade dort fährt? “Weil ich nicht absteigen will”, bellt angefressen ein behelmter Mountainbiker mit Silberhaar – und verbittet sich, fotografiert zu werden. Ein Student sagt: “Weil’s der kürzere Weg ist und ich faul bin, ich weiß schon, das ist blöd für die Fußgänger.”
Eine junge Frau hat ein stichhaltiges Argument: “Weil man aus dem Fußweg mit dem Radl unten leichter nach rechts in den Isarradweg einfädeln kann.” Dort, wo Fahrradfahrer ein paar Meter weiter südlich offiziell in die Radstrecke einfädeln sollen, sei das “kriminell gefährlich”. Und tatsächlich: Bis zu 70 Rennräder, Mountainbikes, Lastenräder, Räder mit Anhänger kann man an der Stelle pro Minute und Richtung zählen, die sich isarauf- und abwärts gegenseitig überholen oder an Rollschuhfahrerinnen und Skateboardern vorbei drängeln.
30 Prozent mehr Radler in München als 2019
Oben auf der Wittelsbacherbrücke selbst, nur ein paar Meter vom Kiosk entfernt, ist kaum weniger los. Dass in München heute 30 Prozent mehr Menschen Radfahren als noch 2019 (wie das Mobilitätsreferat gezählt hat), glaubt man hier gern: Radler flitzen in Pulks von links und rechts kommend Richtung Isarvorstadt oder Au und Untergiesing – genauso viele auf dem Radweg wie auf dem Gehweg nebendran. Mitten im Gewusel ist Fußgänger Markus Fisher mit seinem Hund an der Leine anzutreffen. “So viel Rücksichtslosigkeit”, sagt er kopfschüttelnd. “Als Fußgänger musst du heute Radlern dauernd aus dem Weg springen.”
“Als Fußgänger”, sagt wenig später eine ältere Passantin, “hast du in München überhaupt keine Rechte mehr.” Was also könnte helfen, die Lage zu entspannen? Mehr Polizei? “Schmarrn”, sagt André Löwig, “die kämen ja gar nicht hinterher, die Rambos sind einfach zu viele.” Aus seiner Sicht wär’s doch ganz einfach: “Radler, bleibt von den Fußwegen weg und nehmt endlich Rücksicht! Dann hat auch jeder wieder mehr Spaß am Münchner Sommer.”