Kiews Regierung macht sich hübsch für Donald Trump | ABC-Z

Kiew. Julija Swyrydenko wird Regierungschefin der Ukraine. Ihre Wahl soll auch ein Signal an die USA und Donald Trumps Umfeld sein.
Vereinhalb Jahre war Denys Schmyhal im Amt – so lange wie kein ukrainischer Ministerpräsident vor ihm. Nun ist Schluss: Das Parlament hat seine bisherige Stellvertreterin und Wirtschaftsministerin Julija Swyrydenko zur neuen Regierungschefin gewählt. Die 39-Jährige ist erst die zweite Frau überhaupt auf diesem Posten in der Geschichte der Ukraine.
Schmyhal scheidet dabei nicht aus der Regierung aus. Im Gegenteil – er übernimmt ein Ministerium, das derzeit als eines der schwierigsten gilt: das Verteidigungsressort. Es ist überlastet, chaotisch organisiert und künftig zusätzlich für die nationale Rüstungsproduktion zuständig.
Swyrydenkos Aufstieg: Ein Signal an Trumps Umfeld
Die Beförderung Swyrydenkos kam nicht überraschend. Seit 2019 hat sie sich von der achten Stellvertreterin des Wirtschaftsministers bis zur Spitze der Regierung hochgearbeitet. Sie gilt als aktiv, jung, flexibel – und als ausgesprochen loyal gegenüber Präsident Wolodymyr Selenskyj und dessen einflussreichem Stabschef Andrij Jermak. In einem Land im Abnutzungskrieg soll sie nach dreieinhalb Jahren russischer Invasion neue Dynamik ins Kabinett bringen. Doch hinter ihrer Ernennung steht vor allem ein außenpolitisches Kalkül – mit Blick auf die USA und Donald Trump.
Swyrydenko war es, die im Frühjahr die schwierigen Verhandlungen mit US-Finanzminister Scott Bessent über ein neues Rohstoffabkommen führte. Die ersten Vertragsentwürfe aus Washington waren nach ukrainischer Lesart so einseitig, dass man sie Kritikern zufolge fast als neokolonial bezeichnen konnte. Nach dem Eklat im Oval Office am 28. Februar wurde die Unterzeichnung der ursprünglichen Fassung zunächst abgesagt. Doch Swyrydenko setzte sich durch. Sie handelte ein tragbares Ergebnis aus – und überzeugte mit ihrem Stil offenbar auch Trumps Umfeld.
Schmyhal übernimmt Problemressort – und soll Ordnung ins Chaos bringen
Die Kommunikation mit den USA dürfte nun zu den wichtigsten Aufgaben der neuen Premierministerin zählen. Gleichzeitig soll die ukrainische Wirtschaft enger mit der Verteidigungsindustrie verzahnt werden. Hier kommt Schmyhal ins Spiel: Der Ex-Premier gilt als ruhiger, sachorientierter Manager – und war bereits in seiner vorherigen Funktion stark in Verteidigungsfragen eingebunden. Als neuer Minister soll er Struktur in ein Ressort bringen, das zuletzt kaum steuerbar wirkte.
Denn das Verteidigungsministerium ist längst ein politischer Moloch. Rund die Hälfte des ukrainischen Staatshaushalts fließt derzeit in militärische Ausgaben. Dass das Ministerium unter Schmyhals Vorgänger Rustem Umerow oft als „Ministerium des Chaos“ bezeichnet wurde, lag nicht nur an dessen Führung – sondern auch an realen Missständen, etwa bei der Beschaffung oder in der internen Organisation.
Neue Botschafterin in Washington: Kiew rüstet sich für Trump-Rückkehr
In einer anderen Rolle jedoch hatte sich Umerow einen guten Ruf erarbeitet: als Verhandlungsführer mit den USA und Delegationsleiter bei Gesprächen mit Russland. Auch deshalb plante Selenskyj laut Insidern, ihn zum neuen Botschafter in Washington zu machen – ein Schritt, den der Präsident zuvor bereits angedeutet hatte. Die bisherige Botschafterin Oksana Markarowa genoss zwar unter der Regierung von Joe Biden Anerkennung, kommt mit den Republikanern jedoch schlecht zurecht.
Hauptstadt Inside von Jörg Quoos, Chefredakteur der FUNKE Zentralredaktion
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Dann kam alles anders. Obwohl Umerows Ernennung als sicher galt, soll es auf amerikanischer Seite Vorbehalte gegen ihn gegeben haben. Statt nach Washington zu wechseln, wird er nun voraussichtlich weiterhin als Unterhändler tätig sein – womöglich auch in einer Funktion beim Nationalen Sicherheitsrat. Zur neuen Botschafterin bestimmte Selenskyj überraschend Olha Stefanischyna, seit 2020 Vize-Regierungschefin für europäische Integration.
Die 39-Jährige war eine der zentralen Figuren bei der Aufnahme der EU-Beitrittsverhandlungen mit der Ukraine. Auch sie unterhält gute Kontakte in die Vereinigten Staaten – doch die Arbeit mit der künftigen Trump-Regierung dürfte eine andere Herausforderung werden als der Umgang mit der EU-Bürokratie in Brüssel. Mit Swyrydenko an der Regierungsspitze scheint Kiew für dieses Szenario zumindest besser gewappnet zu sein.