KI-generierte Kinderbücher: Kinderbücher von der Maschine | ABC-Z

Als Michael Mantel vor einigen Monaten bei Amazon durch die Kinderbücher stöberte, kam ihm ein Verdacht. Auf einem Buchcover sah Mantel, der selbst seit vielen Jahren Kinderbücher illustriert und schreibt, ein Mädchen mit riesigen Kulleraugen und einer Haut, so glatt, dass sie das Licht spiegelt. “So sehen Figuren in Animationsfilmen aus”, sagt er. “Aber nicht in einem Kinderbuch.” Mantel fragte sich: Kann es sein, dass da nicht allein ein Mensch am Werk war, sondern auch eine künstliche Intelligenz (KI)?
Mantel bestellte sich das Buch mit dem Titel Ein wundervolles Mädchen, wie du es bist! und begann in den knapp 130 Seiten mit “Mutmachgeschichten für Mädchen über Selbstvertrauen, Mut und innere Stärke” von Mia Steindl zu blättern. Das Cover sei eindeutig von einer KI erstellt worden, war er bald überzeugt. Ob das auch für den Text gilt, könne er nicht sagen. Überraschen würde es ihn aber nicht, sagt Mantel. Er vermutet, dass immer mehr KI-generierte Literatur auf den Kinderbuchmarkt drängt.
Kann das sein? Und wenn ja – geht hier etwa gerade ein ganzes Genre zugrunde?
Seit Monaten lädt Mantel auf seinem Instagram-Kanal Videos hoch, in denen er auf mutmaßlich KI-generierte Kinderbücher aufmerksam macht. Darunter finden sich Tausende Kommentare von Autoren und Illustratoren: “Wenn man was von KI in die Finger bekommt, dann bekommt man beim Lesen das große Kotzen”, schreibt eine Nutzerin. “Kauft Bücher von echten Menschen, wo Liebe drinsteckt!”
Abwegig ist das Geschäftsmodell nicht. Zumal Business-Influencer bei Instagram detaillierte Anweisungen dazu geben. Kurz zusammengefasst: ChatGPT anschmeißen, eine Idee eintippen, und schon schreibt sich die Geschichte von selbst. Das Perfide: Solche KI-Tools greifen auf bereits geschriebene Geschichten von echten Kinderbuchautoren und -illustratoren zurück. Einzige Voraussetzung ist, dass die Geschichten im Internet frei verfügbar sind oder dem KI-Tool bereits zur Verfügung gestellt wurden. Veröffentlicht wird die KI-Geschichte dann beispielsweise bei Amazon im Selbstverlag, etwa über “Kindle Direct Publishing” (KDP).
Laut Cedric Mattig, einem der Influencer, die solche Modelle empfehlen, lassen sich damit täglich knapp 3.000 Euro verdienen. Darauf angesprochen teilt er mit: “Die Qualität eines Kinderbuches hängt nicht damit zusammen, ob KI im Spiel war – es gibt hervorragende KI-erstellte Bücher, und es gibt schlechte Bücher, die ein Mensch geschrieben hat.” Er empfehle ausdrücklich, über Themen zu schreiben, mit denen man sich auskennt und identifiziert. “Wer leidenschaftlich kocht, kann etwa eine Rezeptsammlung verfassen.” Außerdem betont Mattig, die Autoren sollten KI nur zur Unterstützung nutzen, etwa zur Ideenfindung. Den Vorwurf, dass Kreative durch die von ihm beworbene Geschäftspraxis ausgebeutet werden, kommentiert er nicht.
Auch die “Mutmachgeschichten für Mädchen” von Mia Steindl sind bei Amazon im Selbstverlag erschienen. In ähnlicher Aufmachung gibt es von Steindl zudem die “Mutmachgeschichten für Jungen”, weitere Bücher der Autorin sind allerdings nirgendwo zu finden, auch nicht außerhalb der Plattform. Ein Kontakt zu Steindl wäre nur über Amazon möglich – der Onlinehändler reagiert aber nicht auf eine entsprechende Bitte.
Möglichweise ist Mia Steindl ein Pseudonym. Das wäre nicht zwingend problematisch, auch in etablierten Verlagen veröffentlichen seit je Autoren unter falschem Namen. Doch weder im Buch selbst noch in der Produktbeschreibung bei Amazon lässt sich ein Hinweis darauf finden. Auch ein Hinweis auf die Nutzung von KI ist dort nicht zu finden.