KI-Assistenz Mika: Kirchseeon und Grafing setzen auf neue Technologien – Ebersberg | ABC-Z

Es dauert keine fünf Minuten, bis Martin Urban eine neue „Mika“ erstellt hat. Zugegeben, sie ist recht rudimentär, doch selbst eine ausgereifte Version benötigt nur etwa zwanzig Minuten. Mika steht für „maßgeschneiderte Assistenz Künstlicher Intelligenz“. Allerdings war der Name zuerst da, dann entdeckte Urban das Akronym darin. „In den skandinavischen Sprachen bedeutet ‚Mika‘ so viel wie ‚gottähnlich‘“, sagt Urban. Er fand das passend, weil in KI-Kreisen oft der Begriff „God in the Box“ für die neue Technologie benutzt würde.
Sobald der KI-Assistent in Vogelform auf dem Bildschirm erscheint, ist er bereit Fragen zu beantworten und Aufgaben zu lösen. Wer schon einmal Chat-GPT oder einen ähnlichen KI-Textgenerator verwendet hat, würde auch mit Mika zurechtkommen. Urban, ein Softwareentwickler und studierter Soziologe aus Kirchseeon, hat Mika jedoch entwickelt, um mehrere Probleme mit Chat-GPT und ähnlichen Programmen zu beheben.
Zunächst würden Chat-GPT und Co. nicht proaktiv den Datenschutz beachten. Sensible Daten würden etwa schnell auf den Servern der Betreiber landen. Darüber hinaus seien sie nicht sehr konsistent in der Lösung von Aufgaben. Selbst wenn man dieselben Prompts mehrmals verwende, würden unterschiedliche Ergebnisse herauskommen. Damit verbunden sei schließlich, dass sie nicht leicht zu bedienen seien und – so Urban – eher ein Pro-Tool wären. All das würde es schwierig machen, KI in Unternehmen und Behörden zu implementieren.
Mika habe „alle diese Probleme gelöst“, verspricht Urban. Sensible Daten aus Dokumenten würden automatisch herausgefiltert und anonymisiert; optimale Prompts würden automatisch erstellt und eine einmal angelegte Mika funktioniere immer gleich und liefere die gleichen Ergebnisse.

:Magische Maschine?
Wenn eine Software großen Anteil am Schaffensprozess hat, kann dann am Ende überhaupt Kunst gelingen? Eine Ausstellung in Grafing widmet sich dem neu aufkommenden Feld der KI-Kunst.
Eine Mika funktioniert so: Zunächst wird ihr eine Art Charakter gegeben und ausgewählt, ob sie Aufgaben lösen, eine Unterhaltung führen oder Bilder generieren soll. Urban wählt „Aufgabe“ und gibt eine kurze Beschreibung ein, nicht länger als ein Arbeitsauftrag in einer E-Mail. Diese Mika soll Expertin für rechtliche Fragen im Bereich Windkraft werden. Dann weist er ihr noch einen „Stil“ zu, Urban klickt für die Demonstration auf „professionell, witzig und frech“.
Jetzt wird die KI „trainiert“, das heißt, sie sucht nach einem optimalen Prompt – etwa eine DIN-A4-Seite lang – der ihre Aufgabe und ihren Stil beschreiben soll. Mika ist nämlich im Hintergrund an fünf weitere KI-Services angedockt, darunter Open-AIs Chat-GPT. Sie sucht je nach Fall die passende Schnittstelle aus, der sie bei Fragen dann einen idealen, präzisen Prompt gibt. Vereinfacht gesagt ist Mika also eine KI, die hilft, KIs zu benutzen.
Nachdem Mika trainiert wurde, ist sie allerdings noch nicht einsatzbereit. Zunächst muss ihr noch „Wissen“ vermittelt werden. „Man kann eine Mika mit bis zu 100 Dokumenten jeder Art füttern“, erklärt Urban. Für die Windkraft-Mika würde er etwa die Bayerische Bauordnung oder das Wind-an-Land-Gesetz hochladen. Mika liest dann die Dokumente und kann zu ihnen Fragen beantworten und Schlüsse ziehen.
Grafing und Kirchseeon setzen ebenfalls Mikas ein
Diese Fähigkeiten können Kunden nutzen, um Texte zu analysieren, E-Mails zu beantworten, Social Media Posts zu erstellen und dergleichen mehr. Die meisten Kunden, die für Mika im Jahr etwa so viel zahlen wie für einen Leasing-Wagen, sind Unternehmen.
Allerdings zählen auch zwei Gemeinden aus dem Landkreis Ebersberg zu ihnen: Kirchseeon und Grafing. Beide Gemeinden erproben Mika derzeit intern, um „Verwaltungsabläufe effizienter zu gestalten“, wie der Bürgermeister Kirchseeons Jan Paeplow (CSU) sagt. Laut ihm und Grafings Bürgermeister Christian Bauer (CSU) käme der KI-Assistent bei den Mitarbeitern bereits jetzt gut an.
Langfristig soll er jedoch vor allem auch den Bürgerinnen und Bürgern der Gemeinde als virtueller Assistent auf den jeweiligen Homepages zugänglich gemacht werden. Mika soll helfen, dass Bürger mit den „unendlichen Verordnungen“ zurechtkommen und Jan Paeplow ergänzt, so könnten sie „unkompliziert online erfahren, ob sie eine Genehmigung für einen Carport benötigen oder welche Lärmschutzregelungen für das Rasenmähen gelten“. Beiden Bürgermeistern ist jedoch wichtig zu betonen, dass die Rathaus-Teams dadurch weder ersetzt noch für die Bürger unerreichbar würden. Beiden soll das Leben einfacher gemacht werden.

Mika hat also nicht das Ziel – was eine verbreitete Furcht in Bezug auf die Verbreitung künstlicher Intelligenzen ist – Menschen den Job wegzunehmen. Der Mensch soll genau das: assistieren. Martin Urban, der Softwareentwickler, benutzt selbst Mikas zum Programmieren. Etwa 60 bis 70 Prozent seiner Codes gehen auf sie zurück. Er muss allerdings immer noch alles überprüfen und verstehen, was die KI produziert.
Dennoch ist Martin Urban, der Soziologie, nicht völlig unkritisch gegenüber dem Fortschreiten der Künstlichen Intelligenz: „Die Fertigkeiten im Berufsleben werden sich verschieben. Wir werden alte Kompetenzen verlernen und neue dazulernen müssen.“ Das sei schon immer so gewesen. Allerdings sei die Geschwindigkeit, in der Technologie diesen Wandel derzeit von uns abverlange, sehr hoch. Und nicht überall käme dieser Wandel gleich schnell an. „Die Zukunft ist schon da, sie ist nur ungleich verteilt“, so Urban. Manche Unternehmen oder Behörden seien deutlich weiter als andere.
Schlussendlich, denkt Urban, wird menschliche Intuition immer wichtiger werden. So etwa, um ein Urteil über das zu fällen, was die KI dem Nutzer vorschlägt. Und auch an anderen Stellen versucht Urban, den Gott in der Box zu lassen: E-Mails sowie Posts auf Social Media verfasst er selbst. „Ich möchte meine Kommunikation mit anderen Menschen nicht automatisieren“, sagt er. Soviel Zeit muss sein.