Berlin

Kette LAP Coffee setzt eingesessene Cafés in Berlin unter Druck | ABC-Z

Niedrige Preise, rasches Wachstum

Kette LAP Coffee setzt eingesessene Cafés in Berlin unter Druck


So 03.08.25 | 16:31 Uhr | Von Tabea Schoser

imago images

Video: rbb|24 | 01.08.2025 | Olga Patlan | Bild: imago images

LAP Coffee verkauft Kaffee zu Preisen, die in Berlin selten geworden sind. Dahinter stehen zwei bekannte Gesichter aus der Startup-Szene. In nur zwei Jahren hat die Kette 13 Filialen eröffnet. Kleinere Cafés fürchten Verdrängung. Von Tabea Schoser

Blaue Markise, blaue Pappbecher, schnelles Wachstum: LAP Coffee hat am Rosenthaler Platz in Mitte begonnen und ist mittlerweile in vielen Berliner Kiezen angekommen. Der Name steht für “Life Among People”. Die Kette will – so schreibt sie – ein Treffpunkt sein, wo “Fahrradkurier, Gen-Z-Studentin und Künstler aus dem Kiez aufeinandertreffen”. Im Alltag passiert das meist im schnellen Schritt. Viele kommen, bestellen, nehmen den Kaffee mit. Aber sie kommen dann oft wieder, denn einen Cappuccino für 2,50 Euro findet man in Berlin nur noch selten.

Teil des Erfolgs ist eine starke Präsenz auf Social Media. Immer wieder dienen die Läden auch als Kulisse für Events mit Modemarken, Laufgruppen oder Dating-Plattformen. Die Läden selbst sind eher klein, Sitzplätze gibt es wenige. Statt klassischer Siebträgermaschinen nutzt das Unternehmen zeitsparende Vollautomaten, nur die Milch wird per Hand geschäumt. LAP Coffee setzt auf digitale Abläufe: Wer will, bestellt den Kaffee schon von unterwegs und sammelt digitale Treuepunkte.

Kritik aus der Nachbarschaft

In der Berliner Kaffee-Szene löst das Modell Diskussionen aus. Philipp Reichel kennt die Branche seit 15 Jahren: Der Berliner betreibt das Isla Coffee in Neukölln, hat die Berlin Coffee Week mitinitiiert und das Röstkollektiv Communal Coffee gegründet, in dem sich 17 Röstereien Produktionsflächen teilen. Aus seiner Sicht senden die niedrigen Preise von LAP Coffee das falsche Signal. “Wir versuchen seit Jahren zu zeigen, wie wertvoll Kaffee ist und warum er seinen Preis hat.”

Für Reichel ist Kaffee ein Luxusprodukt, das nicht unendlich vorhanden ist und einen weiten Weg hinter sich hat. Zugleich räumt er ein: “Natürlich gibt es da auch die Extreme und Cafés und Röstereien in Berlin, die Kaffee zu einem Preis verkaufen, der die Leute verschreckt. Auf der anderen Seite, und das ist die Kritik, die wir uns selbst zuschreiben müssen: Wir haben verpasst, zu erklären, was dahintersteckt.”

Wieviel darf ein Kaffee kosten?

Für Reichel ist klar: “Eine Tasse Kaffee muss so viel kosten, dass alle Beteiligten davon leben können, von den Produzenten bis zum Café.” In seinem Café kostet ein Cappuccino 3,50 Euro. Aus seiner Sicht ist das ein fair kalkulierter Preis. Zwar sei die Marge einer Tasse Kaffee hoch, doch viele Cafés seien darauf angewiesen: “Ein Café lebt davon, dass es Kaffee verkauft und damit auch andere Sachen bezahlen kann.”

LAP Coffee besteht dagegen darauf, dass hochwertiger Kaffee auch günstiger verkauft werden kann. Die Bohnen liefert die Berliner Rösterei 19grams, die auch fairen Handel verspricht. Wieviel LAP Coffee dafür bezahlt, ist nicht bekannt – wer große Mengen abnimmt, bekommt allerdings in der Regel bessere Preise.

Große Investoren, viel Kapital

Hinter LAP Coffee stehen zwei bekannte Namen aus der Tech- und Startup-Szene: Ralph Hage, ehemals bei Delivery Hero und Gründer des inzwischen insolventen Lieferdiensts Yababa. Und Tonalli Arreola, zuvor bei Lime und Flink.

Ihr Geschäftsmodell mit LAP Coffee ist nicht neu: In anderen Ländern wie Japan, Großbritannien oder den USA funktionieren ähnliche Konzepte bereits erfolgreich. Und auch bei Investoren kommt es gut an: Hinter LAP Coffee stehen große Geldgeber, wie HV Capital, FoodLabs und Roundtable. Neu dabei sind Insight Partners aus den USA. Es gibt also viel Geld, das für schnelles Wachstum genutzt werden kann. Drei Filialen gibt es auch schon in München, Hamburg ist als nächster Standort geplant.

Ob das Unternehmen mit seinem Konzept aktuell Gewinne machen kann, beantwortet es auf Nachfrage nicht.

Sorge um Vielfalt im Kiez

Für Reichel bleibt ein ungutes Gefühl: “Es frustriert, dass da so viel Geld reingesteckt wird, sodass wir alle gar nicht mithalten können.”

In der Rösterei steht Philipp Reichel derzeit für eine Charge von zehn Kilo Kaffee noch etwa 15 Minuten an der Rösttrommel. KI-gesteuerte Maschinen könnten das längst automatisch. “Das soll nicht pathetisch klingeln, aber für uns steht immer noch das Handwerk im Mittelpunkt”, sagt Reichel. Er befürchtet, dass LAP Coffee bestehenden Cafés Laufkundschaft abwirbt: “Ich denke, dass LAP Coffee in den nächsten Jahren immer präsenter wird und viele Läden verdrängen wird.”

LAP Coffee teilt auf Anfrage mit, man verstehe sich nicht als Konkurrenz, sondern als Ergänzung: ein Angebot für Menschen, die bislang selten Kaffee außer Haus trinken. Ein Interview wollte das Unternehmen nicht geben.

Wandel in der Kaffee-Szene?

Das LAP-Konzept treffe einen Nerv, sagt Reichel – in einer Gesellschaft, die sich schnell verändert und sensibler auf Preise reagiert. Für ihn sei das aber nicht nur eine Bedrohung, sagt er: “Es ist auch ein Weckruf. Wir müssen schauen, wie wir unsere Prozesse effizienter und digitaler machen können. Und wie wir unsere Werte besser kommunizieren.” Ob zum Beispiel handgerösteter Kaffee dann noch dazu gehören kann, wird sich zeigen: “Das hat seine Grenzen, wenn es darum geht die Preise für Kunden wirtschaftlich zu halten.”

Sendung: rbb24 Inforadio, 29.07.2025

Beitrag von Tabea Schoser


Back to top button