Berlin

Keine Konsequenzen für Rechtsbruch: Vor dem Gesetz sind Vermieter gleicher | ABC-Z

A ls fast schon revolutionär gilt die Entscheidung einer Kammer des Berliner Landgerichts, im Fall einer vorgetäuschten Eigenbedarfskündigung dem geprellten Alt-Mieter den Gewinn aus der neuen, höheren Miete zuzugestehen. Das Kalkül des Vermieters, aus dem Rechtsbruch Profit zu schlagen, eine Praxis, die in Städten wie Berlin ein Massenphänomen ist, wird damit durchkreuzt – zum ersten Mal überhaupt.

Bislang nämlich lief es so: Ver­mie­te­r:in­nen vertreiben Menschen aus ihrem Zuhause, indem sie ihnen die unbefristeten Mietverträge unter Vortäuschung falscher Tatsachen kündigen – und sie kommen damit immer durch. In den allermeisten Fällen fehlt den betroffenen Mie­te­r:in­nen schlicht die Energie für einen wenig aussichtsreichen Rechtsstreit, oder sie werden mit Vergleichen ruhiggestellt. In seltenen Fällen erkämpfen sie sich einen überschaubaren Schadensersatz.

Die Profite der Ver­mie­te­r:in­nen blieben dagegen stets unangetastet, die für die neuen Mie­te­r:in­nen erhöhte Miete blieb ihr Gewinn für das begangene Unrecht. Vermieter sein heißt Recht brechen, straffrei davonkommen und abkassieren. Das gilt im Fall von Eigenbedarfskündigungen wie auch in allen anderen Fällen von Vermieter-Unrecht. Vor dem Gesetz sind alle gleich? Vermieter sind gleicher.

Auch das neue, gefeierte Urteil, das womöglich nie zur gängigen obersten Rechtsprechung werden wird, ändert bei genauerer Betrachtung kaum etwas an diesem Zustand. Denn das Abtreten des zusätzlichen Mietprofits ist im eigentlichen Sinne keine Strafe. Das Ergebnis des Rechtsbruchs für die Ver­mie­te­r:in­nen ist, dass alles bleibt, wie es war. Welcher Gesetzesbrecher würde sich nach einem solchen Urteil nicht die Finger lecken!

Logik der Nicht-Bestrafung

Die Logik der Nicht-Bestrafung zieht sich für Ver­mie­te­r:in­nen durch. Brechen sie – und das tun sie systematisch – die Mietpreisbremse, erhöhen die Miete bei Wiedervermietung also unzulässig, haben sie nichts zu befürchten. Wehren sich die Mie­te­r:in­nen nicht, streichen sie den betrügerischen Extraprofit ein; wehren sich ihre Opfer, wird die Miete eben wieder auf das zulässige Niveau abgesenkt. Der Versuch ist es wert. Eine Strafe für den begangenen Betrug? Fehlanzeige.

Vermieter:innen, die es mit ihrer Gier bei ihrer Mietforderung noch mehr übertreiben, machen sich des Mietwuchers schuldig – auch das ist kein Einzelphänomen. Der Mietwucherrechner der Linken ermittelte zuletzt in 75 Prozent von 10.000 Berechnungen einen entsprechenden Verdacht. Und was müssen Ver­mie­te­r:in­nen fürchten? Nichts – denn das Recht schützt sie, indem Mie­te­r:in­nen die absurde Aufgabe zukommt nachzuweisen, dass ihr Vermieter die Situation der Knappheit vergleichbarer Wohnungen mutwillig ausgenutzt habe. Verurteilungen gibt es deshalb so gut wie keine.

Die Liste an Beispielen, wie Ver­mie­te­r:in­nen gegen Gesetze verstoßen, ist ellenlang: verbotene Sanierungsmaßnahmen, unerlaubter Leerstand, nicht genehmigte Vermietung als Ferienwohnung, Abzocke mit Möblierung, unbegründete Befristungen, Einbehalten der Kaution, Vernachlässigung von Häusern und Wohnungen oder gar Sabotage, um Mie­te­r:in­nen zu vertreiben.

Vermieter abmahnen

Gang und gäbe ist auch der Betrug mit Nebenkostenabrechnungen. Diese sind massenweise fehlerhaft, fallen aber nie zu niedrig, sondern stets zu hoch aus. Glück haben diejenigen Mieter:innen, die sich wehren können und am Ende nur für ihren tatsächlichen Verbrauch zahlen. Während das Fehlverhalten der Ver­mie­te­r:in­nen folgenlos bleibt, führen schon die kleinsten, auch unbeabsichtigten Fehler von Mie­te­r:in­nen zur Abmahnung bis hin zur Kündigung.

Diese strukturelle Bevorteilung der besitzenden Klasse – vom Gesetzgeber so gewollt und von den meisten Gerichten exekutiert – ist einem rechtsstaatlichen System unwürdig. Wenn Ver­mie­te­r:in­nen fehlerhafte Abrechnungen vorlegen oder Reparaturen hinauszögern, gehören auch sie abgemahnt. Wenn sie Gesetze brechen, gehören sie bestraft.

Wer sich der Vermietung von Wohnraum und damit den Pflichten des Eigentums als unwürdig erweist, muss in Konsequenz auch die freie Hand bei der Vermietung bis hin zum Recht am Eigentum verlieren können.

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