Gaza in Trümmern: Wie kann der Wiederaufbau gelingen? | ABC-Z

Mit dem Waffenruhe-Abkommen zwischen Israel und der Hamas vom 10. Oktober ist der Krieg, der mit den Terrorangriffen der Hamas am 7. Oktober 2023 ausgelöst wurde, vorerst weitgehend zum Ruhen gekommen. Doch in den vergangenen zwei Jahren hat die israelische Armee Gaza aus der Luft und zu Boden angegriffen, immer wieder Evakuierungen angeordnet und die Bevölkerung wiederholt vertrieben. Mehr als 68.000 Menschen wurden nach Angaben des Hamas-geführten Gesundheitsministeriums getötet, doch nach Schätzungen von Forschern könnte die Opferzahl signifikant höher sein.
Das minimiert die Mittel zur Selbstversorgung in Gaza auch auf absehbare Zukunft. Die Bevölkerung bleibt nahezu komplett von humanitärer Hilfe abhängig.
Nach Inkrafttreten der Waffenruhe haben die Vereinten Nationen einen 60-Tage-Plan vorgestellt, um die Bevölkerung mit dem Allernötigsten zu versorgen. Doch der scheint angesichts der anhaltenden Beschränkungen unrealistisch. Laut Waffenruhe-Abkommen sollten 600 Lastwagen pro Tag zugelassen und der Grenzübergang in Rafah geöffnet werden. Die Lieferungen enthalten ein Mindestmaß an Nahrung, um die Hungersnot abzuwenden, ebenso Zelte für den Winter, medizinische Notversorgung, Treibstoff und essenzielles Gerät zur Instandsetzung notdürftiger Wasser-, Sanitär- und Hygiene-Infrastruktur. Derzeit erreichen etwa 300 Lastwagen am Tag Gaza, der Grenzübergang in Rafah bleibt bis auf Weiteres geschlossen. „Die Lage ist instabil, und es ist sehr schwer abzuschätzen, wie lange es überhaupt dauern wird, die Bevölkerung mit dem Notwendigsten zu versorgen“, sagt Sarah Davies, Sprecherin des Internationalen Komitees vom Roten Kreuz in Jerusalem.
Nach der Waffenruhe: Ein Lastwagen mit humanitärer Hilfe in Khan Yunis.Foto: dpa
Die große Herausforderung, das sagen sämtliche Gesprächspartner der F.A.Z., sei nicht nur das beispiellose Ausmaß der Zerstörung, sondern auch die anhaltende humanitäre Katastrophe in Gaza. Alles müsse gleichzeitig adressiert werden. Der Wiederaufbau der Wirtschaft und des Bildungssektors liegt noch in weiter Ferne. Was in Gaza passiert, hänge nicht nur von internationalen Organisationen und der internationalen Gemeinschaft ab, sondern vor allem vom Zugang und dem politischen Willen der Konfliktparteien.
Bis auf Donald Trumps 20-Punkte-Plan, der vieles im Unklaren lässt und dessen Realisierung viele Experten anzweifeln, gibt es jedoch derzeit keinen Plan für Gaza. Es ist nicht klar, wie weit Teile der Hamas integriert werden können oder müssen, welche Rolle die Palästinensische Autonomiebehörde und andere lokale Parteien spielen. Aus anderen Konflikten ist bekannt, dass ohne die Einbindung lokaler Akteure keine nachhaltige Entwicklung gewährleistet werden kann.
Die Palästinensische Autonomiebehörde hat Mitte Oktober Diplomaten in Ramallah einen von der Europäischen Union, den Vereinten Nationen und der Weltbank unterstützten Fünfjahresplan zum Wiederaufbau Gazas vorgestellt. Die Behörde wird zwar von der internationalen Gemeinschaft und den arabischen Nachbarländern unterstützt, ist jedoch in der palästinensischen Bevölkerung äußerst unbeliebt, wie sich in Umfragen immer wieder zeigt.
Ägypten, die Türkei und die Golfstaaten haben eine Beteiligung signalisiert, ebenso die Europäische Union. Die US-Amerikaner haben zunächst das Zivil-Militärischen Koordinationszentrum (Civil Military Coordination Centre – CMCC) etabliert, um die internationale Beteiligung auszuarbeiten und die Waffenruhe zu beobachten. Langfristig soll es sich auch mit Fragen der Stabilisierung, der Verwaltung und des Wiederaufbaus beschäftigen. Zudem sollen weitere, drängende Punkte bei Konferenzen in Ägypten und Europa im November geklärt werden.
Nach ersten Schätzungen der Vereinten Nationen wird der Wiederaufbau über die nächsten fünf Jahre mindestens 70 bis 80 Milliarden Dollar kosten. Währenddessen bleibt die Situation im Gazastreifen volatil. In manchen Gebieten zeigt sich die Hamas wieder und liefert sich Gefechte mit lokalen, teils von Israel bewaffneten Milizen. Für die Zivilbevölkerung bleibt ein Zustand ohne Recht und Ordnung. Bereits in der ersten Woche nach dem Waffenstillstandsabkommen warfen sich die Hamas und Israel gegenseitige Brüche vor, Teile Gazas werden weiterhin bombardiert. Viele der im Abkommen vereinbarten Punkte, etwa die Öffnung Rafahs, wurden bislang nicht erfüllt, die Rückführung aller getöteten Geiseln bislang nicht abgeschlossen. Der Internationale Gerichtshof in Den Haag forderte Israel gerade erst dazu auf, die grundlegende Versorgung der Zivilbevölkerung in Gaza zu gewährleisten.
Quellen und Methodik
Seit dem 7. Oktober 2023 dürfen Journalisten den Gazastreifen nicht betreten. Die F.A.Z. hat mit mehreren Nothilfeorganisationen vor Ort gesprochen, um sich ein Bild zu machen.
Für die Karten wurden Dutzende Quellen herangezogen.
Die Satellitenbilder stammen von Planet Labs und wurden im Zeitraum von 3. bis 16. Oktober 2025 aufgenommen. Die Vergleichsbilder wurden vor dem 7. Oktober 2023 aufgenommen.
Die Sperrgebiete ergeben sich aus den wöchentlichen Reported Impact Snapshots von den Vereinten Nationen (OCHA) und wurden vervollständigt durch offizielle Evakuierungsanordnungen der IDF auf der Plattform X (Stand 7. Oktober 2025).
Die Karte der zerstörten Gebiete zeigt den Anteil der Gebäude, die mit hoher Wahrscheinlichkeit zerstört oder schwer beschädigt wurden. Sie basiert auf zwei Auswertungen von UNOSAT vom 7. Oktober 2025 (Bezirk Gaza-Stadt) und 5. August 2025 (gesamter Gazastreifen).
Die Karte der Schuttmengen basiert auf einer Auswertung des United Nations Environment Programme vom 8. Juli 2025. Sie ist ergänzt durch Informationen der UNDP und Ärzte ohne Grenzen.
Die Daten für Elektrizität und WASH kommen von diplomatischen Vertretungen in Jerusalem, dem WASH Cluster der UN sowie der israelischen Organisation Gisha.
Die Daten zu den medizinischen Einrichtungen stammen aus dem Health Service Points Dashboard der Weltgesundheitsorganisation (WHO) und wurden durch Recherchen der F.A.Z. vervollständigt (Stand 28.10.2025).
Die Karte der verwüsteten Agrarflächen basiert auf einer Auswertung von UNOSAT vom 29. September 2024. Weitere Informationen zur Landwirtschaft stammen von FOA, UNCTAD und Gisha.





















