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Katastrophale Zustände im Kleintierhaus des Freisinger Tierschutzvereins – Freising | ABC-Z

Das ganze Dilemma für die Tiere zeigt sich in dem kleinen Raum, in dem die Ratten und die Degus untergebracht sind. Die beiden Käfige müssen mit Handtüchern als Sichtschutz abgehängt werden, denn die Ratten sind nachtaktive Raubtiere und die Degus – nun ja – Opfer, die eher tagsüber munter sind. Weil solche Wohngemeinschaften zwangsläufig Stress für die Tiere mit sich bringen, werden diese normalerweise in getrennten Zimmern untergebracht. Aber normal ist im Kleintierhaus des Freisinger Tierschutzvereins aktuell eher gar nichts.

Das Dilemma für die Menschen zeigt sich nebenan, in der etwa zehn Quadratmeter großen „Zentrale“ der Station, die ursprünglich einmal ein reines Wohnhaus war. Der Raum ist Futterküche, Personalküche, Büro, Empfangsraum, Kassenstation, Umkleide und Medizinstation in einem. Tageslicht ist zumeist Fehlanzeige, die Regale quellen über. Medikamente, Futter, Handtücher und Laken, Putzmittel und Unterlagen werden hier aufbewahrt, durch eine Terrassentür geht es hinaus zu den bis auf den letzten Platz besetzten Auslaufgehegen der Kaninchen.

Seit Jahren schon ist die gerade einmal 65 Quadratmeter große Kleintierstation des Freisinger Tierschutzvereins neben dem Wertstoffhof an der Parkstraße überfüllt, doch so extrem wie zuletzt war es selten. Die Tendenz ist seit Jahren steigend, im Moment ist es wieder besonders schlimm – Urlaubszeit halt, sagt Melanie Schönberger achselzuckend, da sind die vorher „geliebten“ Tiere dann im Weg, die Abgabe im Freisinger Tierheim löst das Problem: 805 Mal allein im Jahr 2024, Hunde und Katzen eingeschlossen.

Dieser Wegwerfmentalität geschuldet, leben im Kleintierhaus neben den acht Ratten und drei Degus aktuell 13 Kaninchen, zwei Meerschweinchen und zwei Rennmäuse, sechs weitere Kaninchen hat Schönberger gerade bei sich Zuhause. Kleintiere könnten überall ganz einfach gekauft werden, meist müsse es schnell gehen, sagt sie. Doch wenn die neuen Besitzer dann nach drei Wochen feststellten, dass Kaninchen oder Meerschweinchen auch Bedürfnisse haben, „dann werden sie halt ins Tierheim gebracht“.

Verstehen kann man das nur schwer. Zwei der Degus zum Beispiel sind sehr zutraulich. Für Schönberger heißt das, dass sich jemand zuvor intensiv mit den Tieren beschäftigt haben muss, sie müssen demjenigen nah gewesen sein. „Trotzdem müssen auch sie dann plötzlich weg“, sagt sie kopfschüttelnd.

Sehr zutraulich sind die Degus, die derzeit in dem Kleintierhaus leben. Ihr Käfig allerdings steht eigentlich zu nah an dem der Ratten. (Foto: Marco Einfeldt)

Oft wird bei der Abgabe allerdings auch klar, dass das Leben der Kaninchen, Meerschweinchen bei den jeweiligen Besitzern nicht immer auch ein schönes war. Nur zu oft saßen die bewegungsfreudigen Tiere tagein, tagaus in einem zu engen Käfig, noch dazu allein, obwohl die Einzelhaltung der sozialen Tiere sogar gesetzlich verboten ist. Beim Freisinger Tierschutzverein sei man dazu übergegangen, Kaninchen bevorzugt in Dreiergruppen zu halten und auch zu vermitteln, erzählt Schönberger – einfacher wird es dadurch natürlich nicht.

Mit der Zahl der Abgabetiere ist zudem die Zahl der Problemfälle gestiegen – überproportional hauptsächlich bei den Kaninchen. Immer öfter ist auch eine medizinische Versorgung erforderlich. Viele der Kleintiere hätten Zahnprobleme, so Schönberger. Das liege zum Teil am Futter, weil Kaninchen keine Getreidepellets fressen sollten, sondern „stinknormales Gras“, das sie mit ihren Zähnen zermahlen können. Teilweise spiele aber auch eine Rolle, dass es die aus der Hundewelt von Mops und Co. bekannten Qualzuchten etwa auch bei Kaninchen gebe.

Auch bei Kaninchen gibt es Qualzuchten. Bei dem  extra „niedlich“ gezüchteten Kopf ist der Kiefer  dann teilweise zu klein für die Zähne.
Auch bei Kaninchen gibt es Qualzuchten. Bei dem  extra „niedlich“ gezüchteten Kopf ist der Kiefer  dann teilweise zu klein für die Zähne. (Foto: Marco Einfeldt)

Klein gezüchtete Köpfe mit hängenden Ohren und großen Augen würden von den Käuferinnen und Käufern als süß empfunden. Dass dann oft die Zähne nicht mehr in den Kiefer passen, ist die grausame Nebenwirkung. Und weil Abhilfe auch teuer ist, ist schnell ein weiterer Abgabegrund benannt: „Produktion und Verkauf von Tieren bringt Geld, die Reparatur kostet Geld“, fasst Schönberger zusammen, aber: „Der Mensch ist, wie er ist.“ Sie würde sich deshalb vom Gesetzgeber strengere Regeln wünschen.

Doch trotz alledem ist die Arbeit im Kleintierhaus für Melanie Schönberger, die zuvor Lehramt und Personalmanagement studiert hat, „der schönste Job, den ich je gemacht habe, das ist eine Herzensangelegenheit“. Sie kenne zu jedem Tier die Geschichte, rette zusammen mit ihrem Team Leben und freue sich zu sehen, wie positiv sich ihre Schützlinge dann unter ihrer Obhut entwickelten.

Zumindest der erste Bauabschnitt des neuen Kleintierhauses kann finanziert werden

Und: Es gibt Licht am Ende des Tunnels. Nach langen Jahren der Mängelverwaltung stehen die Pläne für das neue Kleintierhaus, das auf dem Grundstück des Tierheims bei Mintraching gebaut werden soll. Der Quarantänebereich für Katzen ist dort gerade fertiggestellt worden und dank einer Erbschaft ist jetzt auch das Geld für den ersten Bauabschnitt des neuen Kleintierhauses da. Fast eine Million Euro wird der Bau insgesamt kosten, etwa 300 000 davon schießt der Freistaat zu, zur Überbrückung allerdings muss vom Verein ein Kredit aufgenommen werden.

Melanie Schönberger in der „Zentrale“ der Kleintierstation, die Futterküche, Personalküche, Büro, Empfangsraum, Kassenstation, Umkleide und Medizinstation in einem ist.
Melanie Schönberger in der „Zentrale“ der Kleintierstation, die Futterküche, Personalküche, Büro, Empfangsraum, Kassenstation, Umkleide und Medizinstation in einem ist. (Foto: Marco Einfeldt)

Schon der Blick auf das Pappmodell in dem überfüllten Mehrzweckraum der alten Station lässt Melanie Schönbergers Augen leuchten. In der Realität wurde die Bodenplatte gerade gegossen, viel Platz sollen die Meerschweinchen und Kaninchen in dem neuen Gebäude haben. Sie sollen rund um die Uhr nach draußen können – und die tag- und nachtaktiven Tiere können endlich getrennt werden.

Das Pappmodell des neuen Kleintierhauses kann in der alten Station schon einmal angeschaut werden.
Das Pappmodell des neuen Kleintierhauses kann in der alten Station schon einmal angeschaut werden. (Foto: Marco Einfeldt)

Im März 2026 soll der erste Bauabschnitt fertig sein – und bis dahin hofft der Tierschutzverein auch die noch gut 350 000 Euro für den Weiterbau aufgetrieben zu haben. Eine Tierpflegerwohnung soll im ersten Stock des Kleintierhauses integriert werden, endlich, denn die oft kranken Tiere müssen auch nachts versorgt werden. „Ein krankes Kaninchen muss manchmal nachts alle drei Stunden gepäppelt werden, sonst stirbt es“, sagt Schönberger: „Im Moment müssen wir die halt mit nach Hause nehmen.“

Damit all das zeitnah besser wird und der Tierschutzverein auch den Kleintieren endlich die richtige Haltung ermöglichen kann, hofft man nun wieder auf Spenden, Sponsoren und Erbschaften. Denn andere Geldquellen hat der Verein trotz aller öffentlichen Aufgaben, die er im Tierschutzbereich übernimmt, nicht. Jeder Euro zählt, wirbt auch Schönberger, die zusammen mit ihren Kolleginnen mit bestem Beispiel vorangeht: In eine eigens dafür aufgestellte Box, kommt derzeit jeder Euro, jeder Cent, „den wir unerwartet übrig haben. Wir wollen einen Zwinger in der neuen Station finanzieren.“

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