Berlin

Mütter beim Tanzen: Pinke Glitzerherzen und einstimmiges „Wuuuhu“ | ABC-Z

U m 20 Uhr ist die Tanzfläche schon so voll, dass man sich durch die Menge quetschen muss, um zur Toilette zu kommen. Der DJ spielt Lieder wie „Girls just wanna have fun“ oder „Murder on the dancefloor“, eine Discokugel und pinke Strahler sprenkeln den Raum mit Partylaune. Auffällig ist, dass hier nur Frauen tanzen. Mehr noch: Die meisten von ihnen sind Mamas.

Sie alle haben sich an diesem Abend Tickets für „Mamagehttanzen“ im Fluxbau Berlin, einem zweistöckigen Musikclub inklusive Terrasse mit Spreeblick, geholt. Am Eingang stehen Shots mit und ohne Alkohol bereit, und als Goodie können sich die Besucherinnen ein Pixiebuch mitnehmen. Einlass war um 18.30, Punkt 22 Uhr wird die Party vorbei sein. Dass Frauen die Veranstaltung organisieren, wird spätestens auf dem Klo sichtbar. „Schön, dass du da bist“ und „Tolles Lächeln“ steht dort auf dem Spiegel.

Erfunden haben die Party­reihe Andrea und Anna, zwei Mamas aus Wuppertal. Im Dezember 2022 wollten die beiden mal wieder tanzen gehen, allerdings fanden sie keine Party, die vor 23 Uhr begann. „Erst um 1 Uhr nachts in den Club gehen, war für uns undenkbar“, schreiben sie auf ihrer Website. „Wo wir doch schon immer gerne früh weggegangen sind.“ Die Nachfrage war so groß, dass es die „After-Care-Partys“ außer in Deutschland mittlerweile auch in Österreich, der Schweiz, Schweden und Frankreich gibt.

Julia Wolf, die selbst zwei Kinder hat, hat „Mamagehttanzen“ nach Berlin gebracht. „Als Mutter ist man gerade am Anfang schon ein bisschen einsam“, sagt sie, „da ist es total toll, mal wieder ein Datum zu haben, an dem man sich mit seinen Mädels trifft.“ Einmal im Monat findet die Veranstaltung in Berlin statt, Wolf organisiert alles in ihrer Elternzeit.

Mamageht­tanzen

gibt es mittlerweile nicht nur in vielen deutschen Städten, sondern mit Mamansort­danser auch in Frankreich, Mamagoes­dancing in Schweden und Mamagaatdansen in den Niederlanden. Die nächste Tanzrunde in Berlin ist am 11. Oktober.

Das Outfit spielt an der Tür keine Rolle

Draußen auf der Terrasse machen viele Mamas Fotos von der Sonne, die in der Spree verschwindet. Auf dem Wasser fahren Boote, vereinzelt wird im Außenbereich geraucht. Zwei Frauen tragen Glitzerkleider, eine andere eine Jeansjacke mit der Aufschrift „Mädelsabend“ und drei Herzen in pinkem Glitzer. Als der DJ drinnen „Single Ladies“ spielt, ertönt ein einstimmiges „Wuuuhu“, manche werfen die Arme erfreut in die Luft.

Einen Dresscode gebe es nicht bei der Party, niemand müsse befürchten, wegen der Kleidung nicht reingelassen zu werden. „Bei mir erscheinen die Frauen in Turnschuhen und Hoodie, aber auch in Highheels und Kleid“, sagt Wolf. Jede ist willkommen, egal ob in der Gruppe oder allein, egal ob alt oder jung. Julia Wolf berichtet, dass in der Regel um die 70 Prozent Mamas kommen und 30 Prozent Freundinnen ohne Kinder.

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Die 59-jährige Carola Purtscher war in Wien schon mal bei der Veranstaltung und berichtet begeistert: „Das war irrsinnig lustig, eine Riesendisco voll nur mit Frauen. Das war ein tolles Gefühl.“ An diesem Abend ist sie gemeinsam mit ihrer Tochter Maria (31) gekommen, die schon länger in Berlin lebt und selbst im achten Monat schwanger ist. „Die Mama tanzt immer viel auf Familienfeiern, aber im Club waren wir noch nie zusammen“, sagt Maria. Sie findet besonders toll, dass nur Frauen da sind und sie keine Angst vor unangenehmen Männern haben muss.

Damit ist sie nicht allein. Auch Veranstalterin Julia Wolf sagt, dass die Stimmung ohne Männer anders ist. „Das Miteinander ist dadurch einfach auch sehr schön, es gibt keine blöden Blicke und alle gehen super wertschätzend miteinander um.“ Viele Besucherinnen würden sich hinterher bei ihr bedanken, erzählt sie, manchmal mit Blumen, oft mit Umarmungen.

Auch Anniko und Anne gefällt das Konzept von „Mamagehttanzen“. Sie kennen sich über ihre gemeinsame Hebamme, beide haben ein dreijähriges Kind. „Ich finde das gut als Einführung nur unter Frauen, nach so langer Zeit“, sagt die 30-jährige Anniko. Sie wollen bis zum Ende bleiben, wenn danach der Club für alle aufmacht, „sind wir weg“, sagt Anne, die zehn Jahre älter ist. „Vielleicht, wir gucken mal“, schiebt Anniko lachend hinterher. Aber ganz egal, wie es weitergeht – diese Nacht gehört nur ihnen.

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