Landwirt noch immer vermisst – „Ich kannte ihn seit Kindstagen“ | ABC-Z

Blatten. Am Mittwoch begrub eine Mure das Dorf Blatten. So langsam atmet das Lötschental auf. Doch die menschlichen Tragödien bleiben.
Wenigstens eine gute Nachricht erreicht die Einwohner des Lötschentals: Nach dem Bergsturz von Blatten werden die Gemeinden talabwärts wohl vorerst verschont bleiben. Groß war die Sorge, dass die aufgestauten Wassermassen sich mit einer gigantischen Flutwelle über das Schweizer Tal ergießen.
Das war auch die größte Angst von Hans-Anton Tannast. Der Bauer poliert am Ortsausgang von Wiler seine Autofelgen. Drei Tage nach dem Bergsturz scheint hier die Welt bei sommerlichem Alpenpanorama auf den ersten Blick in Ordnung. Wäre da nicht der Rettungshubschrauber, der nur wenige hundert Meter pausenlos abhebt, um die Geröllmassen zu kontrollieren.
Bauer Hans-Anton Tannast. Im Hintergrund ist das Nesthorn zu sehen, hinter dem sich am Mittwoch die gewaltige Mure löste.
© Daniel Weidmann | Daniel Weidmann
„Es hat sich angefühlt wie ein Erdbeben“, so Tannast, der sich zum Zeitpunkt des Unglücks in der letzten verschonten Ortschaft aufhielt. Eine „wahnsinnige Spannung“ habe zuvor in der Luft gelegen. „Dann hat der Boden gezittert“, so der Bauer. Vor den Geröllmassen selbst hatte er keine Angst – wohl aber vor dem Wasser, das die Dörfer bedrohte.
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Die Leute aus Wiler betonen im Gespräch mit dieser Redaktion stets, dass sie nicht die Leidtragenden der Katastrophe sind. Schließlich habe Tannast „nur“ eine Wiese verloren. Er erzählt aber von einem Bekannten, der kurz vor dem Bergrutsch noch 50 Schafe talabwärts treiben musste. Zwar blieben die Bewohner von Blatten dank des Warnsystems weitestgehend verschont. Ihre Existenz allerdings liegt unter Tonnen an Schuttmassen begraben.
Der Morgen im Schweizer Lötschental: Die Lage ist grundsätzlich positiv, sagte mir der Leiter des Informationsstabs. Nach dem Bergsturz in Blatten wuchs zuletzt die Sorge vor einer Flutwelle. Auch am Samstagmorgen kreist ein Hubschrauber über dem Tal. @FunkeBerlin @morgenpost pic.twitter.com/VXkZlwHNmX
— Daniel Weidmann (@da_weidmann) 31. Mai 2025
Ein Mensch aber wird noch immer vermisst. Ein älterer Herr, der seinen Namen nicht nennen möchte, erzählt, dass es sich um einen im Tal bekannten Schafsbauern handeln soll. Auch andere Medien berichteten darüber. Staatsanwaltschaft und Polizei bestätigten, dass es sich um einen 64-jährigen Landwirt handelt.
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Er kannte ihn gut, erzählt der 82-Jährige. Bereits zum zweiten Mal kommt er zur Absperrung, blickt auf die schlammigen Geröllmassen. „Er ist etwas jünger als ich, deswegen habe ich ihn seit Kindestagen gekannt.“ Es sei vermessen zu sagen, ob noch Hoffnung bestehe. „Wenn er Pech gehabt hat, dann ist er erstickt. Dann ist er von den Steinmassen erdrückt worden.“
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Doch der gebrechliche Mann, der sich die lange Straße mit zum Ortsausgang hochgeschleppt hat, hegt die leise Hoffnung, dass der Vermisste längst an einem anderen Ort ist, um das Elend des Tals nicht mit anzusehen. Inwieweit das realistisch ist, bleibt drei Tage nach dem Unglück fraglich. In einem Restaurant, in dem Angehörige des Vermissten arbeiten sollen, brennt eine Kerze. Reden möchte dort niemand. Ob die Anwesenden tatsächlich mit dem Schafsbauern verwand sind, ist nicht bestätigt.
Derweilen blicken Bauer Tannast und der 82-jährige Mann immer wieder talaufwärts. Hinter dem Nesthorn, ist Staub zu sehen. Von dort aus schieben sich die Gesteinsmassen ins Tal. Kleinere Lawinen sei man hier gewöhnt, erklärt ein Passant. Mit Spannung wird nun erwartet, ob der natürliche Schuttkegel dem Wasser-, Eis- und Schlammdruck weiter standhält. Denn bereits für Sonntag ist wieder Regen angesagt. Inwieweit sich die Situation in den nächsten Tagen möglicherweise verschlechtert, darüber konnte der Informationschef des Führungsstabs Lötschental zunächst keine Angaben machen.