Wirtschaft

Kann die Union das transatlantische Verhältnis kleistern? | ABC-Z

Gut einen Monat nach der Amtseinführung von Donald Trump ist für Europa wenig, wie es vorher war. Sowohl der amerikanische Präsident als auch sein Vize J.D. Vance haben deutlich gemacht, dass sich die Europäer nicht mehr auf den Schutzschild der Amerikaner verlassen können. Die EU wird Russlands Präsident Wladimir Putin künftig vor allem aus eigener Kraft auf Abstand halten und dafür erheblich aufrüsten müssen. Aber nicht nur in der Sicherheitspolitik vollzieht sich ein „Epochenbruch“, wie es der frühere Leiter der Münchner Sicherheitskonferenz, Wolfgang Ischinger, formuliert. Auch die von Trump angekündigten höheren Zölle sind für Deutschland gefährlich. Jeder vierte Arbeitsplatz hierzulande hängt am Export. Und im vergangenen Jahr war nicht mehr China der wichtigste Handelspartner Deutschlands, sondern die Vereinigten Staaten.

In Berlin richten sich die Blicke nun besonders auf die CDU und den, sofern die Umfragen nicht trügen, voraussichtlich nächsten Bundeskanzler Friedrich Merz. Kann die Partei, die seit Konrad Adenauers Politik der Westbindung als Hort der Transatlantiker gilt, die Beziehungen verbessern? Auf der Münchner Sicherheitskonferenz sprachen Vance und Merz zumindest schon mal miteinander. Ein Gespräch mit Noch-Bundeskanzler Olaf Scholz (SPD) gab es hingegen nicht.

Bei dem Gespräch dabei war Jens Spahn, der für Wirtschaft zuständige Fraktionsvize der Union und Anwärter auf ein Ministeramt oder den Fraktionsvorsitz in einer Merz-Regierung. Spahn ist überzeugt, dass das transatlantische Verhältnis keineswegs am Ende ist – wenn man miteinander redet. „Ob es uns gefällt oder nicht: Trump will Deals, und es ist in unserem Interesse, ihm Angebote zu machen. Zum Beispiel eine große Summe für Waffenkäufe in Amerika ins Schaufenster stellen. Oder Strafzahlungen von Techkonzernen fallen lassen, wenn im Gegenzug die Zölle fallen. Oder auch: gemeinsam härter gegenüber China auftreten“, sagt Spahn im Gespräch mit der F.A.Z. Die Rede von Vance auf der Münchner Sicherheitskonferenz hat ihn nicht so schockiert wie viele andere in Deutschland. „Man kann sich über den Tonfall der Rede von Vance ärgern. Aber wenn er sagt, dass sich Europa mit seiner Migrationspolitik selbst schwächt, hat er einen Punkt.“

Spahn pflegt seit Jahren Kontakte zu Republikanern

Spahn ist jemand, der schon seit vielen Jahren die Kontakte zu Republikanern pflegt. Ihm wird unter anderem ein gutes Verhältnis zu Richard Grenell nachgesagt, einst amerikanischer Botschafter in Berlin, als Spahn Gesundheitsminister war. Trump hat Grenell zwar nicht zum Außenminister gemacht, wie zeitweise spekuliert wurde. Als Sondergesandter für internationale Krisenherde ist er aber auch nicht unwichtig. Auf Donald Trumps rechte Hand Elon Musk hielt Spahn im Jahr 2020 in Berlin die Laudatio, als der Unternehmer eine Auszeichnung für seinen Erfindergeist erhielt. Den Techmilliardär Peter Thiel, ebenfalls ein Trump-Vertrauter, empfing Spahn schon 2016 im Bundesfinanzministerium, als der CDU-Politiker dort Parlamentarischer Staatssekretär war.

Im vergangenen Sommer reiste Spahn zum Parteitag der Republikaner nach Milwaukee. Dass er sich dort anerkennend über Trump und Vance äußerte, die gemeinsamen Interessen hervorhob, sorgte in Deutschland für Irritationen. Besonders groß war die Empörung in den Reihen von SPD und Grünen. Dort hoffte man bis zuletzt auf einen Sieg der Demokratin Kamala Harris. Aber auch mancher Parteikollege empfand Spahns Äußerungen als zu anbiedernd. Den Kritisierten störte das wenig. Spahn hatte die Rückendeckung von Merz. Auch andere CDU-Politiker sondierten auf Geheiß des Parteichefs im vergangenen Jahr schon mal die Lage vor Ort.

„Entscheidend für gute Kontakte sind nicht so sehr die formalen Ämter“, sagt Spahn. „Peter Thiel zum Beispiel hat keine offizielle Rolle in der Trump-Regierung, aber trotzdem viel Einfluss.“ Spahn rät auch dazu, die Wirtschaft ins Netzwerken einzubinden. „Ideal wäre, wenn sich die 30 oder 50 Manager aus Deutschland, die beste Kontakte in die USA haben, miteinander und mit der Politik abstimmen würden. Die Initiative dazu sollte von der Politik, am besten dem Kanzleramt ausgehen.“

„Es hilft nicht, auf bessere Zeiten zu warten“

Ein anderer CDU-Politiker, der schon lange Kontaktpflege betreibt, ist Peter Beyer. Er ist der Berichterstatter für die transatlantischen Beziehungen in der Unionsfraktion. Wie es dazu kam, empfindet er im Rückblick als bemerkenswert. „Als ich 2009 zum ersten Mal in den Bundestag kam, wurde in der Fraktion der Globus aufgeteilt. Berichterstatter für die USA wollte keiner werden“, erinnert sich Beyer. „Viel zu langweilig, das läuft von allein, hieß es damals. Begehrt war vor allem Asien.“ Nur deshalb sei er als bundespolitischer Neuling überhaupt in diese Rolle gekommen.

Zwischen 2018 und 2022 war Beyer Transatlantikkoordinator der Bundesregierung. Seine Lehre aus dem ersten „Trump-Schock“, wie er ihn nennt: „Es hilft nicht, auf bessere Zeiten zu warten, man muss einen intensiven Austausch pflegen.“ Die Republikaner seien offen für Gespräche, auch jetzt. „Jemand wie Jim Risch aus dem Senat kommt zwar forsch rüber, aber ich habe ihn immer als interessiert und fair empfunden.“ Dass man mit ihm gut über deutschen Fußball reden könne, mache den Einstieg in Gespräche einfacher. Risch ist Vorsitzender des Auswärtigen Ausschusses im Senat. „Wichtig ist auch ein guter Draht zu Leuten, die nicht direkt in der Regierung sind, etwa Trumps ehemaliger Wahlkampfberater Bryan Lanza“, sagt Beyer. Lanza ist Partner der auf Politikberatung spezialisierten Beratungsgesellschaft Mercury. Interessant wird, was die Union im Fall eines Wahlsiegs mit dem Botschafterposten in Washington macht. Dort sitzt aktuell der den Grünen nahestehende Andreas Michaelis, der mit für einen Diplomaten ungewöhnlich deutlichen Worten vor Trump gewarnt hat.

Die Münchner Sicherheitskonferenz bezeichnet Peter Beyer als „Zäsur“. Er sagt aber auch: „Das transatlantische Bündnis ist nach wie vor stark.“ Friedrich Merz habe nicht zuletzt aus seiner Zeit als Chef der Atlantikbrücke „gute, belastbare Kontakte“. Wie Spahn mahnt auch Beyer, nicht sofort in eine Abwehrhaltung zu gehen, wenn Trump oder seine Leute etwas sagen. „Mit einigen Punkten wie der Kritik an Nord Stream 2 und an Huawei im 5-G-Netz hatte Trump in seiner ersten Amtszeit ja auch recht.“ Doch die damalige Kanzlerin Angela Merkel wollte weder Deutschlands Hauptgaslieferant Russland noch den so wichtigen Handelspartner China verprellen.

Auch bei Spahn klingt Kritik an Merkel durch: „Im ersten Handelskonflikt 2018 hat sich die Bundesregierung hinter der EU-Kommission versteckt. Nach dem Motto: Wir sind nicht zuständig, sollen die mal machen. Aber so macht man bei Trump keinen Eindruck.“ Dass nach Trumps Wahlsieg im November zunächst nur Italiens Ministerpräsidentin Giorgia Meloni in die Vereinigten Staaten reiste, um ihn und seinen Stab zu treffen, hält Spahn für einen „großen Fehler“. Erst jetzt, nach dem Schock der Sicherheitskonferenz, setzt sich der Reisetross in Gang. Sowohl Frankreichs Präsident Emmanuel Macron als auch Großbritanniens Premier Keir Starmer haben sich in Washington angekündigt. In der Union hofft man darauf, dass Friedrich Merz bald folgen wird – wenn in der Wahl am Sonntag alles so läuft wie erhofft.

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