Kanadas Liberale suchen Trudeau-Nachfolger und Trump-Gegner | ABC-Z

Heute entscheidet sich, wer in Kanada Nachfolger von Trudeau als Parteichef der Liberalen wird. Der oder die Nachfolgerin wird die Partei in die nächste Wahl führen. Die Aussichten, diese zu gewinnen, sind besser geworden – wegen Trump.
Selten war eine Frau aufgrund ihrer bisherigen Regierungserfahrung so gut geeignet für die Doppelrolle als Parteichefin und Premierministerin wie Chrystia Freeland. Die 56-jährige ehemalige Journalistin war bereits Kanadas stellvertretende Premierministerin, Außenministerin, Finanzministerin und Handelsministerin.
Selbstbewusst warb Freeland für sich: „Ich habe die perfekte Kombination aus Erfahrungen, die wir für einen Premierminister in dieser schwierigen Zeit brauchen.“ Zumal es ihrer hartnäckigen Verhandlungsstrategie zu verdanken war, dass 2018 ein neues nordamerikanisches Freihandelsabkommen mit der ersten Trump-Regierung zustande kam.
Sie wisse, wie man sich gegen Donald Trump und den großen Nachbarn im Süden behaupten kann, sagte Freeland im Fernsehduell der vier Kandidaten um den Parteivorsitz der Liberalen. „Trump ist die größte Bedrohung unseres Landes seit dem 2. Weltkrieg. Wenn ich Premierministerin bin, werden wir sofort zurückschlagen, wenn Trump uns schlägt.“
Eine Beschimpfung, die sich auszahlen könnte
Donald Trump hat Freeland eine „giftige Spinnerin“ genannt. Ein Schimpfwort, das angesichts der starken Anti-Trump-Stimmung in Kanada durchaus ein Vorteil für sie sein könnte.
Allerdings haftet ihr auch der Ruf der „Königsmörderin“ an. Denn es war Freeland, die durch ihren Rücktritt vor Weihnachten und ihre scharfe Kritik an Justin Trudeau dessen politisches Ende herbeiführte.
Auch deshalb erwarten politische Beobachter in Kanada, dass nicht Freeland, sondern Mark Carney die meisten Stimmen der liberalen Parteimitglieder bekommt.
Der 59-Jährige war viele Jahre erfolgreicher Bankenmanager. Als Chef der Zentralbank steuerte er Kanada durch die Finanzkrise. Anschließend wurde er als erster Ausländer überhaupt Chef der Zentralbank Großbritanniens. Auch auf der Insel erhielt Carney Bestnoten für seine Arbeit in der turbulenten Brexit-Zeit.
Patriotische Stimmung – wegen Trump
Carney tritt gemäßigter auf als Freeland und kommt in der Gesamtbevölkerung besser an als sie. Dass er nie ein Regierungsamt innehatte, gefällt vor allem unabhängigen Wählern.
Im TV-Duell punktete Carney mit einem Frontalangriff auf den Vorsitzenden der oppositionellen Konservativen Partei, Pierre Poilievre: „Wer ist am schlechtesten geeignet, Donald Trump entgegenzutreten? Es ist Pierre Poilievre. Er betet Trump an und spricht wie Trump. Er ist nicht die richtige Person für unser Land in dieser kritischen Zeit.“
Tatsächlich ist der haushohe Vorsprung in den Umfragen für Poilievre in den vergangenen Wochen wie Schnee in der Frühlingssonne geschmolzen. Der Vorsitzende der Konservativen Partei galt bis vor einigen Wochen noch als der künftige Premierminister Kanadas.
Doch die Liberalen haben Trumps Zollkrieg und seine ständigen Attacken auf Kanada geschickt genutzt. Die patriotische „Team Canada“-Stimmung könnte den Liberalen zum erneuten Wahlsieg verhelfen. Egal ob mit Freeland an der Spitze oder mit Carney.