Kampfgruppe Osthafen: Unbekannte Widerständler | taz.de | ABC-Z

Arbeiter aus Friedrichshain verübten in den letzten Kriegstagen Anschläge auf die SS. Nun wird an sie erinnert.
Über die Kampfgruppe Osthafen findet man in Büchern und Ausstellungen über den antifaschistischen Widerstand wenig. Bekannt ist: Sie setzte sich überwiegend aus Proletarier*innen zusammen, die sich seit Jahrzehnten kannten. Viele arbeiteten im Osthafen an der Stralauer Allee und lebten im Südkiez von Friedrichshain rund um den Rudolfplatz. Hier konzentrierte sich auch im April 1945 ein Großteil ihrer Aktivitäten. Sie entwaffneten SS-Leute, verübten Anschläge gegen SS-Einrichtungen, überredeten Wehrmachtsangehörige zum Desertieren und versteckten sie in einem Keller.
Wieder entdeckt wurde die Gruppe durch zwei Friedrichshainer Stadtteilinitiativen. „Ein Anwohner überreichte uns das Buch „Kampftage in Berlin“ von Heinz Müller“, sagt Timo Steinke von „Wem gehört der Laskerkiez“. Es ist Mitte der 1970er Jahre in der DDR erschienen und eine der wenigen Quellen, die über die Kampfgruppe Osthafen berichtet. Dafür konnte Müller noch Zeitzeug*innen befragen, etwa Gertrud Lewke, die erst Anfang der 1990er Jahre verstorben ist.
„Mit der Gedenkveranstaltung für Paul Schiller wollen wir an einen Antifaschisten erinnern, der im April 1945 den NS-Terror schneller beenden wollte“ sagt Carsten Fuchs von „Wir bleiben alle Friedrichshain“. „Zudem wollen wir dafür sorgen, dass der Widerstand der Kampfgruppe Osthafen endlich auch von Historiker*innen anerkannt wird.“
Mehr Forschung notwendig
Im Buch wird ausführlich über ein Attentat auf drei hochrangige SS-Angehörige Anfang März 1945 auf der Avus berichtet, für das die Kampfgruppe Osthafen verantwortlich gewesen sein soll. Die Aktion hatte damals sogar in der britischen Presse Schlagzeilen gemacht. Dagegen wird in der ZDF-Serie „Mord und Totschlag unterm Hakenkreuz“ der Anschlag als ungeklärter Mordfall geführt.
Auf eine Anfrage erklärt Peter Hartl vom für die Sendung zuständigen Terra X-Team, dass ihnen das Buch und die dortige Version des Anschlags nicht bekannt seien. „Gerne hätten wir mehr Belege und Quellen zu den Aktionen der Gruppe, die sich aber eigentlich nur durch Archive und tiefergehende Recherchen organisieren lassen“, betont Steinke die Notwendigkeit über die Kampfgruppe Osthafen weiter zu forschen.
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