Kaiser-Gefährtin Diana Sandmann exklusiv: Das war der größte Wunsch von Franz Beckenbauer | ABC-Z
München – Wenn sie heimkam, Diana Sandmann kann sich gut erinnern, fand sie manchmal einen Zettel auf dem Küchentisch. Eine Notiz vom Franz. “Bin drüben im Central Park.” Meist schrieb der Franz noch den Standort dazu, sei es am Cedar Hill, beim Wasserfall oder auf der Wiese, westlich vom Pond.
“Dann hab ich eine Brotzeit und die Picknickdecke eingepackt”, sagt sie, “und dann saßen wir oft stundenlang in der Sonne und haben uns die Leute angeschaut. Und wir haben uns am Leben erfreut.”
Sandmann war elf Jahre lang die Frau an Beckenbauers Seite
Wie sie es oft taten, Diana Sandmann und Franz Beckenbauer, in ihren glücklichen Jahren in New York. Zeitsprung in die Gegenwart, ein kalter Nachmittag im Advent 2024. Diana Sandmann kommt pünktlich zur Verabredung ins Café Roma am Einstieg zur Maximilianstraße, mit dabei Polina. Ihre Hundedame, Rasse Bichon Frisé, die während der kommenden drei Stunden brav neben ihr auf der Bank liegen wird.
Anlass des Treffens ist Sandmanns Erinnerung an Franz Beckenbauer, doch bis der Franz ein Thema wird, dauert es lange.
Und schnell wird klar, dass Diana Sandmann nicht reduziert werden möchte auf die Zeit als Lebenspartnerin der Lichtgestalt. Als die Liebe des Kaisers. Ganze elf ihrer 76 Lebensjahre waren sie und der Franz ein Paar, es gibt mehr in ihrem Leben als nur die Phase zwischen 1977 und 1988.
Ex-Frau von Beckenbauer wuchs in Bogenhausen auf
So erzählt Diana Sandmann erst einmal begeistert von einem Erlebnis wenige Wochen zuvor, dem Klassentreffen zum 70-jährigen Jubiläum ihrer Einschulung, Grundschule Gebelestraße. Nebenan wuchs sie auf, Bogenhausen, Holbeinstraße, als Tochter eines Architekten, und als sie 1954 auf die Gebeleschule ging, da kam sie in die einzige Grundschulklasse in ganz München mit Kindern aus gemischten Konfessionen. Katholisch, evangelisch, jüdisch.
Viele Kinder kamen aus der Möhlstraße, nach 1945 Zentrum des jüdischen Lebens in der Stadt. Holocaust-Überlebende betrieben hunderte kleine Läden und so ist die Unterhaltung mit Diana Sandmann zu Beginn mehr ein historischer Exkurs in Nachkriegsmünchner Lokalgeschichte.
Sandmann-Foto mit Bayern-Legende Maier wird Sportfoto des Monats
Schon als Kind, erzählt sie bei einem Teller Maronensuppe, verliebte sie sich in die Malerei, auch Fotografie interessierte sie. 1975 begann sie mit 28 Jahren ein Praktikum bei der Fotoagentur Werek, der erste Einsatz führte sie ins Olympiastadion zu einem Spiel des FC Bayern. Eines ihrer Bilder mit Sepp Maier in Aktion wurde gleich auf Anhieb Sportfoto des Monats.
Mit ihrem Gespür fürs richtige Bild machte sie sich schnell einen Namen. Und auch mit ihrem Durchsetzungsvermögen. Diana Sandmann war die Fotografin, die so lange auf Dettmar Cramer einredete, bis er sich dann doch in der legendären Pose als Napoleon im Olympiastadion verewigen ließ. Das berühmte Kostüm hatte sie sich aus dem Requisitenfundus des Gärtnerplatz-Theaters besorgt.
Sandmann lernte Beckenbauer auf einer Hochzeit von Manager Schwan kennen
Persönlich traf sie Beckenbauer erstmals 1976, auf der Hochzeit von Manager Robert Schwan mit seiner dritten Ehefrau am Wörthsee. Sandmann hatte für die Fotos von Schwan den Exklusiv-Auftrag bekommen, und sie weiß noch, wie Beckenbauer vor einem Obstkorb stand und fragte, ob er sich später einen Pfirsich nehmen könne – und wie sie dann einen Zettel in den Korb legte: “Für den besten Fußballer der Welt.” So kamen sie das erste Mal ins Gespräch – und bald kamen sie sich näher, in einer für Beckenbauer schwierigen Lebensphase.
Die sportliche Misere mit dem FC Bayern. Der Ärger mit dem Fiskus. Dazu die Ehekrise mit Brigitte, seiner ersten Frau. Als ihm Anfang 1977 Cosmos New York einen Dreijahresvertrag samt Gage von 6,5 Millionen Mark anbot, da lockte nicht nur das Geld, wie Sandmann sagt, sondern: “Es war auch die Sehnsucht nach Ruhe.”
Kaiser-Gefährtin: “Sein größter Wunsch war, in München wieder unerkannt mit der Tram zu fahren”
Dass ihn Brigitte auf seinem Umzug nach New York begleitete, war nur zum Schein, die Beziehung war schon am Ende. Bald zog Diana Sandmann nach, erst residierten sie in einem Apartment im 21. Stock des Navarro-Hotels, Central Park South, später auf der Ostseite des Parks, Adresse: 800 5th Avenue.
Für den Franz begannen, wie er selbst sagte, die schönsten Jahre seines Lebens. “Sein größter Wunsch war ja, einmal in München wieder unerkannt mit der Tram zu fahren”, sagt Diana Sandmann. “aber das war ja nicht möglich. Dort in New York aber konnte er abtauchen in der Anonymität. Niemand wollte was von ihm. Und das machte ihn sehr glücklich.”
Nach einigen Tagen gingen sie in einen gut besuchten Schuhladen in Manhattan. Stundenlang habe er dutzende Modelle ausprobiert, ohne nur einmal angesprochen zu werden. Und schon bald waren sie auch in einem Supermarkt. “Der Franz hat ja in München nie selber eingekauft”, erzählt Sandmann, nun aber sei er so begeistert wie überfordert gewesen, dass er das Einkaufswagerl vollgepackt habe bis über den Rand.
Bis ihn Diana Sandmann kurz vor der Kasse fragte: “Franz, und was machma jetzt mit dem ganzen Zeug?” Der Franz schob das Wagerl dann wieder durch die Gänge und räumte das meiste Zeug wieder ins Regal.
Sandmann besuchte in New York eine Kunstschule
Auch für die Künstlerin Diana Sandmann wurde New York zu einer besonderen Erfahrung, in der Heimat ihrer Vorbilder, der abstrakten Expressionisten Jackson Pollock und Willem de Kooning. Sie besuchte eine Kunstschule, nahm Ballettstunden, einer ihrer Nachbarn im Navarro war Rudolf Nurejew. Jener Tänzer, der Beckenbauer bei einem Dinner in Brooklyn einmal eindeutige Avancen machte, bevor der Franz charmant abblockte: “Du, Rudolfo, lass gut sein, ich bin von der anderen Fakultät.”
Diana Sandmann nahm Tennisstunden, dort freundete sie sich mit einer Mariana Simionescu an. Bald verabredeten sie sich zum Essen und brachten ihre jeweiligen Partner mit. So lernte Franz Beckenbauer Marianas späteren Ehemann kennen, Björn Borg. Borg kam noch oft zu Besuch, bei Franz und Diana, und immer wünschte er sich von Sandmann einen Schweinsbraten – auch wenn das sein gestrenger Trainer Lennart Bergelin nie erfahren durfte.
FC Bayern: Beckenbauer “liebte die Oper”
Oft gingen Diana und Franz in die Met. “Auch wenn er fluchte über die stundenlange Sitzerei auf den harten Stühlen”, sagt Sandmann, “der Franz liebte die Oper.” Einmal sahen sie Luciano Pavarotti in der Donizetti-Oper “L’elisir d’amore” mit der ergreifenden Arie “Una furtiva lagrima”. Doch als die beiden Pavarotti danach in der Garderobe besuchten, war es der Star-Tenor, der vor dem Kaiser auf die Knie sank und ehrfürchtig sagte: “Maestro.”
Ein sehr enger Freund wurde Jascha Silberstein, der erste Cellist an der Met. “Der Franz war so tief berührt von seinem Spiel, dass er einmal sagte: ‚Sorg bitte dafür, dass der Jascha auf meiner Beerdigung spielt.'” So weit kam es nicht, Silberstein starb 2008, gut 15 Jahre vor Beckenbauer.
Sandmann: “Wir machten uns immer wieder bewusst, wie privilegiert wir sind”
Im Studio 54, dem weltbekannten Nachtclub, waren Sandmann und Beckenbauer Stammgäste, die Cosmos-Kicker hatten einen festen Tisch für sich und ihre Partnerinnen, sie trafen dort Mick Jagger, Andy Warhol, Liza Minelli. Frank Sinatra sahen sie bei einem Konzert in der Carnegie Hall und saßen zusammen mit Sinatras Familie in einer Box. “Wir machten uns immer wieder bewusst, wie privilegiert wir sind”, sagt Sandmann, “wie surreal das alles eigentlich anmutet.”
Glücklich waren auch die Nachmittage, wenn sie ans Meer an den Jones Beach fuhren, dort seine deutschsprachigen Spezl im Team trafen: den aus Freiburg stammenden Torwart Hubert Birkenmeier und Kapitän Werner Roth, seine Eltern kamen aus dem Banat. Dort spielten sie Karten, tranken Weißbier, aßen Brezen und Leberkäs, Brotzeit aus einem der German Shops in der Upper East Side.
Beckenbauer wollte nie sein gesamtes Leben in New York verbringen
Nach drei Jahren war die Zeit in New York vorbei, 1980 ging Beckenbauer zum HSV. “Die Bundesliga reizte ihn noch einmal, ein Leben für immer in New York, das wollten wir nie”, sagt Sandmann. Einige Monate lebten sie nach dem Kurz-Comeback bei Cosmos 1983 nochmal in Manhattan, dann zogen sie nach Kitzbühel.
Es ging ihnen gut, auch als Beckenbauer 1984 Teamchef wurde. Nach der enttäuschenden Heim-EM 1988 aber sei der Franz in eine Sinnkrise gerutscht. Es war eine Zeit, in der er von der Firma bestimmt worden sei, sagt Sandmann. Das Wort Firma verwendet sie oft an diesem Nachmittag, als Sammelbegriff für das Umfeld, ein verschlungenes Konglomerat aus Manager Schwan, Beratern, Einflüsterern. PR-Strategen, die Beckenbauer wieder ein strahlendes Image verschaffen wollten.
Beckenbauer-Gefährtin: “Als Mensch hat sich der Franz in dieser Zeit etwas verloren”
“Als Mensch hat sich der Franz in dieser Zeit etwas verloren”, sagt sie. Beckenbauer lernte die DFB-Sekretärin Sybille Weimer kennen, nach elf Jahren trennte sich Diana von Franz. “Es tat sehr weh, neben der eigenen Trauer kam auch noch das öffentliche Aufarbeiten in den Medien hinzu, das war eine schwere Zeit.”
Beckenbauer habe sie zwar noch gefragt, ob sie nicht nach New York gehen wolle, um dem Rummel zu entkommen, er würde sie finanziell unterstützen. “Aber was sollte ich allein in New York”, sagt Sandmann, “dieser Lebensabschnitt war für mich vorbei.”
Bei einem abschließenden Apfelstrudel an diesem Nachmittag erzählt sie noch von ihrer Ausbildung zur Astrologin, in Schwabing leitete sie zwölf Jahre lang eine Praxis für Psychotherapie. Seit Jahren engagiert sie sich ehrenamtlich als Trauerbegleiterin in einem Kinderhospiz, und natürlich hat sie immer noch die Kunst.
In ihrem Atelier bei Bad Heilbrunn arbeitet sie als Malerin, momentan ist sie in Verhandlung mit dem Dr. Lorans vom Kulturhaus Divan in Berlin für eine Ausstellung Frühjahr 2025, ob man das noch bitte genau so mit reinschreiben könne, sagt sie.
Trotz Liebes-Aus: Sandmann und Beckenbauer verband weiter enge Freundschaft
Zu ihrem Franz sagt sie, dass sie weiter eine enge Freundschaft verband, auch wenn sie in den letzten Jahren nicht mehr richtig an ihn herangekommen sei. Zuletzt lag das auch an seinem immer schlechteren Gesundheitszustand. Von seinem Tod vor einem Jahr erfuhr sie durch den Anruf einer alten Freundin, die die Nachricht im Radio gehört hatte.
Diana Sandmann sagt, sie habe sich nach dem Anruf hingesetzt und dann einfach nur sehr lange geweint. Nach drei Stunden im Café Roma wird die geduldige Polina unruhig. Es wird Zeit, vor dem Aufbruch noch eine letzte Frage: Was sie heute empfindet, wenn sie an den Franz denkt. Diana Sandmann sagt: “Liebe. Dankbarkeit. Und die Erinnerung an unseren gemeinsamen Münchner Humor.”
Diesen charmanten Witz, dieses besondere Lebensgefühl, das nicht jeder außerhalb der Stadtgrenzen versteht, das sie beide aber zutiefst verband. Den Obergiesinger und die Altbogenhauserin. Und zwischendrin kommt bei ihr auch immer wieder die Erinnerung an Abende in der Met, an die Nächte im Studio 54. Und an die glücklichen Nachmittage, auf der Picknickdecke im Central Park.