Politik

Kämpfe in Syrien: Bundesregierung ruft zu „Ende der Gewalt“ in Syrien auf | ABC-Z

Nach den bisher schwersten Kämpfen zwischen Einsatzkräften der neuen Machthaber in Syrien und Anhängern des gestürzten Machthabers Baschar al-Assad mit mehr als 1.000 Toten hat das Auswärtige Amt an die Übergangsregierung in Damaskus appelliert, weitere Übergriffe zu verhindern. „Berichte über die Ermordung von Zivilisten und Gefangenen sind schockierend. Die Übergangsregierung steht in der Verantwortung, weitere Übergriffe zu verhindern, die Vorfälle aufzuklären und die Verantwortlichen zur Rechenschaft zu ziehen“, teilte eine Sprecherin des Auswärtigen Amts mit.

Man fordere „alle Seiten nachdrücklich zu einem Ende der Gewalt auf“. Nur so könne „gesellschaftlicher Frieden nach Jahrzehnten des Assad-Terrorregimes hergestellt und der Weg eines inklusiven politischen Prozesses beschritten werden, der zur nachhaltigen Befriedung und Stabilisierung Syriens so wichtig ist“. Die Zukunft Syriens müsse zudem
„frei von jeglichen ausländischen Destabilisierungsversuchen“ sein und
„in den Händen aller Syrerinnen und Syrer liegen – egal welcher Ethnie,
Religion oder welchen Geschlechts“.

Vorwürfe gegen das Auswärtige Amt

In Deutschland erhebt der CDU-Politiker und ehemalige stellvertretende Vorsitzende
der Alevitischen Gemeinde Deutschlands, Ali Ertan Toprak, schwere
Vorwürfe gegen das Auswärtige Amt. „Seit zwei Monaten“ bereits weise er
die Bundesregierung auf Massaker der HTS-Miliz gegen Alawiten hin,
schrieb Toprak auf Facebook.
Er äußerte Unverständnis darüber, warum Deutschland diese
„islamistische Mörderbande HTS“ bisher als legitime Übergangsregierung
akzeptiert habe.

Alawiten und
Aleviten hätten eine ähnliche Verfolgungsgeschichte, sagte Toprak ZEIT ONLINE. Die Begriffe
Alawiten und Aleviten bezeichneten zwar unterschiedliche religiöse
Strömungen, doch bildeten beide eine Art Schicksalsgemeinschaft in der
Region, da beide Gruppen vor allem von sunnitischen Muslimen als
Ungläubige betrachtet und demzufolge in der Geschichte immer wieder
Anfeindungen und Massakern der Islamisten ausgesetzt gewesen seien.

Aktivisten berichten von Massakern an Alawiten

Seit Donnerstag dauern die schweren Kämpfe in den westlichen Regionen Tartus, Latakia und Homs an. Dort wohnen vorwiegend Mitglieder der religiösen Minderheit der Alawiten, der auch Al-Assad angehört. Nach Angaben von Aktivisten kam es in den Gebieten im Zuge der Kämpfe zu regelrechten Massakern an Angehörigen der Gruppe.

Wie die Syrische Beobachtungsstelle für Menschenrechte mitteilte, töteten Sicherheitskräfte und ihre Verbündeten im Nordwesten des Landes 745 alawitische Zivilisten, darunter auch Kinder. Auch zahlreiche Kämpfer – sowohl auf der Seite der Assad-treuen Milizen als auch unter den Truppen der neuen syrischen Machthaber – wurden demnach getötet. Der Nachrichtenagentur AFP schilderten inzwischen auch mehrere Bewohner der betroffenen Region wahllose Tötungen von Menschen.

Alawiten gehören zum schiitischen Spektrum des Islams. Sie sind nicht zu verwechseln mit türkischen und kurdischen Aleviten, auch wenn sich beide Religionsgemeinschaften auf Imam Ali, Vetter und Schwiegersohn des Propheten Mohammed, berufen. Einst eine Randgruppe in der Bevölkerung ohne große politische Bedeutung gewannen die Alawiten mit der Macht der Assad-Familie seit den Sechzigerjahren an Einfluss in Syrien. Schon vor dem syrischen Bürgerkrieg kam es allerdings immer wieder zu Zerwürfnissen zwischen Alawiten und der sunnitischen Opposition im Land. 

Kämpfer unter Führung der islamistischen HTS-Miliz hatten Anfang Dezember Damaskus erobert und die jahrzehntelange Herrschaft von Machthaber Al-Assad in Syrien beendet. Seit ihrer Machtübernahme hat die neue syrische Führung, die sunnitisch ist, wiederholt versichert, die Minderheiten im Land zu schützen. Die Alawiten fürchten jedoch Vergeltungsmaßnahmen gegen ihre Gemeinschaft – sowohl als religiöse Minderheit als auch wegen ihrer Treue zur Assad-Familie.

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