Kabarettistischer Jahresrückblick: Wenig zum Lachen – Starnberg | ABC-Z
Was war 2024 doch für ein Jahr: Donald Trump wird erneut zum Präsidenten der USA gewählt und am gleichen Tag geht die Ampelregierung mit lautem Knall kaputt. Zwischen dem Dauerstreit der Ampel gibt es Ereignisse wie Hochwasser, Klimakonferenz oder die Wahlen in Ostdeutschland. Nein, in diesem Jahr gab es wahrlich nicht viel zum Lachen. Daher ist es nicht verwunderlich, dass der Jahresrückblick 2024 des Kabarettisten Holger Paetz, mit dem er derzeit auf Tour ist, ganz besonders miesepetrig ausfällt.
Diesmal ist er bei Monis Brettl in Gilching zu Gast – und eines erschließt sich schon mal nicht: Warum er das Thema „So schön war’s noch selten“ gewählt hat. Denn eigentlich müsste der Jahresrückblick 2024 heißen „Schön war es nicht.“ Sogar als er am Ende der Vorstellung in seinen Gedichtbänden nach etwas Lustigem sucht, findet er nichts, um die Leute im voll besetzten Oberen Wirt auf ihrem Nachhauseweg in fröhliche Stimmung zu versetzen. Aber der vordergründige Witz ist ohnehin nicht das Metier des Kabarettisten, der zehn Jahre lang Hauptautor des Singspiels am Nockherberg war. Stattdessen deckt Paetz inhaltliche Widersprüche auf.
Egal ob SPD, FDP, AfD, BSW, FW oder Union – immer, wenn er das Gesicht vor Ekel verzieht, weiß der Zuschauer, jetzt legt er den Finger in die Wunde und schont niemanden – außer vielleicht die Grünen; denn die werden an diesen Abend gleich gar nicht erwähnt. Lediglich der Name des Wirtschaftsministers Robert Habeck fällt einmal am Rande, aber nur, weil er dem Ministerpräsidenten Markus Söder auf der Handwerksmesse die Schau gestohlen habe. Überhaupt Söder und die CSU, die haben es ihm angetan. Der Name Söder fällt häufiger als jene von Olaf, Scholz, Angela Merkel, Friedrich Merz, Christian Lindner und Sahra Wagenknecht zusammen. „Er war schon fränkischer Trump, als wir Trump noch gar nicht kannten“, ätzt Paetz. Der 72-Jährige seziert genüsslich das Zitat Söders während seines Besuchs von Hochwasseropfern: „Ein Ereignis, das es vorher nie gab“ und wettert „er hätte gerne einen Baum umarmt, aber die sind alle vorbeigeschwommen“.
Dann wieder verbindet Paetz Reales mit einer abstrusen Geschichte, etwa, als es um den Kniefall Söders in Warschau geht. Das sei keine respektlose Anlehnung an den Kniefall des Staatsmannes Willy Brandt gewesen. In Wirklichkeit habe das Foto Söder auf einem Christkindlmarkt gezeigt, als er nach seiner auf den Boden gefallenen Bratwurst suchte. Mit Hilfe von KI sei daraus der Kniefall in Polen gemacht worden, erklärt er unter dem Applaus der Zuschauer. Manchmal bewegt sich der Kabarettist mit seinen scharfen Angriffen auch auf dünnem Eis. Man könnte fast meinen, dass er damit eine Anzeige wegen Beleidigung eines Politikers heraufbeschwören will. Über den bayerischen Wirtschaftsminister und Chef der Freien Wähler, Hubert Aiwanger, erzählt er beispielsweise, dass jemand behauptet habe, der habe einen Vogel. Aber das sei zu kurz gegriffen, sagt Paetz. „Sein Kopf ist eine Voliere.“ Umgekehrt hält sich auch Aiwanger Paetz zufolge nicht zurück mit Ausdrücken, über die sich die Leute im Bierzelt zwar begeistern, die sie ihren Kindern jedoch verbieten würden.
Den „Ossis“ liest er die Leviten
Den FDP-Chef und ehemaligen Finanzminister Christian Lindner nennt der Kabarettist „Porsche-Männchen“ und die Liberalen „Spielkinder“. Drei Jahre lang habe die FDP die Ampel vergiftet – und dann habe Lindner am Ende mit den Tränen gekämpft. Ja Wahrheit und Lüge, oft täusche man sich, kommentiert Paetz diese heuchlerische Show und liefert dazu eine perfekte, viel beklatschte Parodie. Nicht-mehr-Bundeskanzler Olaf Scholz bekommt ebenfalls sein Fett weg. Er sei ein Kommunikationsgenie, das vielsagend schweige, er lobe sich gerne selbst und sei ein Garant für deutsche Besonnenheit, sagt Paetz und kommentiert: „Man kann lange vor einem Huhn sitzen und warten, bis es bellt.“ Das BSW, das sich „im vollen Galopp auf das entgegenkommende Pferd“ stürze, sei eine Lügner-Truppe und ein Sammelbecken der Unzufriedenen. Mit Sorge erfüllt ihn, wie die AfD in Ostdeutschland verharmlost wird. Überhaupt die „Ossis“, denen liest Paetz in seiner gewohnt bitterbösen, zynischen Art die Leviten. Sie wettern gegen die Migranten, obwohl es dort gar keine gebe. „Sie wollen die DDR zurück, aber mit Aldi, Pizzaservice und Bauer sucht Frau.“
Zwischen dem politischen Kabarett, dem sich Paetz verpflichtet fühlt, streut er immer wieder allgemeine Themen ein, etwa die Olympischen Spiele und das schlechte Abschneiden der Deutschen nach dem Motto „vergiss das Treppchen, die vier ist das Schnäppchen“. Krankenhausreform und Pharmaindustrie werden ebenfalls aufs Korn genommen. Anerkennung hat Paetz immerhin für den schnellen Wiederaufbau der Kathedrale Notre Dame übrig. Da fragt sich der Kabarettist, ob sich der französische Präsident Emmanuel Macron nicht auch um die Dauerbaustelle in Stuttgart kümmern könnte. Ja, der Jahresrückblick des scharfzüngigen Kabarettisten hat es in sich. Er löst zwar keine Lachsalven aus, aber er regt zum Nachdenken an.
Holger Paetz wird mit seinem Jahresrückblick im Fünfseenland noch einmal zu erleben sein: am Donnerstag, 9. Januar, um 20 Uhr in der „Seeresidenz Alte Post“ in Seeshaupt. Der Eintritt kostet 28 Euro, Tickets gibt es im Internet.