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Junge Union spielt umstrittenen Song bei Merz-Einmarsch – Gesellschaft | ABC-Z

Der Mensch ist ein Rudeltier, wir alle wollen irgendwo dazugehören. Die Junge Union zum Beispiel ist ein großes Rudel junger Menschen, die sich so anziehen und frisieren, als hätten sie ihre eigene Jugend am liebsten schon hinter sich. Gleichzeitig will sie ganz dringend zum Rudel derjenigen gehören, die fordern, endlich mal Schwung in die olle Kiste namens Deutschland zu bekommen! Jedenfalls hat die JU am Wochenende bei ihrem Jahrestreffen zum Einmarsch von Friedrich Merz ein Lied im Saal abgespielt, in dem die ganze Dynamik dieser frischen Jugendorganisation kulminieren sollte: Es heißt „Zeit, dass sich was dreht“,  und ausgerechnet diesen Song zu spielen, war rückblickend keine ganz so gute Idee.

Der Song ist eine Zusammenarbeit des Berliner Rappers Soho Bani mit Herbert Grönemeyer. Der hatte das Stück schon mal 2006 zur WM veröffentlicht. Die neue Version kam Anfang des Jahres raus und stand seitdem quasi ununterbrochen in den Charts. Während der Kanzlerkandidat einmarschierte, pumpten Strophen durch die Boxen, die dem Kandidaten Merz wie auf den Leib geschneidert wirken:

„Ein Junge, er hofft auf Wendung / Deshalb ist er jetzt mies auf Sendung / Dicka, heute Abend, mach ein’ Aufstand / Mach die wach, Dicka, mach noch lauter / Zeit, dass sich was dreht (oh-eh-oh-eh-oh-eh).“

Soho Bani ist 25, trägt eklektische Tattoos, Ohrringe und eine vermutlich sehr kompliziert zu färbende Streifenhörnchen-Frisur. Alles an dem Rapper schreit „Berlin“, „jung“ und „weltläufig“, vielleicht sogar etwas zu laut. Jedenfalls ist es verständlich, dass man sich bei der Jungen Union ein kleines Fünkchen davon auch hierher wünschte. Hätte man wissen können, dass die Sache nach hinten losgeht? Nun, Soho Bani gibt in der ARD einstündige Interviews gemeinsam mit Robert Habeck. Und sein Hit lässt sich als Aufruf zu Innovation und Nachhaltigkeit verstehen, eher pro Tempolimit als pro Verbrenner: „Bald gehen wir, eh, wenn ihr so weitermacht / Dicka, meine Welt brennt, wo ist die Leidenschaft?“

Aber hinterher ist man immer schlauer, und so kam es, wie es immer kommt: Der Künstler fand die Sache doof – und kündigte via Insta-Story an, er werde „rechtliche schritte einleiten“, sollte sein Song noch mal auf „friedrich merz wahlverantaltungen“ (sic!) verwendet werden.

Die JU reiht sich damit ein in eine Liste von Parteien aus dem bürgerlichen oder rechten Lager, die sich in ihrem Wunsch, popkulturell irgendwie dazuzugehören, vom entsprechenden Künstler eine fiese Abfuhr geholt haben. Darunter sind Bruce Springsteen, Beyoncé, Adele, Rihanna, die Rolling Stones, Wir sind Helden und sogar die verdammten Höhner.

Hätte sich die JU mal ein Beispiel an den Grünen genommen. Die haben für einen Werbespot im letzten Bundestagswahlkampf ein Lied geremixt, dessen Dichter ihnen garantiert nicht mit einer frechen Instagram-Story eine Abfuhr erteilen konnte: „Kein schöner Land“ stammt von einem deutschen Rapper namens Anton Wilhelm von Zuccalmaglio. Und zu seinem Glück, und dem der Grünen, ist er schon 1869 gestorben.

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