Junge Union: Freundliche Worte für den nächsten Kanzler – Politik | ABC-Z

Die Anzugdichte ist recht hoch an diesem Dienstagabend im Festsaal der DZ-Bank am Pariser Platz in Berlin-Mitte. Die Junge Union (JU), die hier im Schatten des Brandenburger Tors zusammengekommen ist für ihren traditionellen Frühlingsempfang, ist offenbar zu großen Teilen eine Junge-Männer-Union. „20. Frühlingsempfang der Entscheidung“ steht auf den Bierdeckeln, die auf den Stehtischen ausliegen. Die Entscheidung ist das Mitgliedermagazin der JU. An diesem Abend jedoch, an dem in Berlin auf „die“ Entscheidung gewartet wird, schwingt bei diesem Veranstaltungstitel noch etwas anderes mit.
Zehn Autominuten entfernt vom Pariser Platz sitzen in diesem Moment die Spitzen von CDU, CSU und SPD im Konrad-Adenauer-Haus zusammen und sind, so zumindest ist es seit dem Nachmittag zu hören, auf die Zielgerade ihrer Koalitionsverhandlungen eingebogen.
In der CDU hat es zuletzt mächtig gebrodelt. Das Eine-Billion-Schuldenpaket, obwohl die Union im Wahlkampf noch für eine ganz andere Fiskalpolitik eingetreten war, die Zwischenergebnisse der Arbeitsgruppen, in denen viele die klar erkennbare Handschrift von CDU und CSU vermissten: Das alles hat für Unruhe gesorgt. Auch und gerade in der Jungen Union.
Friedrich Merz hat anderes zu tun an diesem Abend
Als Johannes Winkel um kurz vor 20 Uhr die Bühne betritt, will der JU-Chef jedenfalls „zwei, drei kurze Anmerkungen“ machen. Einen Tag zuvor hat er schon im Interview mit der Süddeutschen Zeitung ein paar Anmerkungen gemacht. Zum Beispiel die, dass die Union keinen Koalitionsvertrag unterschreiben dürfe, ohne dass ein Politikwechsel komme. Oder die, dass die CDU kein „Kanzlerwahlverein“ mehr sei.
Der Mann, an den all das gerichtet war, hätte am Dienstagabend eigentlich nach Winkel auf die Bühne steigen und vor der versammelten JU eine Rede halten sollen. Aber Friedrich Merz sitzt in der CDU-Parteizentrale und lässt sich wegen der finalen Phase der Koalitionsverhandlungen entschuldigen.
Recht sein kann Winkel und seinen Leuten das nicht. Sie hätten vermutlich gerne gehört, was Merz zu ihren Kritikpunkten zu sagen hat. Dennoch sagt der JU-Chef, dass sie „natürlich vollstes Verständnis“ hätten für Merz’ Absage. Dafür, dass in dieser Sache „Land vor Partei“ gehe. Aber den im Wahlkampf so lautstark in Aussicht gestellten Politikwechsel auf gleich mehreren Politikfeldern, den fordert Winkel trotzdem ein von Merz und den anderen Spitzenverhandlern der Union.
Julia Klöckner erinnert die Parteijugend an Helmut Kohl
„Der Politikwechsel darf kein Wahlkampfslogan bleiben“, verlangt er, der dürfe nicht im Archiv der Konrad-Adenauer-Stiftung bleiben. Damals Politikwechsel und jetzt die Zeit der Kompromisse? Das gefällt Winkel nur bedingt. „Ehrlich gesagt muss man auch sagen dürfen: Nicht jeder Kompromiss ist gut.“
Trotzdem siegt an diesem Abend am Ende die Loyalität. In den Stunden, in denen der wahrscheinliche nächste Unionskanzler die letzten Hürden Richtung Kanzleramt nehmen will, möchte offenkundig nicht mal die gerade noch auf Krawall gebürstete Jugendorganisation der Partei allzu forsch daherreden.
Merz habe völlig zu Recht gesagt, betont Winkel also am Ende seiner Rede, dass er mit den Sonderschuldenprogrammen und der Lockerung der Schuldenbremse einen Kredit aufgenommen habe. Aber die JU sei die Vereinigung, die glaube, dass es vor allem einen gebe, der so einen Kredit zurückzahlen könne. „Und das, meine sehr verehrten Damen und Herren, ist unser nächster Bundeskanzler, Friedrich Merz.“
Von ebendiesem „nächsten Bundeskanzler“ übermittelt dann Julia Klöckner noch freundliche Grüße. Die frisch gewählte Bundestagspräsidentin ist als Ersatz für Merz zur JU gekommen. Auf der Bühne sagt sie, dass die Frage aktuell ja sei: „Wann isses denn soweit?“ Damit hat sie die Rahmenhandlung des Abends eigentlich schon vollumfänglich umschrieben, aber die CDU-Politikerin will auf etwas anderes hinaus. Früher, sagt Klöckner, hätten Regierungen 100 Tage Zeit gehabt, um ins Amt zu kommen. Heute habe man manchmal den Eindruck, „dass eine Regierung schon abgeschrieben ist, bevor sie ins Amt kommt“. Wirklich Konservative aber könnten durchhalten und warteten erstmal ab, bis ein Koalitionsvertrag auf dem Tisch liege.
Im Publikum steigt die Unruhe, die JU-ler würden sich jetzt wohl gerne dem Bier in den Kühlschränken und dem aufgebauten Buffet zuwenden. Klöckner aber will die Parteijugend noch schnell an Helmut Kohl erinnern. Der habe immer gesagt, entscheidend sei, „was hinten rauskommt“.
Dieser Moment dürfte nun bald gekommen sein.