Junge Menschen leiden besonders darunter |ABC-Z
Einsamkeit ist schädlich. Sie begünstigt Herz-Kreislauf-Erkrankungen, Depressionen und kann sogar körperliche Schmerzen verursachen. Eine neue Studie des Bundesinstituts für Bevölkerungsforschung (BiB) zeigt jetzt: Jeder Dritte zwischen 18 und 53 Jahren fühlt sich zumindest teilweise einsam. Besonders junge Menschen sind betroffen. In der Altersgruppe von 19 bis 29 Jahren fühlt sich jeder Sechste besonders einsam.
Erst Ende vergangenen Jahres stellte das Kabinett eine von Bundesfamilienministerin Lisa Paus (Bündnis 90/Grüne) erarbeitete „Strategie gegen Einsamkeit“ vor. Mehr als hundert Maßnahmen werden dort benannt. Darunter Aktionswochen und Modellprojekte. Auch die Wartezeiten für psychotherapeutische Behandlungen sollen verkürzt werden. Die Zahlen der vergangenen Jahre zeigen: Das ist dringend notwendig.
„Einsamkeit hat sehr stark mit sozialer Teilhabe zu tun“
Während sich zwischen 2005 und 2017 etwa 14 bis 17 Prozent der Menschen zwischen 18 und 53 Jahren einsam fühlten, stieg der Anteil im Zuge der Corona-Pandemie stark an und erreichte 2021 fast 47 Prozent. Die aktuellen Zahlen zeigen zwar einen Rückgang auf 36 Prozent, das Niveau vor der Pandemie können sie allerdings nicht erreichen.
Gerade bei den Menschen, die sich am Ende der Schulzeit, in Studium oder Ausbildung befanden, als die Pandemie ausbrach, sei Einsamkeit ein großes Thema. „Sie haben in einer wichtigen Phase gelernt, sich zurückzuziehen“, sagt BiB-Wissenschaftlerin Sabine Diabaté. Diese Phase sei so prägend gewesen, dass die Mitautorin der Studie eine „Tendenz zur Chronifizierung“ befürchtet. Nur Alleinlebende sowie Alleinerziehende sind noch häufiger betroffen. Über 50 Prozent von ihnen verspüren Einsamkeit.
In der Studie unterscheiden die Forscher außerdem zwischen sozialer und emotionaler Einsamkeit. Während soziale Einsamkeit Menschen betrifft, die mit ihrem sozialen Umfeld unzufrieden sind, kann emotionale Einsamkeit auch Personen mit großem sozialen Netzwerk betreffen, wenn ihnen Nähe zu engen Bezugspersonen fehlt. Hier sind Männer seltener betroffen als Frauen. Doch nicht nur das Geschlecht spiele eine Rolle.
„Einsamkeit hat sehr stark mit sozialer Teilhabe zu tun“, sagt Diabaté. Arbeitslose, Arme, Kranke und Migranten haben dementsprechend ein höheres Risiko, einsam zu sein. Bildung, ein verhältnismäßig hohes Einkommen und die deutsche Staatsbürgerschaft wirken laut den Forschern hingegen schützend.
Auch eine tägliche Internetnutzung könne helfen, etwa wenn einsame Menschen sich in Foren mit anderen Nutzern austauschen. Dabei sei jedoch die Dosis entscheidend, sagt Diabaté: „Wenn das Digitale das Echte ersetzt, dann kann das nicht guttun.“
Nach Ansicht der Forscher wird immer noch unterschätzt, was Einsamkeit mit den einzelnen Personen und der Gesellschaft mache. „Es bedarf eines größeren Bewusstseins für die Verbreitung und den Leidensdruck sowie einer gesteigerten Achtsamkeit im Alltag“, sagt Studienleiter und Mitautor Martin Bujard. Zudem bestehe ein erhöhtes Risiko, dass sich Einsame sozial isolieren und sich möglicherweise politisch oder religiös radikalisieren. Bujard sieht in der Einsamkeit deshalb einen gesellschaftlichen Auftrag: „Wir müssen alle darauf aufpassen, dass wir aufeinander aufpassen“, sagt er.