Julia Ruhs und Tanit Koch: Rettet die Glaubwürdigkeit | ABC-Z

Seit Anfang des Jahres moderierte Julia Ruhs, deren
Markenzeichen dezidiert konservative Ansichten sind, drei Sendungen des
Polit-Magazins Klar, produziert durch den Bayerischen und den Norddeutschen
Rundfunk. Offenbar reagierte man mit der Sendung auf den weitverbreiteten
Eindruck, dass sich der öffentlich-rechtliche Rundfunk eine Blöße gebe, wenn er
Diversity immer nur identitätspolitisch, aber nie im Sinne einer politischen
Meinungsvielfalt versteht, und wollte Abhilfe schaffen: Schaut her, wir können
auch anders! Ausdrücklich wollte man mit dieser Sendung ein Publikum
zurückgewinnen, das den Öffentlich-Rechtlichen den Rücken gekehrt hat, weil es diese als
entnervend einseitig empfindet. Nun stellt sich heraus: Dieser gute Vorsatz
konnte genau drei Sendungen lang durchgehalten werden, bis sich zumindest der
NDR von Ruhs verabschiedet hat – im Bayerischen Rundfunk wird sie Klar weiter
moderieren.
Es gibt jetzt zwei rivalisierende Erzählungen über ihr Ende
beim NDR. Die eine Erzählung sieht in dem Vorgang den endgültigen Beweis dafür,
dass es ein solcher Sender einfach nicht aushalte, auch nur ein einziges
konservatives Format auszustrahlen, ohne dass 250 Mitarbeiter, wie geschehen,
ihre Unterschrift unter einen internen Brief setzen, der sich von der Sendung Klar
distanzierte. Und
dass die Leitung des Senders vor diesem Druck der Mitarbeiter eingeknickt sei,
was wieder einmal zeige, wie schwer sich der öffentlich-rechtliche Rundfunk mit praktisch gelebter
Meinungsvielfalt tue. In diesem Sinne äußerte sich CDU-Generalsekretär Carsten
Linnemann gegenüber Welt TV: “Das ist ein neuer Tiefpunkt in
Sachen Debattenkultur in Deutschland.”
Die andere Erzählung behauptet, das habe überhaupt nichts mit
der politischen Ausrichtung des Formats zu tun, sondern sei ein ganz normales
Ergebnis der Qualitätssicherung. Das
Wort “handwerklich” taucht dann immer auf: Handwerklich habe Julia Ruhs’ Sendung einfach nicht den Standards des NDR entsprochen. Denn auch dort, kommentiert der Spiegel, habe man “keinen ersessenen
Anspruch auf eine Sendung. Niemand hat das Recht, sich am Studio festzuketten.”
Leider, schreibt die Süddeutsche Zeitung, nutze Julia Ruhs die Gelegenheit
und könne “sich jetzt als Gecancelte feiern”. So sieht das auch der Tagesspiegel: Weil der Sender sich zurückhalte,
fokussiere sich “die Diskussion auf Cancel-Culture statt auf handwerkliche
Defizite”, und fügt hinzu: “nicht zu Ruhs Schaden”.
Beim Spiegel versucht man sich sogar in einer Disziplin, die
die woke Linke früher “Victim Blaming” genannt hätte: Der eigentliche Skandal
sei, dass Julia Ruhs ihre Wut über die Entlassung öffentlich gemacht habe,
obwohl sie die Folgen, die der Bayerische Rundfunk produziert, ja weiterhin
moderieren darf: “Wann gab es das zuletzt, dass eine ARD-Journalistin so gegen
eine ARD-Anstalt austeilte? Dass sie weiterhin in der ARD senden und sich
trotzdem als Opfer inszenieren darf?”
Man sieht: In Bezug auf Julia Ruhs kämpft man mit harten
Bandagen, denn die Glaubwürdigkeit eines ganzen journalistischen Milieus wird
an diesem Fall mitverhandelt. Die Anwälte der “Qualitätssicherung” wiederholen
dabei eine Gedankenfigur, die bei der Frage nach Meinungsvielfalt stets zu
hören ist. Denn grundsätzlich beteuert ja jeder aufgeklärte Zeitgenosse, dass
er gerne Meinungen höre oder lese, die den eigenen Ansichten widersprechen –
nur im spezifischen, dann gerade in Rede stehenden Fall sei das Problem eben
keineswegs die vertretene Position, sondern dass diese halt wahlweise schlecht
recherchiert, unsauber argumentiert, polemisch überdreht, hetzerisch oder
schlichtweg falsch sei.
Dabei ist eine Position, die wir als gründlich recherchiert,
nüchtern durchdacht, angemessen klar zum Ausdruck gebracht und ethisch wertvoll
empfinden, der wir aber gleichwohl – warum eigentlich? – unsere Zustimmung
verweigern, schwer vorstellbar. Es gehört zum Wesen einer Meinung, die wir
ablehnen, dass sie uns nicht einleuchtet.





















