Jugendliche in München: Nur ein Drittel ist gesund | ABC-Z
München – Nur ein Drittel der jungen Menschen in München klagt nicht über gesundheitliche Probleme. Das kam bei einer Online- Jugendbefragung heraus, die unter anderem das Stadtjugendamt durchführte. Mitmachen konnten 16 bis 24-Jährige. Es haben sich fast 1700 Menschen beteiligt.
Die zwei Drittel, die gesundheitliche Probleme haben, nannten am häufigsten psychische Probleme. Fast 30 Prozent gaben das als Einschränkung an. „Die jungen Menschen fühlen sich alleingelassen mit ihren Problemen, erleben einen hohen Leistungsdruck und stehen einer gewaltigen Erwartungshaltung gegenüber“, heißt es in der Zusammenfassung der Studie vom Sozialreferat.
Klinik-Leiter erzählt: Fast immer ist sein Haus voll
Bei der Befragung ging es um eine Selbsteinschätzung der jungen Münchner, um die subjektiven Gefühle, die sie haben. Doch auch Gerd Schulte-Körne, der Direktor der Klinik für Kinder- und Jugendpsychiatrie am LMU-Krankenhaus, stellt fest, dass psychische Erkrankungen unter jungen Leuten zunehmen. Momentan betreibe die Klinik 54 stationäre Betten. Das seien fast doppelt so viele wie vor 15 Jahren. Und trotzdem seien fast immer alle Betten voll, sagt Schulte-Körne: „Wir haben immer eine Auslastung zwischen 96 und 98 Prozent.“ Die Kinder und Jugendlichen, die bei ihm behandelt werden, haben Depressionen, schwere Ängste, Essstörungen.
Woran liegt es, dass heute mehr junge Menschen unter psychischen Krankheiten leiden? „Man kann das nicht auf einen Grund zurückführen“, sagt Schulte-Körne. Auf jeden Fall sei Corona ein Faktor. „Mit der Pandemie hat der Bedarf deutlich zugenommen“, sagt der Professor. Home-Schooling, Bewegungsmangel, soziale Kontakte bloß noch im Internet – all das habe viele überfordert, meint er. Der Klinik-Direktor sagt aber auch: Dass sich heute mehr Familien professionelle Hilfe suchen, heißt nicht, dass es früher weniger Erkrankungen gab. Aber: „Die Ressourcen in den Familien, die Probleme selbst zu lösen, sind zurückgegangen.“
Schulte-Körne weiß, dass Kinder und Jugendliche in München oft bis zu einem Jahr auf einen ambulanten Therapieplatz warten. „Bei uns sind die Wartezeiten drei bis vier Monate, aber das ist auch schon eine lange Zeit.“ Er fordert deshalb, dass der Freistaat mehr stationäre Betten schaffen müsste.
Die Befragten wünschen sich ein neues Schulfach
Auch Lena Odell, die sich in der SPD-Fraktion um alle Themen rund um Kinder und Jugendliche kümmert, alarmieren die Ergebnisse der Studie. Sie fordert, dass die Stadt die Befragung nun genauer analysieren müsse. Die klinische Versorgung zu verbessern, sei aber eher Aufgabe des Freistaats.
Doch um die Probleme zu lösen, wünschen sich die befragten Jugendlichen gar nicht mehr Therapie-Plätze, sondern ein neues Schulfach. „Leben“ könnte dieses heißen. Dort, so erhoffen es sich die Befragten, könnten sie Alltagskompetenzen lernen, ihre Kompetenzen besser ausleben und wahrnehmen. Sie gehen davon aus, dass das viel Leistungsdruck von ihnen nehmen könnte.
An den städtischen Realschulen und Gymnasien gebe es das Schulfach „Skill“, wo die Schüler lernen, wie sie strukturiert lernen und wie sie mit Stress umgehen, sagt Odell. Sie hofft, dass ein Appell von Oberbürgermeister Dieter Reiter (SPD) an den Freistaat wirkt – und der dieses Fach auch an allen staatlichen Schulen einführt.
Das mit Abstand wichtigste Thema: bezahlbarer Wohnraum
In der Befragung nannten die jungen Münchner aber neben ihrer Gesundheit auch andere Probleme. „Das mit Abstand wichtigste Thema für junge Menschen ist der Bedarf nach bezahlbarem Wohnraum“, schreibt das Sozialreferat.
82,6 Prozent der Teilnehmenden stimmten der Aussage „Das Leben ist in München zu teuer für mich“ zu. Der fehlende bezahlbare Wohnraum habe sogar großen Einfluss darauf, welche berufliche Zukunft, welche Ausbildungsrichtung angestrebt wird, heißt es in der Studie.
Stadträtin Odell will sich dafür einsetzen, dass die Stadt mehr Geld für bezahlbares Wohnen zur Verfügung stellt. Für Studentenwohnheime ist der Freistaat zuständig. Die Stadt hat aber ein Azubiwerk gegründet, das Auszubildenden günstigen Wohnraum anbietet.
Anmerkung der Redaktion: Haben Sie suizidale Gedanken oder haben Sie diese bei einem Angehörigen/Bekannten festgestellt? Hilfe bietet die Telefonseelsorge: Anonyme Beratung erhält man rund um die Uhr unter den kostenlosen Nummern 0800 / 111 0 111 und 0800 / 111 0 222. Auch eine Beratung über das Internet ist möglich unter http://www.telefonseelsorge.de.