Juan Ayuso startet beim Giro d’Italia 2025 und will Tadej Pogačar stürzen | ABC-Z

Kronprinzen haben es nicht leicht. Sie sind auserkoren für Großes und stehen vorerst doch im Schatten eines anderen, was zu allerlei Problemen führen kann. Mal kurz den eigenen Willen über den des Herrschers gestellt – und schon steht man da als verwöhntes, bockiges Kind.
Juan Ayuso weiß, wie sich das anfühlt. Der 22 Jahre alte Spanier sagt, dass er der beste Radprofi der Welt werden will. Seit er im Alter von 19 Jahren bei seiner ersten dreiwöchigen Rundfahrt Dritter der Vuelta a España wurde, sehen viele in ihm einen möglichen Thronfolger von Tadej Pogačar, dem König des Radsports.
Was erlaubt dieser Knirps sich da?
Doch weil der König immer noch König ist, bleibt dem Prinzen vorerst nichts anderes übrig, als von diesem Freitag an (Start 13.10 Uhr bei Eurosport) bei der ersten der drei großen Landesrundfahrten des Jahres, dem Giro d’Italia, Werbung in eigener Sache zu machen. Genau genommen hat er damit längst begonnen.
Zumindest fiel auf, wie sehr Ayuso vor dem Start damit beschäftigt war, das eigene Image aufzupolieren. Das hatte im vergangenen Jahr etwas gelitten, als es bei der vierten Etappe der Tour de France den Col du Galibier hinaufging. Da schien sich Ayuso eher zu verstecken, als schweißtreibende Arbeit für Teamleader Pogačar im Wind verrichten zu wollen.
Viele Beobachter sahen das hinterher so: Prinz hin oder her – was erlaubt dieser Knirps sich da? Mehrmals beorderten seine Kollegen vom Team UAE Ayuso nach vorn, griffen sogar zum Funk, um die Teamleitung über das Verhalten des vermeintlich Abtrünnigen zu informieren und die Helfer-Rangfolge zu klären. Kurz darauf fuhr Ayuso dann doch nach vorn. Das Rennen musste er eine Woche später wegen einer Corona-Erkrankung aufgeben. Seitdem gilt das Verhältnis von Pogačar und Ayuso trotz Dementi der Beteiligten als belastet.
Die Galibier-Etappe macht aus Ayuso nicht gleich einen Königsmörder. Aber klar ist, dass er den Regenten jederzeit stürzen würde, wenn da nicht ein Problem wäre: Er scheint noch gar nicht so weit zu sein.
„Im Radsport ist Tadej unser Messi“
Vielleicht ist Ayuso auch deshalb vor Beginn der Italien-Rundfahrt vor allem darum bemüht, in dieser Causa kein weiteres Öl ins Feuer zu gießen. Im Gespräch mit dem niederländischen Radsport-Magazin „Wieler Revue“ wiederholte er zwar, dass es sein Traum sei, der beste Radprofi der Welt zu werden, doch dann folgte ein Pogačar-Loblied auf das nächste: „Freunde außerhalb des Radsports fragen mich manchmal, ob es normal ist, dass jemand so gut ist. Das ist es nicht“, sagte Ayuso: „Was er macht, ist wie Lionel Messi, der an allen vorbei dribbelt, als ob sie nicht da wären. Messi lässt es einfach aussehen – und im Radsport ist Tadej unser Messi.“
Im selben Interview sprach Ayuso auch davon, ein besserer Kletterer werden zu wollen, um die Lücke zu den Topfahrern zu schließen. Er nannte Jonas Vingegaard, Remco Evenepoel und Primož Roglič. Zum „Messi des Radsports“ sagte er: „Nein, ich nenne nicht Pogačar. Wenn ich sage, dass ich besser sein will als er, gibt es nur wieder Zirkus in den Medien.“

All die Vorsicht, all die Komplimente. Da hat einer aus der Vergangenheit gelernt, dass man dem König besser auf anderem Wege signalisiert, dass man König werden will: mit den Beinen in den Bergen, beim Giro zum Beispiel, der die Fahrer in diesem Jahr über rund 3400 Kilometer und 52.000 Höhenmeter vom Start in Albanien nach Rom führen wird.
Pogačar, Vingegaard und Evenepoel fehlen zwar. Doch mit dem 35 Jahre alten Roglič vom deutschen Rennstall Red Bull-Bora-hansgrohe steht ein großer Name am Start. Wer ihn abhängt, kommt dem Thron zumindest näher. Erwartet wird ein Zweikampf zwischen Roglič und Ayuso, ein Duell zwischen dem Altmeister und dem Kronprinzen. „Ich glaube, Ayuso wird schon eine große Rolle spielen“, sagt Ralph Denk, der CEO von Red Bull-Bora-hansgrohe, der den Spanier als „ganz heißen Kandidaten aufs Podium“ bezeichnet.
Ayuso hatte ein gutes Frühjahr
Hinzu kommen weitere Fahrer von Format. Viele Rennställe starten mit Doppelspitzen, weshalb es für die Teams von Ayuso und Roglič gilt, jederzeit wach zu sein, um keine Ausreißergruppen mit Favoriten für die Gesamtwertung wegfahren zu lassen. Dass es anfangs zwar hügelig ist, die ganz schweren Etappen aber erst in der Schlusswoche kommen, wird die Kontrolle des Rennens erschweren.
Was die Teamstärke betrifft, ähneln sich die Mannschaften der Favoriten. Red Bull schickt mit Jai Hindley den Sieger von 2022 und den Vorjahreszweiten Daniel Felipe Martínez. Beim Team UAE Emirates-XRG sind neben Ayusos Ko-Kapitän Adam Yates weitere prominente Gesichter dabei.
Ein starkes Frühjahr hat vor allem Ayuso hinter sich, der auch als Zeitfahrer brillieren kann und in diesem Jahr optimal vorbereitet aus dem Winter kam, nachdem es in den Jahren 2023 und 2024 immer mal wieder krankheitsbedingte Rückschläge gegeben hatte: „Das ist mein erster Winter, in dem ich trainieren konnte, ohne das etwas dazwischen kam. Ich habe alle Trainingseinheiten gemacht, die geplant waren“, sagt er.
Das zeigt sich in den Ergebnissen: Bei Eintagesrennen in Frankreich und Italien landete Ayuso Anfang März ganz vorn. Auch die einwöchige Rundfahrt Tirreno–Adriatico gewann er. Nur bei der Katalonien-Rundfahrt Ende März erteilte ihm ausgerechnet Roglič eine Lektion. Auf der letzten Etappe überraschte er Ayuso mit einem Angriff, als er sah, dass dieser schlecht positioniert war, und verwies den Jungspund, der bis dato die Gesamtwertung angeführt hatte, noch auf Platz zwei.
Ayusos Stärke als Kletterer und seine Ergebnisse in diesem Jahr sind dennoch beeindruckend: drei Siege in fünf Rennen. UAE-Sportdirektor Joxean Fernández Matxín sagt: „Juan ist bereit, eine Grand Tour zu gewinnen.“ Dafür hat Ayuso im Jahr 2022 einen Rekordvertrag über sechs Jahre bis zum Saisonende 2028 bei UAE unterschrieben.
Eine Ewigkeit im Radsport, wo vor einiger Zeit noch Laufzeiten über zwei Jahre eher selten waren. Der neue Kontrakt soll Ayuso eine Ausstiegsklausel über 100 Millionen Euro enthalten – die in erster Linie eine Absicherung für das Team ist. So viel Geld dürfte im Radsport selbst dann nicht fließen, wenn aus dem Prinzen ein König geworden sein sollte.