Sport

Jonas Deichmann: 106 Mal Triathlon an 106 Tagen – Sport | ABC-Z

Eine Tröte kündigt Jonas Deichmann schon von Weitem an. Als er den Anstieg Richtung Kilometer 30 seiner Marathonstrecke hinaufkommt, folgen ihm bereits rund 100 Menschen, darunter auch der Rother Pfarrer. Deichmann führt die Gruppe an, die Abendsonne bringt die hochroten Gesichter zum Leuchten. Er hebt den Arm und winkt den etwa 200 jubelnden Menschen am Wegesrand zu. Der Kilometer 30 ist ein beliebter Einstieg für Menschen, die den Extremsportler begleiten wollen, aber keine 42 Kilometer schaffen.

Die Stimmung ist ausgelassen, denn dieseer Tag ist rekordverdächtig. Vier Kinder halten ein selbstgebasteltes Schild hoch, das vom Dunst einer Nebelmaschine umhüllt ist: „Herzlichen Glückwunsch, Jonas, zum Weltrekord! Km 30“ Über der Straße hängen bunte Wimpel, aus Musikboxen schallt „Don’t Stop Me Now“ von Queen. An der Verpflegungsstation des Rother Triathlonvereins gibt es selbstgebackenen Kuchen.

Noch trennen Deichmann 12 Kilometer von seinem Rekord, die 3,8 Kilometer lange Schwimmdistanz im Rothsee und 180 Fahrradkilometer liegen bereits hinter ihm. Etwa eine Stunde später, um 21 Uhr, hat er es geschafft: Der 37-Jährige hat 106 Triathlon-Langdistanzen an 106 aufeinanderfolgenden Tagen absolviert – ein Projekt, das er als das härteste bezeichnet, das er je gemacht habe.

Und noch ist es nicht vorbei. In Anlehnung an seinen Triathlon um die Welt 2021 hat er sich 120 Langdistanzen zum Ziel gesetzt. Gestern stellte er den Rekord von Sean Conway ein, der im vergangenen Jahr 105-mal hintereinander einen Triathlon absolviert hatte. Geplant ist, dass der Brite Deichmann auf dessen Abschlussrunde am 5. September begleitet.

Um 21 Uhr holt er den Weltrekord, am nächsten Morgen springt er wieder in den See

Mit seinem Rekord hat Deichmann auch ein weiteres Ziel erreicht: mehr Menschen zum Sport zu bewegen. Am Ende laufen 250 Menschen mit ihm auf der Festwiese im mittelfränkischen Roth ein, so viele wie noch nie, obwohl Deichmann immer Begleitung hatte. Das Zieltor, das auch den Triathleten bei der „Challenge Roth“ im Juli, einem der größten Triathlon-Events der Welt, als Kulisse dient, ist hell erleuchtet. Eine große Lampe auf einer Drehleiter der Feuerwehr strahlt die Szenerie von oben aus. Ein weiteres Zeugnis der besonderen Verbindung, die Deichmann mit der Region eingeht: Für die Jugendfeuerwehr sammelt er während seines Rekordprojekts Spenden. Für den Tag 112 kündigt die Feuerwehr eine Rekordbeteiligung ihrer Zunft an, denn dann kämen mehr als 100 Feuerwehrleute, um den Tag des Notrufs – Deichmanns 112. Triathlon – gemeinsam mit ihm zu feiern.

Wieder ertönt die Tröte, dieses Mal antworten Tröten aus dem Publikum. Die Gruppe kommt über die Wiese gerannt, macht einen Schlenker am Tor vorbei und läuft dann von der anderen Seite hindurch. Die Menschen jubeln. Deichmann hat Mühe, gegen die Geräuschkulisse anzureden.

Er bedankt sich bei seinem Team, bei der Familie Walchshöfer, den Organisatoren der Challenge Roth, und dem Rother Publikum, und er gratuliert allen Langdistanzlern, die mit ihm heute den ganzen Tag unterwegs waren. Dann verabschiedet er sich, er müsse ins Bett. Noch ist die „Challenge 120“, wie er sein Projekt nennt, nicht vorbei: Morgen springt er wieder gegen sieben Uhr in den See.

Zur Feier des Tages gibt es heute Abend Pizza für Deichmann und sein engstes Team, darunter sein Vater Sammy und sein Bruder Siddharta, der zu Beginn der „Challenge 120“ bei einem Sturz mit dem Fahrrad einen Schlüsselbeinbruch erlitt. Er erholte sich schnell und hat bisher gemeinsam mit seinem Bruder 63 Langdistanzen „gefinisht“, wie er erzählt. Während sie hier auf den Lieferdienst warten, findet Jonas Deichmann Zeit für ein Interview.

Eine Erkältung hätte alles beenden können

Sein Rekord „war kein Selbstläufer“, sagt er. Die Dauerbelastung sei das Härteste gewesen, vor allem deswegen, weil es keinen zeitlichen Puffer gab. Für vier Monate stünden täglich 14 Stunden Sport auf dem Programm: „Wenn man mal einen schlechten Tag hat, wird der nächste auch nicht besser, weil man noch weniger schläft.“ Im Schnitt schaffe er sechs bis sieben Stunden Schlaf pro Nacht. Aber der Körper passe sich auch an, ihm gehe es heute deutlich besser als etwa an Tag fünf.

Während des Projekts hatte er immer wieder Beschwerden: Knieentzündungen, Achillessehnenprobleme, Rückenschmerzen, Fußschmerzen und Erkältungen. Ständig sei etwas gewesen, er habe sich von einem Problem zum nächsten gehangelt, dabei immer Unterstützung seines Physiotherapeuten gehabt und regelmäßig seinen Arzt konsultiert. Ans Aufgeben habe er dennoch nie gedacht, da es immer irgendwie weiterging – das sei eine seiner wichtigsten Lektionen aus dem Projekt. Was ihn auch fasziniere: Er regenerierte sich auch beim morgendlichen Schwimmen im Rothsee. „Ich springe rein, und wenn ich rauskomme, geht’s mir meistens besser als vorher“, sagt Deichmann.

Ob er dieses Projekt noch mal so umsetzen würde? Ihm sei immer klar gewesen, dass es jederzeit hätte vorbei sein können, ein Sturz, eine fiebrige Erkältung – und Schluss. Wenn das vor dem Tag 106 passiert wäre, hätte er den Rekord nächstes Jahr noch mal probiert. „Das Projekt war und ist saugeil, aber ich könnte mich jetzt nicht noch einmal motivieren, so etwas zu machen“, sagt er. Es gebe so viele andere schöne Dinge, die man tun könne, aber so ein Projekt, das mache man nur einmal im Leben.

Und wie es wohl den Rothern damit gehen mag? Ihr ganz persönliches Sommermärchen geht nun jedenfalls noch in die Verlängerung.

Back to top button