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Jetzt oder nie nach Deutschland | ABC-Z

An diesem Mittwoch ist es wieder so weit. Ein von der Bundesregierung gechartertes Flugzeug, losgeflogen in Islamabad, wird am Abend auf dem Flughafen in Leipzig erwartet. An Bord: afghanische Staatsbürger, die von der Bundesregierung eine rechtsverbindliche Zusage für die Aufnahme in Deutschland haben. Sie hatten während des Afghanistaneinsatzes der Bundeswehr als Ortskräfte gearbeitet oder sind deren Angehörige. Oder sie müssen nach der Machtübernahme der Taliban im Jahr 2021 nun Verfolgung durch die Islamisten fürchten, weil sie früher als Anwälte, Journalisten oder für Menschenrechtsorganisationen gearbeitet haben.

Die Union kritisiert die Flüge scharf. Der stellvertretende Fraktionsvorsitzende Jens Spahn nannte die Übersiedlungen anmaßend und grundfalsch. Schließlich habe die geschäftsführende Regierung nicht einmal mehr eine Mehrheit im Parlament. Andere Unionspolitiker teilen diese Meinung.

Sie sind aufgebracht, weil die Flüge in eine Zwischenzeit fallen: Beschlossen wurden sie von der Ampelregierung, die vermutlich künftige schwarz-rote Koalition hat aber das Ende möglichst aller freiwilligen Aufnahmeprogramme beschlossen. „Wir werden freiwillige Bundesaufnahmeprogramme so weit wie möglich beenden (zum Beispiel Afghanistan) und keine neuen Programme auflegen“, heißt der entsprechende Satz im Koalitionsvertrag. Er ist Teil der Verschärfung der Migrationspolitik, auf die sich CDU/CSU und SPD geeinigt haben.

Ihre Gästehäuser verlassen sie nicht

Die Union wirft dem zuständigen Auswärtigen Amt, geführt von der Grünenpolitikerin Annalena Baerbock, nun vor, noch in den letzten Tagen der Ampelregierung Tatsachen zu schaffen. In der SPD wollte sich dazu bislang niemand so recht äußern.

Das Auswärtige Amt stellt den Vorgang als gewöhnlich und lange geplant dar. Ein Sprecher des Ministeriums sagte, alle Aufnahmeberechtigten hätten zuvor zahlreiche Sicherheitsüberprüfungen durchlaufen. Über die Zukunft des Programms entscheide die neue Regierung. Aber gerade würden prioritär die Fälle abgearbeitet, bei denen bereits eine Aufnahmezusage erteilt worden sei. Insgesamt sind das laut Ministerium 2600 Personen.

Die Afghanen, die am Mittwoch in Leipzig landeten, werden zunächst in das Grenzdurchgangslager Friedland gebracht und von dort nach zwei Wochen auf die Länder verteilt. Für diesen Monat sind nach Angaben des sächsischen Innenministeriums noch zwei weitere Flüge aus Islamabad geplant, für den 23. und 29. April.

Eigentlich hätten die 2600 Afghanen, die in der pakistanischen Hauptstadt auf einen Flug warten, längst in Deutschland sein sollen. Das von der Ampelregierung aufgelegte Programm lief jedoch so stockend an, dass weiterhin viele Afghanen in Islamabad festsitzen. Sie sind in Gästehäusern untergebracht, die aus deutschen Mitteln finanziert und von der Gesellschaft für Internationale Zusammenarbeit (GIZ) beauftragt werden. Viele der verbliebenen Personen warten in der pakistanischen Hauptstadt seit mehr als einem Jahr auf ihre Ausreise. Aufgrund einer drohenden Abschiebung durch die pakistanischen Behörden verlassen sie nur selten ihre Gästehäuser, häufig nicht einmal im Krankheitsfall.

Die Debatte über die Zukunft der Aufnahmeprogramme wird in den Gästehäusern mit wachsender Verzweiflung verfolgt. „Seit den jüngsten Äußerungen aus der CDU/CSU ist die Stimmung noch düsterer“, sagte ein Journalist am Dienstag der F.A.Z. am Telefon. Er kam vor sechs Monaten mit einer Aufnahmezusage der Bundesregierung nach Islamabad und wartet noch immer auf ein Interview mit Vertretern deutscher Sicherheitsbehörden, das Voraussetzung für die Aufnahme ist. „Wir gehen vom Schlimmsten aus.“

In Pakistan sind Afghanen unerwünscht

Falls sein Fall nicht mehr geprüft werde, wolle er juristisch dagegen vorgehen, sagt der Journalist, der nicht namentlich genannt werden will, weil er fürchtet, dass ihm daraus Nachteile entstehen könnten. Er könne nicht verstehen, warum jene, die den legalen Weg gingen, abgelehnt würden, während andere einfach illegal die Grenzen überschreiten würden. „Es ist, als würden wir nach dem Fall von Kabul zum zweiten Mal im Stich gelassen.“

Zur Anspannung trägt bei, dass die pakistanische Regierung jüngst angekündigt hat, Hunderttausende Afghanen abschieben zu wollen. Derzeit finden im ganzen Land Polizeirazzien statt, die dazu geführt haben, dass allein in den vergangenen zwei Wochen nach Angaben der Internationalen Organisation für Migration rund 60.000 Afghanen die Grenze überschritten haben. Bis Ende des Jahres könnte die Zahl demnach auf 600.000 Rückkehrer steigen.

Jenen Afghanen, die im Rahmen ausländischer Aufnahmeprogramme in Islamabad auf ihre Ausreise warten, hat die Regierung eine Frist bis Ende April gesetzt. Danach würden sie abgeschoben, teilte das Innenministerium mit. Schon jetzt werden immer wieder Fälle bekannt, in denen Afghanen aus deutschen Aufnahmeprogrammen trotz entsprechender Dokumente in Abschiebehaft genommen werden. Am Dienstag waren es fünf Personen, heißt es aus dem Auswärtigen Amt. Vergangene Woche seien drei besonders schutzbedürftige Personen aus den Aufnahmeprogrammen in Gewahrsam genommen worden. Mitarbeiter des Auswärtigen Amtes konnten in ihrem Fall die Freilassung erwirken.

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