Wirtschaft

Jennifer Hermoso sagt nach Kuss-Skandal aus | ABC-Z

Jennifer Hermoso kam mit einer schwarzen Jacke, einem schwarzen Pullover, ihre dunklen Haare hatte sie streng nach hinten gekämmt. Nichts sollte von ihren Worten ablenken. Zurückhaltend beantwortete die 34 Jahre alte Profifußballspielerin die Fragen von Anklage und Verteidigung, Fragen, die sie alle schon längst gehört hatte.

Wieder lief vor den Augen aller im Saal der Film ab, der Kuss, den ihr der ehemalige Vorsitzende des spanischen Fußballverbands Luis Rubiales am 20. August 2023 bei der Siegesfeier zum Gewinn des WM-Titels in Sydney gegeben habe – mutmaßlich ohne ihr Einverständnis.

„Mein Chef küsst mich“

„Wir haben uns umarmt“, schilderte Jennifer Hermoso vor Gericht, was auf dem Podium aus ihrer Sicht geschehen ist. „Was haben wir nur angerichtet“, habe er ihr gesagt. „Dann hat er die Hände um meine Ohren gelegt und mir den Kuss gegeben“, sagte Hermoso, so fest, dass sie gar nicht habe reagieren können.

Der heute 47 Jahre alte Rubiales sei dabei aufgesprungen, sie sei fast nach hinten gefallen, sagte die Spielerin. Sie habe sich nur gedacht: „Mein Chef küsst mich.“ Vor Gericht geht es nun um die Frage, ob dieser Kuss aufgezwungen war oder nicht. Im reformierten spanischen Sexualstrafrecht gilt seit 2023: Ja heißt Ja.

Jennifer Hermoso am Montag in Madrid vor dem GerichtsgebäudeAFP

Die Frage ist also nicht, ob Hermoso sich dem Kuss verweigert hat, sondern ob sie ihm zugestimmt hat. Darum wird die Verteidigung im Verfahren so sehr darauf bestehen, dass der inzwischen zurückgetretene Rubiales gefragt habe: „Ein Küsschen?“ Sie habe nichts davon gehört, sagte Hermoso am Montag. „Ich konnte auch an seinem Gesicht keine Frage ablesen.“

Schnell sind in Spanien Videos aufgetaucht, die Jennifer Hermoso nach der Siegesfeier fröhlich in der Kabine zeigen. Rubiales habe sie geküsst, feixen darin ihre Mitspielerinnen, sie selbst sagt lachend: „Es hat mir aber nicht gefallen.“ Mit dem Verhalten mutmaßlicher Opfer von sexuellen Übergriffen nach der Tat wird oft versucht, ihre Glaubwürdigkeit zu entkräften.

Auch die Verteidigung spielt mit diesem Argument. Allerdings haben die Gerichte in Spanien zuletzt wiederholt erklärt, dass das Verhalten eines Opfers nach einer Tat keine Rückschlüsse auf den Tathergang liefere. Hermoso sagte im Verfahren, sie habe sich die Freude des Moments nicht nehmen lassen wollen: „Ich kann auf diesen Videos fröhlich aussehen, aber innerlich war ich wütend, weil mir das die Freude des Augenblicks verdarb“, sagte die Spielerin vor Gericht. Schließlich habe sie gerade den größten Erfolg in ihrer Karriere errungen.

Der zweite Teil der Anklage richtet sich auch gegen den damaligen Nationaltrainer Jorge Vilda sowie zwei weitere Beschäftigte des Verbands. Ihnen wird vorgeworfen, die Spielerin nach der Siegesfeier unter Druck gesetzt zu haben. Dieser Vorwurf der Zeugenbeeinflussung wiegt für die Anklage sogar noch schwerer als die eigentliche Tat.

Während sie für Rubiales wegen des Kusses eine einjährige Haftstrafe fordert, soll er wegen des Drucks, den er zusammen mit den drei weiteren Beschuldigten mutmaßlich hinterher auf die Spielerin ausgeübt habe, für eineinhalb Jahre ins Gefängnis. Die Spielerin soll von den Beschuldigten zudem eine Entschädigung in Höhe von 100.000 Euro erhalten.

Hermoso schilderte vor Gericht detailreich, wie man sie nach dem Spiel um eine Erklärung gebeten habe, um die Diskussionen in der Öffentlichkeit zu beenden, wie ihr noch in Sydney eine Presseerklärung vorgelegt worden sei, so formuliert, als stamme sie von ihr selbst, die sie aber nicht unterschreiben wollte. Darin hieß es: „Das war eine völlig spontane Geste in beiderseitigem Einverständnis wegen der großen Freude, die WM gewonnen zu haben. Der Präsi und ich haben ein großartiges Verhältnis.“ Diese Erklärung verschickte der Verband später tatsächlich.

Ähnliche Versuche von Mitarbeitern des Verbands hätten sich an den folgenden Tagen fortgesetzt. Dabei seien auch ihre Familie und Freunde kontaktiert worden. Sie habe sogar anonyme Todesdrohungen erhalten. Als sie sich trotz allem weigerte, Rubiales mit einer Erklärung zu entlasten, habe Albert Luque, damals Sportdirektor im Verband, einer ihrer Freundinnen geschrieben: „Ich wünsche ihr, dass ihr das Leben zurückgibt, was sie ungerechterweise einem anderen Menschen zufügt.“

Das Gericht wird jeden Eindruck vermeiden wollen, dass Luis Rubiales im Grunde schon verurteilt ist. Aber die Verteidigung hat es nicht leicht: Die Szene mit dem Kuss war live im Fernsehen zu sehen. Und der Druck aus dem Verband auf Hermoso ist in zahlreichen schriftlichen und mündlichen Kurznachrichten auf Handys dokumentiert. Luis Rubiales schwieg am Montag. Er wird erst am Ende der Verhandlung aussagen.

Schaltfläche "Zurück zum Anfang"