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Jayden Daniels von den Washington Commanders in den NFL-Playoffs: Saison der Rookies – Sport | ABC-Z

In den Augen war keine Nervosität zu erkennen, kein Schmerz. Jayden Daniels hatte noch versucht, ins Seitenaus zu laufen, da setzte es einen harten Hit des Gegners. Sein Körper hob ab, er machte in der Luft eine horizontale Schraube und krachte, wohl mit dem Helmgitter zuerst, auf den Boden. Sichtbar war später jedenfalls ein kleiner, aber tiefer Cut unter dem rechten Auge. Die Washington Commanders beschwerten sich nicht einmal. Möglicherweise war der Hit von Zyon McCollum sogar regelwidrig, weil gar nicht innerhalb des Spielfelds. Egal.

Vier Minuten später warf Daniels unbeeindruckt einen Touchdown-Pass, und die Ballbesitzphase auf dem Weg dorthin sagte über den Quarterback vielleicht noch mehr aus als seine Nehmerqualitäten: 17 Spielzüge, neun Minuten und 92 Yards lang, bei einem Auswärts-Playoff-Spiel. Daniels, 24, holt sich in dieser Saison seine ersten Narben als Profi, aber seine Nervenstärke ist für sein Alter schon beachtlich.

Deutsche Footballfans mussten am ersten Playoff-Wochenende lange wach bleiben, um ein Spiel zu erleben, das bis zum Schluss spannend war. Die üblichen Titelfavoriten wie die Buffalo Bills, die Baltimore Ravens und die Philadelphia Eagles hatten sich vorher allesamt deutlich durchgesetzt in ihren Heimspielen. Die Tampa Bay Buccaneers galten gegen Washington zumindest als leicht favorisiert, aufgrund der größeren Erfahrung ihrer Schlüsselspieler. Doch spätestens jetzt steht Daniels stellvertretend für eine Spielzeit, in der viele Rookies, junge Profis in ihrer ersten Saison, besonders viel Furore machen. Wenngleich zur Wahrheit auch gehört, dass es beim 23:20-Sieg der Commanders in Florida ein Field Goal in der Schlusssekunde benötigte, bei dem das Ei den rechten Pfosten traf, dann aber doch noch hindurchfiel.

Der erste Playoff-Erfolg des Hauptstadtteams seit 19 Jahren – bis 2020 firmierte es unter dem Namen Redskins – ist auch deswegen beachtlich, weil die Commanders in der vergangenen Saison zu den schlechtesten Mannschaften gehörten. Weshalb sie im Draft, der jährlichen Spielerbörse von College-Abgängern, als zweite Mannschaft zugreifen konnten. Auf eins wählten die Chicago Bears Caleb Williams, der ebenfalls schon als Bereicherung der National Football League (NFL) gilt. Danach folgte Daniels von der Louisiana State University. Von derselben Uni wurde Passempfänger Malik Nabers auf Position sechs von den New York Giants gedraftet.

Daniels und Nabers sind eng befreundet, im Frühjahr hatten sie sich Ärger eingehandelt, weil sie um 10 000 Dollar gewettet hatten, wer von ihnen zum besten Rookie des Jahres gewählt werden würde. Vom Uni-Direktor bekamen sie deshalb einen Einlauf, bei der NFL mussten sie zum Thema verbotenes Glücksspiel nachsitzen. Nabers fing in der abgelaufenen Saison 109 Pässe, ein ligaweiter Rookie-Rekord.

Die Verletzungsgefahr gilt als eine der größten Schwächen von Quaretback Jayden Daniels

Die mittlerweile wohl abgeblasene Wette dürfte trotzdem an Daniels gehen. Denn mit ihm macht Football in der Hauptstadt wieder Spaß, zumal er schnell dazulernt: Das erste Saisonspiel hatten sie ebenfalls in Tampa ausgetragen, beim ersten Spielzug hatte Daniels den Ball verloren. Der 1,93 Meter große Kalifornier gilt als die jüngere und schlaksigere Variante von Lamar Jackson (Baltimore Ravens), auch er ist ein „dual-threat-quarterback“, einer, der als Ballträger genauso gefährlich ist wie mit seinem Wurf. In den 17 Spielen vor den Playoffs erlief er 891 Yards, mehr als jeder gelernte Runningback im Team.

Logischerweise gilt deshalb die Verletzungsgefahr als eine seiner größten Schwächen. Der Hit im Spiel bei den Buccaneers war nicht die einzige Situation, in der sich Daniels in Gefahr befand. Bislang hat er Glück oder das richtige Gespür, wie viel Risiko er sich erlauben kann. Auch in dieser Saison fielen wieder mehrere Spielmacher wegen Gehirnerschütterungen aus, darunter der gerade genesene Routinier Jalen Hurts von den Eagles. Daniels dagegen kam bis jetzt mit einer leichten Rippenverletzung und, in der Nacht auf Montag, mit einem Pflaster unter dem Auge davon.

Nun ist es in der NFL fast schon Tradition, erfolgreiche Rookies so sehr zu überhöhen, bis ihnen der Ruhm zu Kopf steigt und sie zu immer riskanteren Aktionen treibt. Bestes Beispiel ist Robert Griffin III., ein Daniels-Vorgänger in Washington, der nie an die Höhen seiner ersten Spielzeit anknüpfen konnte.

Bei dem harten Hit in Tampa wurde auch klar: Etablierte Quarterbacks wie Josh Allen von den Bills, der am Sonntag wenige Stunden zuvor mit seinen Pässen die starke Abwehr der Denver Broncos sezierte (31:7), oder auch Lamar Jackson von den Baltimore Ravens (28:14 über Pittsburgh), hätten bei solch einem Angriff qua ihres Status wohl erfolgreich eine Raumstrafe für den Gegner gefordert. So weit sind die Commanders noch nicht. Sie haben in der Liga nicht das Kommando übernommen. Sollten sie in der Nacht zum Sonntag aber auch im NFC-Halbfinale bei den Detroit Lions bestehen, dem großen Favoriten dieser Conference, dann wohl deshalb, weil Jayden Daniels so schnell dazugelernt wie keiner vor ihm.

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